Werksschließungen bei Iveco

Der Nutzfahrzeugbauer Iveco wird bis Jahresende fünf seiner Werke in Europa schließen, darunter drei in Deutschland. Betroffen sind die Standorte Weiswill (Baden-Württemberg), Ulm und Görlitz in Deutschland, Graz in Österreich und Chambéry in Frankreich. Insgesamt verlieren 1075 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.

Die Ankündigung durch Unternehmenschef Altavilla in Turin kam nicht überraschend. Bereits Anfang Mai hatte Iveco die Einstellung der Lkw-Produktion in Ulm angekündigt. Am Standort Ulm gab es seit mehr als drei Jahren durchgehend Kurzarbeit, die mit der Konjunkturschwäche in Europa und schrumpfendem Absatz begründet wurde.

Ein kritischer Blick hinter die Fassade lohnt sich und zeigt: Ivecos Mutterkonzern Fiat Industrial, Nutzfahrzeugsparte des italienischen Autoherstellers Fiat, geht es blendend. Das Unternehmen hat im ersten Quartal 2012 einen Gewinnsprung um mehr als neunzig Prozent auf 207 Millionen Euro gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres verzeichnet und rechnet im laufenden Jahr mit 25 Milliarden Euro Umsatz und rund 900 Millionen Euro Gewinn.

Derzeit plant Fiat Industrial innerhalb der kommenden drei Jahre anderthalb Milliarden Euro in Spanien zu investieren und dort 1100 Arbeiter einzustellen. Der spanische Staat hat bereits in Übereinstimmung mit der EU Steuererleichterungen und Anreize in Höhe von 500 Millionen Euro verbindlich zugesagt.

Es geht bei den Entlassungen um nichts anderes, als alte Tarifverträge aufzukündigen, um neue Arbeiter zu deutlich schlechteren Konditionen wieder einzustellen. Dabei nutzt das Unternehmen nicht nur EU-Subventionen sondern vor allem die umfassenden Angriffe auf die Rechte der spanischen Arbeiter, wie sie in den letzten zwei Jahren im Rahmen der Bankenkrise durchgeführt wurden.

Die dadurch entstandene Arbeitslosigkeit von 24,6 Prozent führt zu einem extrem niedrigen Lohnniveau bei Neueinstellungen. Vor allem die seit kurzem geltende Regelung, dass die Löhne in Spanien gekürzt werden dürfen, wenn der Gewinn eines Unternehmens über neun Monate rückläufig ist, dürfte Ivecos Entscheidung erheblich beflügelt haben.

Auf diese Weise werden die von der EU verordneten Sozialkürzungen in Spanien, Portugal, Irland, Italien und Griechenland genutzt, um die Löhne und Arbeitsbedingungen in ganz Europa zu verschlechtern. Allein in Ulm verlieren 670 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz, unter ihnen 450 über 55Jährige, etwa einhundert Schwerbehinderte und ebenso viele Auszubildende.

Schon in den letzten Jahren hatte der Konzern die Drohung der Produktionsverlagerung genutzt, um die Ausbeutung an den bisherigen Standorten zu erhöhen. Dabei arbeitete er eng mit der Gewerkschaft zusammen. IG Metall und Betriebsrat hatten für die drei deutschen Standorte im Jahr 2006 bereits fünf Stunden unbezahlte Mehrarbeit durchgesetzt, damals mit dem Argument, die Arbeitsplätze auf diese Weise zu sichern.

Auch in der gegenwärtigen Situation stehen Gewerkschaft und Betriebsrat fest auf der Seite der Unternehmensführung. Sie weigern sich nicht nur, irgendwelche Kampfmaßnahmen zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu organisieren, sondern diffamieren Streiks sogar als Arbeitsverweigerung. Die Beschäftigten in Ulm und Weisweil wollten doch kämpfen, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Wilfried Schmid: „Aber nicht mit Streiks. (...) Wir wollen ja arbeiten.“

Auch der Ulmer IG-Metall Geschäftsführer Michael Braun fügt sich vollständig der Standortlogik, in der die einzelnen Standorte und Länder bezüglich Löhnen und Arbeitsbedingungen gegeneinander ausgespielt werden. Nur argumentiert er für Deutschland. Es mache keinen Sinn, sagte er, die Produktion schwerer Lastwagen aus dem Donautal nach Madrid zu verlagern, denn: „(…) die Spanier könnten solche Zugmaschinen wegen der prekären Wirtschaftslage gar nicht kaufen.“

Auch die Linkspartei hat sich der Standortargumentation angeschlossen. „Spanien sagt, es ist pleite (...), und dann bezahlen die 500 Millionen Euro, um hier 670 Arbeitsplätze und 100 Azubistellen abzubauen“, sagte Gregor Gysi in der vergangenen Woche und zog den Graben nicht etwa zwischen Firmenleitung und Arbeitern, sondern in übelster nationalistischer Manier zwischen Spanien und Deutschland.

Diese nationalistische Politik von Gewerkschaft und Linkspartei dient nicht den Interessen der Beschäftigten sondern der Unternehmen. So können sie die Arbeiter der verschiedenen Länder gegeneinander ausspielen und die Löhne in ganz Europa auf ein Minimum drücken. Auf diese Weise sollen griechische oder spanische Verhältnisse in der ganzen EU durchgesetzt werden.

Tatsächlich sind die Massenentlassungen bei Iveco Teil der europaweiten Angriffe auf die Arbeiter und können nur durch einen gemeinsamen Kampf der Arbeiter aller Länder gegen die EU und ihre Kürzungspolitik abgewehrt werden.

In diesem Kampf spielt die Verteidigung der Arbeitsplätze bei Iveco eine wichtige Rolle. Kommt die Konzernzentrale mit ihren Plänen durch, werden weitere Firmen folgen; unterstützt von den Gewerkschaften werden sie weiter an der europäischen Lohnspirale drehen.

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