Die Autokrise erfordert eine sozialistische Antwort

Fast täglich kommen neue Hiobsbotschaften aus den Konzernzentralen der europäischen Autowerke. General Motors in Detroit verlangt einen weitaus radikaleren Arbeitsplatzabbau an den europäischen Standorten als bisher geplant.

Nur drei Tage nachdem der bisherige Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke Ende letzter Woche gefeuert wurde, kündigte sein Nachfolger Thomas Sedran die Entlassung von 500 Opel-Managern an. Aufsichtsratschef Stephen Girsky soll in der jüngsten Sondersitzung des Kontrollgremiums am Dienstag sogar noch weitaus mehr gefordert haben, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet. Demnach müsse sich Opel von insgesamt einem Fünftel der Führungskräfte trennen. Nach Girskys Berechnung wären das 2.400 Mitarbeiter im oberen und mittleren Management.

Diese Umstrukturierung des Managements ist Bestandteil eines massiven Arbeitsplatzabbaus, der auch die Schließung eines oder mehrerer europäischer Werke in Betracht zieht.

Der französische Autobauer PSA Peugeot Citroën, mit dem General Motors seit März eine enge Partnerschaft unterhält und an dem es mit sieben Prozent beteiligt ist, kündigte in der vergangenen Woche den Abbau von 8.000 Arbeitsplätzen an.

Renault plant nach Pressemeldungen einen Stellenabbau im Werk Flins nahe Paris. Fiat-Chef Sergio Marchionne hat erklärt, Fiat habe „eine Fabrik zu viel”. Bereits 2011 hatte Fiat sein Werk Termini Imerese auf Sizilien geschlossen. Das Stammwerk in Turin ist wegen schlechter Auslastung nach wie vor bedroht, ebenso ein weiteres Werk in Norditalien. Und auch Ford berät laut Financial Times über die Schließung eines europäischen Werks. Seine Produktionskapazität in Europa hat Ford bereits gesenkt und in Deutschland Kurzarbeit beantragt.

Die Krise in der europäischen Autoindustrie hat keinen konjunkturellen, vorübergehenden Charakter, sondern ist ein direktes Ergebnis der internationalen Wirtschaftskrise und der radikalen Sparmaßnahmen, die die europäischen Regierungen unter dem Diktat der Banken durchgesetzt haben. Verglichen mit 2007, dem Jahr vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, ist die Zahl der Neuzulassungen in Europa um 21 Prozent gesunken. Allein dieses Jahr wird der Rückgang voraussichtlich sieben Prozent betragen.

Die FAZ zitiert eine Auto-Studie, in der es heißt: „Auslöser der Krise ist nicht mehr nur die allgemeine Unsicherheit der Menschen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, sondern eine zunehmende Massenarbeitslosigkeit unter den Jüngeren im Alter von bis zu 25 Jahren, von denen in Südeuropa ein Drittel keine Arbeit hat. Eine ganze Generation droht der Autoindustrie als Kunden verloren zu gehen.“

Besonders schlimm ist die Situation in Italien. Dort ist die Autoproduktion von 1980 bis 1990 von 1,4 auf 1,9 Millionen Fahrzeuge gestiegen und in den vergangenen Jahren um knapp zwei Drittel eingebrochen. Die Zahl der Beschäftigten sank um 42 Prozent auf 170.200. In Frankreich hat sich die Beschäftigtenzahl in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr als halbiert, wobei der Hauptrückgang in den vergangenen drei Jahren stattfand.

VW, Mercedes und BMW konnten den Absatz und die Produktionskapazitäten zwar ausweiten. Aber das hängt damit zusammen, dass sie stärker in Asien, vor allem in China, und in einigen Ländern Lateinamerikas vertreten sind. Die Vertiefung der weltweiten Rezession, die sich derzeit abzeichnet, wird sich deshalb umso stärker auf die Konzerne auswirken, die heute als Branchenprimus gelten.

Ähnlich wie in den USA nutzen die europäischen Autobauer nun die Krise, um Massenentlassungen, drastische Lohnsenkungen und Sozialabbau durchzusetzen und die Lebensbedingungen der Auto-Arbeiter auf das Niveau der 1930er Jahre zurückzuwerfen.

Dabei stützen sie sich direkt auf die enge Zusammenarbeit mit der IG Metall und den Betriebsräten. Vieles deutet darauf hin, dass die angekündigten Entlassungen im Management von Opel damit verbunden sind, Betriebsräte und IG Metallfunktionäre stärker und unmittelbarer in führende Managementposten einzubinden.

Schon in den vergangenen Jahren spielte der Betriebsrat von Opel unter der Leitung seines damaligen Chefs Klaus Franz eine Schlüsselrolle bei der Planung, Entwicklung und Durchsetzung flexibler Lohn- und Arbeitszeitprogramme zur Steigerung der Produktivität und zum Abbau der Belegschaft. Nicht umsonst wurde Franz, dessen Betriebsrat eine Vielzahl wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigte, als „heimlicher Personalvorstand“ bezeichnet.

Unter Franz‘ Nachfolger Dr. Schäfer-Klug nimmt die Managementfunktion des Betriebsrats weiter zu. Der promovierte Soziologe war mehrere Jahre Referent des Gesamtbetriebsrats und Koordinator seiner internationalen Arbeit, wurde aber erst vor gut zwei Jahren Mitglied im Betriebsrat und dann von Franz auf den Spitzenposten gehievt. Anfang Januar 2012 übernahm er am selben Tag den Vorsitz des Betriebsrates in Rüsselsheim, den Vorsitz des Gesamt- und Konzernbetriebsrats, den Vorsitz des Europäischen Betriebsrats und den stellvertretenden Vorsitz des Aufsichtsrats.

Im Juni legten Betriebsrat und IG-Metall ein eigenes Sanierungskonzept für Opel vor. Dieser sogenannte „Deutschlandplan“ beinhaltete massive Rationalisierungsmaßnahmen einschließlich Arbeitsplatzabbau, Sozialkürzungen und Lohnsenkung. Als ersten Schritt setzte die Gewerkschaft die geplante Lohnerhöhung von 4,3 Prozent aus, was dem Konzern unmittelbar 19 Millionen Euro einbrachte.

Am 28. Juni stimmten alle Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat – auch die Bochumer Betriebsräte Rainer Einenkel und Dirk Bresser – für das Sanierungskonzept, das Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke vorgelegt hatte. Als Stracke kurz danach auf Druck aus Detroit zurücktrat, begrüßten Betriebsräte und IG Metall ausdrücklich den Wechsel an der Unternehmensspitze zu Thomas Sedran, der zuvor jahrelang für die US-Unternehmensberatung Alix Partners gearbeitet und drastische Sparkonzepte für Opel entwickelt hatte.

Betriebsrat und IG Metall vertreten nicht die Interessen der Belegschaft, sondern die des Unternehmens. Sie integrieren sich völlig ins Management und treten – wie sie in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Vorstand schrieben – für die „Stärkung der Marke Opel“ ein, nicht für die Stärkung der Rechte der Beschäftigten.

Arbeiter, die sich gegen Entlassungen, Lohnkürzungen und Sozialabbau zur Wehr setzen, sind daher zu einem Kampf an zwei Fronten gezwungen – gegen Geschäftsleitung und Management und gegen Betriebsrat und IG Metall.

Die Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten, wie auch die Verteidigung der Löhne und Sozialleistungen ist nur möglich, wenn die Kontrolle der IG-Metall-Bürokratie und ihrer Betriebsräte durchbrochen wird. Das erfordert einen politischen Kampf gegen Sozialpartnerschaft und Klassenzusammenarbeit.

Die GM/Opel-Unternehmensleitung und ihre Co-Manager in der IG Metall behaupten, der Erhalt der Arbeitsplätze und der Löhne sei unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Damit erklären sie nur, dass die kapitalistische Profitwirtschaft nicht mit den Lebensinteressen und den Bedürfnissen der Bevölkerung zu vereinbaren ist. Arbeitsplätze und Sozialstandards können nur auf der Grundlage einer politischen Perspektive verteidigt werden, die die Bedürfnisse der Bevölkerung höher stellt als die Profitinteressen der Wirtschaft, das heißt auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive.

Im Mittelpunkt dieser Perspektive steht die enge Zusammenarbeit und Partnerschaft der europäischen Arbeiter mit ihren Kolleginnen und Kollegen in den USA und weltweit. Jeder Arbeiter in jedem Land hat das Recht auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz und auf soziale Absicherung. Das Recht auf Arbeit und Lohn ist ein elementares Grundrecht. Es kann nur im Kampf gegen das kapitalistische Profitsystem mit seiner superreichen Elite durchgesetzt werden, denn diese treibt die arbeitende Bevölkerung systematisch in Armut und Elend.

Um die Kontrolle der Gewerkschaften und ihrer Betriebsräte zu durchbrechen, müssen Betriebs- und Aktionskomitees aufgebaut werden, die gemeinsame internationale Kampfmaßnahmen, Streiks und die Besetzung der von Stilllegung bedrohten Betriebe organisieren.

Wir rufen die Opel- und GM-Beschäftigten sowie alle Auto-Arbeiter weltweit auf, sich mit der Redaktion der WSWS in Verbindung zu setzen, um einen globalen Kampf gegen die Angriffe zu organisieren.

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