Ägyptens Revolutionäre Sozialisten suchen Bündnis mit Milliardär Sawiris und alten Mubarak-Parteigängern

Die Revolutionären Sozialisten (RS) in Ägypten, die einen irreführenden Namen tragen, arbeiten an einem politischen Bündnis mit milliardenschweren Geschäftsleuten, ehemaligen Bürokraten des Mubarak-Regimes, Technokraten der Vereinten Nationen, Nasseristen sowie verschiedenen liberalen und pseudo-linken Parteien.

Am 18. Oktober veröffentlichten sie eine gemeinsame Stellungnahme auf ihrer Website. Diese war unterzeichnet von der liberalen Partei Freier Ägypter des Geschäftsmanns und Multimilliardärs Naguib Sawiris, von der neugegründeten Kongresspartei von Amr Moussa (dem früheren Haupt der Arabischen Liga und Minister unter dem gestürzten Diktator Hosni Mubarak), von Mohammed ElBaradeis Verfassungspartei und der Ägyptischen Volksströmung des nasseristischen Führers Hamdin Sabahi.

Die Stellungnahme, betitelt „Ägypten ist kein Lehen, Ägypten den Ägyptern“, kritisiert die unterdrückerische Politik des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi sowie der regierenden Muslimbruderschaft (MB) und vergleicht sie mit den „Praktiken des Mubarak-Regimes“. Sie fordert eine weltliche „Verfassung für alle Ägypter“ sowie, den grundlegenden sozialen Forderungen „Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit“ nachzukommen.

Die von den RS aufgestellten Behauptungen, die Arbeiter könnten ihre sozialen Ansprüche gemeinsam mit Großkapitalisten wie Naguib Sawiris erreichen oder ihre demokratischen Rechte gemeinsam mit Aushängeschildern des Mubarak-Regimes wie Amr Mussa verteidigen, sind reaktionär und absurd.

Die Sawiris-Familie ist die reichste in Ägypten. Sie verfügt über ein Vermögen von 20 Milliarden Dollar, darunter 40 Prozent des Börsenwerts der ägyptischen Aktienbörse. Naguib Sawiris selbst, der Gründer der Partei Freier Ägypter, ist mit einem Vermögen von 3,1 Milliarden Dollar laut Forbes der zweitreichste Mann Ägyptens.

Dass die RS ein Bündnis mit solchen Gestalten als “progressiv” darzustellen vermögen, ist lediglich Ausdruck ihrer privilegierten Klassenposition. Die RS repräsentieren Schichten, die gleichgültig gegenüber demokratischen Rechten und sozialer Gleichheit sind. Das aber sind die Prinzipien, die aufs Engste mit der Arbeiterklasse verbunden sind, der treibenden Kraft hinter der ägyptischen Revolution.

Die RS artikulieren die Interessen wohlhabender Mittelschichten: Akademiker, Juristen, Studenten aus begütertem Hause, NGO-Aktivisten sowie Funktionäre aus den vom Westen unterstützten unabhängigen Gewerkschaften. Diese Schichten stehen einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse gegen Mursi feindlich gegenüber. Stattdessen versuchen sie, ihre Position innerhalb der Staatsmaschinerie durch Bündnisse mit verschiedenen bürgerlichen Persönlichkeiten zu konsolidieren.

Da es zunehmend klarer wird, dass die RS keinen substanziellen Einfluss unter Mursi, den sie zuvor unterstützt hatten, gewinnen können, kommen sie auf säkulare Schichten innerhalb der Bourgeoisie zurück. Am 12. Oktober haben MB-Mitglieder Demonstrationen angegriffen, die von liberalen und pseudo-linken Gruppen, darunter den RS, organisiert wurden. Die Proteste richteten sich gegen die von den Islamisten dominierte Verfassungsgebende Versammlung, die eine neue Verfassung ausarbeiten soll.

Dies geschah nach monatelangen, immer schärferen Repressionen gegen Arbeiter durch Mursis Sicherheitskräfte. Diese greifen Streiks und Proteste an, stürmen die Wohnungen der Arbeiter und verhaften jeden Tag Streikende. Führende MB-Mitglieder wie Sabry Amer oder Sobhi Saleh verurteilen die Streiks gewohnheitsmäßig als „Landesverrat“ und die Streikenden als „Feinde des Volkes“.

Repressionen dieser Art, welche die Islamisten gegen die Arbeiterklasse richten, ändern die Linie der RS und ähnlicher pseudo-linker Kräfte nicht spürbar. Hingegen versetzt die islamistische Kontrolle über die Ausarbeitung der Verfassung die RS in Furcht. Sollte Mursi die Macht in Ägypten weiter monopolisieren, könnten ihre sozialen Interessen und ihr politischer Einfluss leiden.

Bezeichnenderweise gaben sie keine Erklärung, warum sie die islamistische MB unterstützt hatten – die sich wenig überraschend als rechtes und repressives Regime erwies – oder warum sie jetzt ihre Linie geändert haben.

Bei der Präsidentschaftswahl vor fünf Monaten setzten die RS sich für Mursi ein. Sie präsentierten ihn als „Revolutionär“ und erklärten, für ihn zu stimmen, wäre ein Weg, die „demokratischen und gesellschaftlichen Errungenschaften“ der Revolution zu verteidigen. Nach Mursis Wahlsieg schrieben sie: „unsere Revolution errang einen wichtigen Sieg“ und priesen ihn als „rechten Flügel der Revolution.“

In einer Stellungnahme vom 11. Juli erklärten sie, Mursi könne sogar unter Druck gesetzt werden, die Revolution zu vollenden: “Die Massenbewegung und ihr Druck auf Mursi und die Muslimbruderschaft ist gerade das, was ihre Entscheidungen in die richtige Richtung lenken wird: in Richtung des Vervollständigens der Ziele der Revolution, des Sturzes der Militärherrschaft sowie einer Säuberung des Staates.“

Ihre wechselnden Bündnismanöver innerhalb der herrschenden Elite versuchen die RS zynisch mit Phrasen zu bemänteln, die links klingen sollen. Am 18. Oktober, am selben Tag als die RS ihre gemeinsame Stellungnahme veröffentlichten, publizierten sie auch einen Artikel des führenden RS-Mitglieds Sameh Naguib unter dem Titel „Einer zweiten ägyptischen Revolution entgegen.“

Ihre Aufrufe zu einer “zweiten Revolution” sind Betrug. Die RS stellten sich einer zweiten Revolution entgegen, als die Arbeitermassen diese während der gewaltigen Sitzdemonstrationen am Tahrir-Platz vom Juni und Juli 2011 gegen die Militärherrschaft verlangten. Sie wurden von einem machtvollen Streik der Suezkanal-Arbeiter begleitet. Weil sie Angst vor einem Sturz der Junta hatten, intervenierten die RS mit einer Stellungnahme, die sich explizit gegen eine zweite Revolution positionierte.

Der Charakter dieser “zweiten Revolution“, die jetzt von den RS propagiert wird, hat nichts zu tun mit einem revolutionären Sturz Mursis oder einem Ringen der Arbeiter um eine Arbeiterregierung, die für Sozialismus kämpft. Vielmehr hätte diese Revolution, ausgeführt von einer Allianz mit alten Funktionären aus der Mubarak-Ära und den mächtigsten Teilen des Finanzkapitals, den Charakter einer Restaurierung des Mubarak-Regimes und würde keineswegs eine neue politische Ordnung errichten.

Naguib und die RS ahnen offenbar, dass ihrer Allianz jede „revolutionäre“ Authentizität abgeht und greifen deshalb auf Begriffe aus dem Wörterbuch des Marxismus zurück, um ihr Bündnis mit dem rechten Flügel progressiver erscheinen zu lassen.

In seinem Artikel behauptet Naguib, dass “jede Front oder Allianz, der wir beitreten, von der Strategie der Einheitsfront geleitet wird.“ Er schreibt, „jede temporäre Bündnisarbeit“ basiere „auf spezifischen Programmpunkten, ohne dass unsere Unabhängigkeit oder unser Recht der Kritik an den Kräften, mit denen wir zusammenarbeiten, aufgegeben würde – natürlich nur soweit, dass die Zusammenarbeit selbst daran nicht zerbricht.“

Am 28. Oktober publizierten die RS auf ihrer Website eine arabische Übersetzung des Artikels “Über die Einheitsfront” von Leo Trotzki aus dem Jahr 1922. Dass die RS die bolschewistische Strategie der Einheitsfront und Trotzki – zusammen mit Lenin, dem Führer der Oktoberrevolution in Russland 1917 – für sich in Anspruch nehmen, ist sowohl absurd als auch wohlkalkulierte hochgradige Böswilligkeit.

Die neue Allianz der RS mit dem rechten Flügel hat nichts mit der Taktik der Einheitsfront gemein, welche die Kommunistische Internationale im Jahr 1922 entwickelte. Die Einheitsfronttaktik war eine Initiative, um Arbeiter aus den sozialdemokratischen Parteien zu gewinnen, die damals Massenparteien der Arbeiterklasse waren. Die Arbeiter sollten für Kommunistische Parteien gewonnen werden, um in einem gemeinsamen revolutionären Kampf der Arbeiterklasse den Kapitalismus zu überwinden.

Die jüngste Koalition der RS mit Elementen der herrschenden Klasse ist eindeutig nichts Derartiges. Es ist ein Bündnis von Parteien der Finanzaristokratie und der begüterten Mittelschichten, die den Bedürfnissen der Arbeiter vollständig verständnislos und feindlich gegenüber stehen. Sie wollen den ägyptischen Kapitalismus lediglich ein weit reorganisieren, dass ihnen Gewinne aus ihrer privilegierten sozialen Stellung zufließen.

Eine von Sawiris, Mussa, Baradei oder Sabahi geführte Regierung würde letzten Endes Macht und Reichtum der ägyptischen herrschenden Elite gegen die Opposition der Arbeiterklasse verteidigen. Sie würde dies nicht weniger skrupellos tun, als die Islamisten.

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