Politische Lehren aus der Zerschlagung von Schlecker

Die drohende Zerschlagung der Drogeriekette Schlecker und die damit verbundene Entlassung von insgesamt 25.000 Mitarbeitern verdeutlicht die üble Rolle, die Verdi bei der Abwicklung des Konzerns gespielt hat. Zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, Löhne und Abfindungen benötigen die Arbeiterinnen eine sozialistische Perspektive.

Am vergangenen Freitag verkündete der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, dass die wichtigsten Gläubiger Schleckers mit den von den Investoren abgegebenen Übernahmeangeboten nicht zufrieden seien und der Konzern deshalb zerschlagen werde. Zuvor waren bereits die rentablen ausländischen Tochterunternehmen sowie die Schlecker-XL-Filialen und die Drogeriekette IhrPlatz an den Meistbietenden verkauft und der Erlös der Konkursmasse zugeschlagen worden.

Die Abwicklung des Konzerns ist das Ergebnis der engen Zusammenarbeit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit Insolvenzverwaltung, Gläubigern und dem Eigentümer Anton Schlecker. Verdi kam dabei die Aufgabe zu, den Widerstand der Arbeiterinnen zu unterdrücken und die Forderungen von Geiwitz gegen die Beschäftigten durchzusetzen.

Vieles deutet daraufhin, dass Verdi schon im Jahr 2009 von den Insolvenzplänen Anton Schleckers erfahren und den Prozess seitdem mit vorbereitet hat. 2011 lobte Verdi-Chef Frank Bsirske die Unternehmensleitung in aller Öffentlichkeit für ihre „Anstrengungen im Umgang mit Mitarbeitern“. Kurz darauf wurde mit der Zustimmung Verdis damit begonnen, Mitarbeiter zu entlassen und Filialen zu schließen.

Als der Schlecker-Konzern im Januar dieses Jahres dann Insolvenz anmeldete, arbeite Verdi Hand in Hand mit der Insolvenzverwaltung. Gegenüber den Arbeitern argumentierte die Gewerkschaft, dass Massenentlassungen und Lohnkürzungen notwendig seien, um den Konzern und damit die übrigen Arbeitsplätze zu erhalten.

In einem ersten Schritt organisierte Verdi zusammen mit den Betriebsräten die Entlassung von 11.200 Arbeiterinnen. Um Gläubiger und potentielle Investoren von der Pflicht zu befreien, Abfindungen zu bezahlen, bemühte sich Verdi, eine Transfergesellschaft zu schaffen. Mit dem Eintritt in diese hätten Mitarbeiter jeden Anspruch auf Abfindung oder Wiedereinstellung verloren.

Als die Transfergesellschaft an dem Einspruch der FDP gescheitert war, setzte Verdi die entlassenen Mitarbeiter unter Druck, nicht auf Abfindung oder Wiedereinstellung zu klagen, um Investoren nicht abzuschrecken. Dass sich 4.000 Gekündigte darüber hinwegsetzten und sich an die Gerichte wandten, stellte Verdi-Chef Frank Bsirske am vergangenen Freitag dann als Grund dar, weshalb Schlecker zerschlagen werden müsse.

Zu keinem Zeitpunkt leitete Verdi irgendwelche Arbeitskampfmaßnahmen ein. Zudem hat sie die Mitarbeiterinnen systematisch im Dunkeln gehalten. Auch wenn ein Gewerkschaftsvertreter im Gläubigerausschuss sitzt und über alle Investoren, Gläubiger und Angebote informiert war, mussten sich die Mitarbeiterinnen aus den Medien über die jüngsten Entwicklungen informieren. Bis heute ist nicht öffentlich bekannt, wie groß die Konkursmasse ist, wie hoch die Forderungen der Gläubiger sind oder welche konkreten Angebote vorgelegt wurden.

In den Wochen vor der Insolvenz bot Verdi den Investoren alle nur erdenklichen Kürzungen an. Ohne jede Zusicherung von Seiten der Insolvenzverwaltung verzichtete die Gewerkschaft auf eine anstehende Lohnerhöhung von zwei Prozent sowie auf das Urlaubsgeld. Zudem bot sie Lohnkürzungen von über zehn Prozent und einen dauerhaften Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld an. Es steht außer Frage, dass dies nur der Anfang gewesen wäre.

Verdi setzte auf diese Weise die Erpressung der Insolvenzverwaltung gegen die Arbeiter durch: entweder die Beschäftigten arbeiten zu Dumpinglöhnen und unter miesen Arbeitsbedingungen oder der Konzern wird abgewickelt und sämtliche Arbeitsplätze vernichtet.

Das Ergebnis dieses Vorgehens ist die vollständige Zerschlagung des Konzerns. Die Arbeiterinnen sollen nun den Ausverkauf der Ware organisieren, um die Konkursmasse zu erhöhen, ohne zu wissen, ob sie für diese Arbeit überhaupt vollständig entlohnt werden, geschweige denn bei Entlassung eine angemessene Abfindung erhalten. Sie haben mit ihrer eigenen Arbeit die Konkursmasse geschaffen, die jetzt zwischen den milliardenschweren Gläubigern aufgeteilt werden soll, ohne dass sie selbst einen Cent davon sehen.

Zugleich wird die Vernichtung der Arbeitsplätze bei Schlecker von den übrigen Drogerie- und Einzelhandelskonzernen genutzt werden, um Löhne zu senken und die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Es gibt bereits Berichte von Arbeitern, laut denen der Konkurrent Rossmann ehemalige Schlecker-Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen einstellt als die Altbeschäftigten.

Von Anfang an stand die Abwicklung Schleckers in direktem Zusammenhang mit umfassenderen Angriffen auf die sozialen Rechte der Arbeiter. Immer häufiger werden gerade in Deutschland Insolvenzen genutzt, um entweder die Löhne zu minimieren und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern oder Massenentlassungen zu organisieren. So war es bei Karstadt, bei MANRoland oder ist es jetzt bei Neckermann. Längst ist in Deutschland ein umfassender Niedriglohnsektor entstanden, in dem bereits 23 Prozent der Beschäftigten für durchschnittlich unter sieben Euro pro Stunde arbeiten müssen.

Diese Lohnkürzungen sind Teil einer europäischen Offensive der herrschenden Eliten, die die großen Banken und Konzerne auf Kosten der Arbeiter mit frischem Geld versorgen und so die Reichen noch reicher zu machen. In Griechenland wurden dazu die Reallöhne um bis zu zwei Dritteln gekürzt, in Italien und Spanien die Arbeitsrechte geschliffen und in ganz Europa die Sozialleistungen zusammengestrichen.

In all diesen Ländern haben die Gewerkschaften eine wichtige Rolle dabei gespielt, diese Angriffe gegen die Arbeiter durchzusetzen. In jedem dieser Fälle haben sie sich der Logik der Märkte untergeordnet und die Kürzungen als notwendig gerechtfertigt oder keinerlei Widerstand organisiert.

Unter diesen Bedingungen erfordert die Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne eine umfassende politische Perspektive. Nur im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen höher gestellt werden als die Profitinteressen der Banken, können die Rechte der Arbeiter verteidigt werden.

Nur auf dieser Grundlage können die Schlecker-Arbeiterinnen die Erpressung von Insolvenzverwaltung und Gewerkschaften zurückweisen und das Grundrecht auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz einfordern, das nicht den Märkten geopfert werden darf.

Dazu müssen sie sich unabhängig von Verdi in Aktionskomitees organisieren, die eigenständige Arbeitskampfmaßnahmen vorbereiten, und sich mit den Schlecker-Mitarbeitern anderer Länder und Arbeitern des gesamten Einzelhandels zusammenschließen, die von den Angriffen genauso betroffen sind. Die WSWS hat in Zusammenarbeit mit der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) ein Diskussionsportal eingerichtet, in dem eben das diskutiert werden kann.

Auf dieser Grundlage muss zunächst eine Offenlegung der Bücher des Konzerns und der Familie Schlecker sowie aller Verhandlungen des Gläubigerausschusses inklusive der Investorenangebote gefordert werden. Die Gläubiger dürfen von der Konkursmasse keinen Cent sehen, ehe nicht allen Arbeitern der vollständige Lohn und eine Abfindung von mindestens 25.000 Euro gezahlt wurden.

Die Kämpfe können aber nur erfolgreich sein, wenn sie sich gegen die Logik des Profitsystems richten. Dazu müssen Arbeiter nicht nur Aktionskomitees, sondern eine internationale, sozialistische Partei aufbauen, die Arbeiter über alle Grenzen hinweg vereint und sich den Angriffen auf die sozialen Rechte widersetzt. Diese Partei ist die Vierte Internationale und in Deutschland die Partei für Soziale Gleichheit.

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