Tsipras empfiehlt sich der Troika

Während der Widerstand der griechischen Arbeiter gegen die Sparpolitik wächst, ist Oppositionsführer Alexis Tsipras bereit, die instabile Regierung Griechenlands abzulösen, um die Proteste der Arbeiter unter Kontrolle zu bringen und zu unterdrücken. Das machte er am Freitag in einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung Die Zeit deutlich.

Die konservativ-sozialdemokratische Regierung Griechenlands befindet sich angesichts des Widerstands der Arbeiter in einer tiefen Krise. Das Parlament hatte das fünfte von der EU verordnete Sparpaket am Mittwoch zwar mit knapper Mehrheit beschlossen, doch ist völlig offen, ob das Kabinett in der Lage sein wird, die Lohnkürzungen und Entlassungen tatsächlich durchzuführen. EU-Vertreter haben deshalb gefordert, weitere Hilfskredite zurückzuhalten bis die konkreten Entlassungslisten vorliegen.

In Thessaloniki und anderen griechischen Städten halten Arbeiter derzeit die Rathäuser besetzt, um zu verhindern, dass solche Listen nach Athen geschickt werden. In der Hauptstadt selbst finden fast täglich Proteste und Streiks statt, obwohl die Gewerkschaften alles daran setzen, sie zu begrenzen und abzuwürgen. Schon bei früheren Kürzungen hatten sich die Beschäftigten geweigert, die Parlamentsbeschlüsse in die Tat umzusetzen.

In dieser für die EU brenzligen Situation bietet sich Tsipras mit seiner Koalition der Alternativen Linken (SYRIZA) der herrschenden Klasse Europas an, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen und die Lage unter Kontrolle zu bringen. In dem Interview mit der Zeit beteuert er, dass seine Partei ein verlässlicher Partner der EU wäre und die Kürzungen effektiv durchsetzen würde.

„Schon bald wird Syriza die Regierung in Griechenland stellen“, kündigt Tsipras an und erklärt den Vertretern der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF), dass die Strategie des konservativen Regierungschefs Andonis Samaras (ND) nicht aufgehe. So habe das Privatisierungsprogramm viel zu wenig Geld abgeworfen. Die Regierung sei zudem zu schwach und instabil, um die Beschlüsse des Parlaments voran zu bringen. „Kann ein europäischer Partner Samaras nun das Vertrauen entgegenbringen, diese Politik auch umsetzen zu können?“, fragt er rhetorisch.

SYRIZA sei der verlässlichere und glaubwürdigere Partner für die EU und könne dafür sorgen, dass die Kreditgeber so viel Geld wie möglich zurück erhalten. „Wir müssen uns an einen Tisch setzen und eine Lösung finden, damit unsere Partner nicht mehr zu zahlen haben“, sagt Tsipras. Die Lösung sieht er in einem Schuldenschnitt, wie er Anfang des Jahres bereits für die privaten Gläubiger vollzogen wurde.

Tsipras bezieht sich dabei explizit auf den ehemaligen Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der unlängst einen Schuldenschnitt der öffentlichen Gläubiger, also vor allem der Eurostaaten und der Europäischen Zentralbank (EZB), gefordert hatte. Ackermann verband diesen Plan eines Teilerlasses eng mit weiteren Sparmaßnahmen und neuen Fiskalvorschriften für Griechenland. Das ist auch das Programm SYRIZA. Tsipras machte das deutlich, indem er Ackermanns Ausführungen als „einen Vorschlag im Interesse Europas und Griechenlands“ bezeichnete.

Während des Wahlkampfs vor fünf Monaten hatte SYRIZA noch angekündigt, alle bisherigen Sparmaßnahmen zurückzunehmen. Auf dieser Grundlage hatte sie bei den Parlamentswahlen 27 Prozent der Stimmen gewonnen. Tsipras hatte allerdings schon damals versichert, dass dies nicht allzu ernst zu nehmen sei und er alles tun werde, um Griechenland in der EU und der Eurozone zu halten.

Heute kommt eine Beendigung der Sparpolitik in Tsipras‘ Darlegungen nur noch am Rande vor. Stattdessen schließt er die Reihen mit Ackermann und stellt die Verlässlichkeit gegenüber der EU, die Erfüllung der Schuldendienste und die damit verbundenen Einsparungen in den Mittelpunkt seiner Argumentation. Sklavisch dient er sich der EU als Erfüllungsgehilfe an.

Gleich mehrfach betont er in dem Interview, dass seine Partei nicht gedenke, die Regierung zu stürzen oder das Land zu destabilisieren. SYRIZA stehe nur für den wahrscheinlichen Fall bereit, dass die Samaras-Regierung nicht mehr in der Lage sei, das Land zu regieren und ihre Mehrheit verliere.

Das ist kein unwesentlicher Punkt. Denn als größte Oppositionspartei könnte SYRIZA jederzeit durch einen Massenrücktritt ihrer Abgeordneten Neuwahlen erzwingen. Auf diese Weise hätte sie das letzte Sparpaket problemlos und ganz legal verhindern können. Das war aber nie ihr Ziel. Es geht SYRIZA ausschließlich darum, die Kürzungen „verlässlich“ und „glaubwürdig“ durchzusetzen.

Das wird besonders deutlich, wenn Tsipras in dem Interview auf die Gründe für die Schuldenkrise in Griechenland zu sprechen kommt. Hier trügen „die griechische Regierung“ ebenso wie „das griechische Volk“ eine „große Verantwortung“. Auch „die Europäer“ seien verantwortlich, weil sie „im Fall Griechenland blind gewesen“ seien – also offenbar weil sie nicht früher auf die Einhaltung der Kürzungsvorgaben der EU und der Eurogruppe bestanden hatten.

Kein Wort verliert Tsipras hingegen über die milliardenschweren Bankenrettungspakete, die nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa zu exorbitanten Haushaltslöchern geführt haben. Kein Wort auch darüber, wie etwa deutsche Unternehmen und Banken von der griechischen Verschuldung profitiert haben.

Stattdessen beschuldigt Tsipras das „griechische Volk“ und „die Europäer“ – also die Arbeiter, Jugendlichen, Arbeitslosen und Rentner, die am meisten unter den Sparmaßnahmen zu leiden haben – für die Schuldenkrise verantwortlich zu sein. Daraus ergibt sich folgerichtig, dass auch sie für die Krise zu zahlen haben.

Tsipras Ausführungen in der Zeit sind eine deutliche Warnung an die Arbeiter in Griechenland und in ganz Europa. Die verbale Opposition von SYRIZA und ähnlichen pseudolinken Gruppen gegen die Sparpakete hat die Aufgabe, den Widerstand der Bevölkerung in harmlose Kanäle zu lenken und die Kürzungen effektiver durchzusetzen.

Das zeigen auch frühere Erfahrungen mit solchen Gruppen. Die italienische Rifondazione Comunista und die deutsche Linkspartei, beide Schwesterparteien von SYRIZA, haben schon auf nationaler oder Länderebene Regierungsverantwortung getragen und dabei brutale soziale Kürzungen und Kriegseinsätze unterstützt. Auf lokaler Ebene hat dies auch SYRIZA schon getan.

Das Doppelspiel dieser Organisationen, die die Arbeiter lähmen und desorientieren, schafft den Nährboden für extrem rechte Kräfte, die die wachsende Wut und Verzweiflung für ihre Zwecke ausnutzen.

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