Siemens kündigt hartes Sparprogramm an

Der Siemens-Konzern erzielte im vergangenen Geschäftsjahr, das am 30. September endete, einen Umsatz von 78,3 Milliarden und einen Gewinn von 5,2 Milliarden Euro. Das ist das zweitbeste Betriebsergebnis der Firmengeschichte. Vorstandschef Peter Löscher gab die Zahlen am 8. November auf einer Bilanz-Pressekonferenz bekannt, die dieses Jahr in einer Halle des Gasturbinenwerks in Berlin und nicht, wie sonst üblich, in einem noblen Hotel in München stattfand

Während der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent wuchs, sank der Gewinn um 30 Prozent. Auch der Auftragseingang ist mit 77 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent zurückgegangen. Deutschlands größter, international operierender Elektronikkonzern spürt damit die ersten Auswirkungen der sich verschärfenden weltweiten Rezession und der von der EU diktierten Sparmaßnahmen.

Vorstandschef Löscher nutzte die Bilanz-Pressekonferenz, um ein hartes Sparprogramm anzukündigen. Durch radikale Kürzungen und Verkäufe von unrentablen Geschäftsgebieten sollen bis 2014 sechs Milliarden Euro eingespart werden.

Mit Hilfe des Sparprogramms sollen in allen Bereichen des Unternehmens die Gewinnspannen gesteigert werden. Bis 2014 sollen alle Geschäftsgebiete eine Rendite von mindestens 12 Prozent erzielen. Derzeit liegt die Rendite im gesamten Konzern bei 9,5 Prozent.

Zur Anzahl der Arbeitsplätze, die wegen der Spar- und Umstrukturierungsmaßnahmen wegfallen werden, machte Löscher keine Angaben. Das Einsparziel von sechs Milliarden Euro soll zur Hälfte über den Einkauf und zur Hälfte über das Zusammenlegen von Fabriken, die Verlagerung von Aufgaben an billigere Standorte, die Straffung von Verwaltung und Vertrieb und ähnliche Maßnahmen erreicht werden.

Auch die Abläufe in der Forschung und der Produktion sollen auf weitere Möglichkeiten der Effizienzsteigerung durchforstet und wirtschaftlicher gestaltet werden. Desweiteren kündigte Löscher an, sich durch Schließung oder Verkauf konsequent von allen Bereichen zu trennen, die nicht die Zielvorgaben des Vorstands erreichen.

Für die Abbau- und Umbaumaßnahmen hat die Konzernspitze Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro eingeplant. Es wird befürchtet, dass ihnen etwa 10.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen.

Löscher rechtfertigte das neue Sparprogramm unter anderem damit, dass Siemens im Vergleich mit seinen Hauptrivalen, dem amerikanischen Konzern General Electric (GE), zurückgefallen sei. General Electric und auch Asea Brown Boveri (ABB) erzielten gemessen am Umsatz einen deutlich höheren Gewinn.

Löscher, der vor seiner Ernennung zum Siemens-Vorstandschef im Jahr 2007 selbst als führender Manager bei General Electric tätig war, hat in den letzten Jahren zumindest die Vorstandsgehälter bei Siemens den Gehältern amerikanischer CEOs angenähert, die im zweistelligen Millionenbereich liegen.

Löscher kommentierte das Sparprogramm mit den Worten: „Da muss die Mannschaft die Ärmel hochkrempeln.“ Für die Beschäftigten bedeutet es neue Angst um ihre Arbeitsplätze, verstärkte Arbeitshetze und ständige Unsicherheit, welche Umorganisation und Abbaumaßnahme als nächstes kommt.

Keine Sorgen müsse sich dagegen die Aktionäre machen. Nach Ankündigung der neuen Sparrunde stieg die Siemens-Aktie zeitweise um 4,8 Prozent. Löscher gab bekannt, dass die Aktionäre trotz gesunkenem Gewinn die gleiche Dividende in Höhe von drei Euro je Anteilsschein erhalten wie im Vorjahr.

Das jetzt verkündete Sparprogramm ist nicht das erste, das unter Löschers Verantwortung durchgezogen wird. Kurz nach seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender hatte Siemens 2008 ein umfassendes Sparprogramm umgesetzt, das über 17.000 Arbeitsplätze kostete. (Siehe: Arbeitsplatzabbau bei Siemens)

An den Einzelheiten des neuen Sparprogramms wird bereits intensiv gearbeitet. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 9. November haben die Siemens-Sektoren bereits kritische Bereiche „identifiziert und mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen begonnen“. Allein der Stellenabbau, den Siemens seit 2011 an verschiedenen Standorten angekündigt hat, koste insgesamt 5.000 Jobs.

Wesentliche Bestandteile der Einsparungen sind der Rückzug aus der Solartechnologie und dem Bereich Wasseraufbereitung.

In die Solartechnologie war Siemens erst vor drei Jahren eingestiegen. U.a. hatte der Konzern für 418 Millionen Euro das israelische Unternehmen Solel gekauft, das auf Solarthermie spezialisiert ist. Die Solartechnologie und die Photovoltaik hatten zuletzt nur einen Umsatz von knapp 300 Millionen Euro erzielt und konnten die kurzfristigen Gewinnerwartungen der Konzernspitze nicht erfüllen. Sie sollen deshalb verkauft werden.

Dasselbe Schicksal blüht dem Bereich Wasseraufbereitung, in den Siemens 2004 eingestiegen ist. Er erzielt einen Umsatz von einer Milliarde Euro und umfasst 4.500 Stellen, vor allem in Nordamerika.

Die Investitionen in Windparks in der Nordsee stehen ebenfalls zur Disposition, da die Probleme bei der Anbindung der Stromübertragung nicht kurzfristig gelöst werden konnten. Seine Beteiligung an dem über einen langen Zeitraum angelegten Projekt Desertec, das Strom aus Sonnenenergie in Afrika gewinnen und nach Europa leiten soll, lässt Siemens auslaufen.

Ein weiterer Bereich, der die Gewinnziele des Vorstands nicht erreichen konnte, ist der erst letztes Jahr gebildete Sektor Infrastructure and Cities. Dazu gehören Gebäudeausrüstung, Umweltschutz, Energieeinsparung und das Schienenfahrzeuggeschäft. Der Bereich machte im letzten Geschäftsjahr 17,6 Milliarden Umsatz und erzielte einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro. Die hier vorgesehenen Sparmaßnahmen sind noch weitgehend unbekannt.

IG Metall und Betriebsrat waren offenbar in die Sparpläne eingeweiht und sind zur Zusammenarbeit mit dem Vorstand bereit. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Lothar Adler nannte die Höhe der geplanten Einsparungen zwar „überraschend“, äußerte sich aber grundsätzlich positiv zum Programm des Vorstands. „Wir erwarten, dass mit dem Programm die Prozesse und Strukturen verbessert werden“, sagte er. In diesem Zusammenhang sei Personalabbau keine „innovative“ Antwort.

Die gewerkschaftsnahe Frankfurter Rundschau behauptete in der Ausgabe vom 9. November, Betriebsrat und IG Metall tappten im Dunkeln, was den Umfang des Stellenabbaus angeht. „Wir wüssten es gern“, zitiert sie einen Gewerkschaftsfunktionär. Im selben Artikel zitiert sie aber auch einen „hochrangigen Betriebsrat“, der nicht namentlich genannt werden wollte und sagte, man habe „Löscher abgerungen, keine Abbauzahlen zu nennen. Sonst wäre hier die Hölle los.“

Mit anderen Worten, die Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionäre wissen sehr wohl, was der Vorstand vorhat, wollen es aber vor der Belegschaft verschleiern und verhindern, dass sich dagegen Protest und Widerstand erhebt.

Neben Siemens planen auch andere Unternehmen Abbau- und Sparmaßnahmen, weil sie von der Krise in der Euro-Zone betroffen sind und einen scharfen Absatzeinbruch erwarten. Laut Angaben des Statistischen Bundesamts sanken die deutschen Exporte in die Euro-Zone im September um neun Prozent und die neuen Aufträge aus der Euro-Zone um zehn Prozent. Grund sind rückgängige Investitionen.

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