Opel und die Linkspartei

Mit dem Opel-Werk in Bochum wird erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik ein ganzes Autowerk in Westdeutschland geschlossen. Der Opel-Vorstand hat am 10. Dezember auf einer Betriebsversammlung verkündet, dass die Produktion spätestens Ende 2016 eingestellt wird.

Die Wut und Verbitterung unter den Arbeitern ist entsprechend groß. Auf der Betriebsversammlung gab es kleinere Tumulte. Am folgenden Tag legten dann mehr als 200 Arbeiter für einige Stunden die Arbeit nieder.

Am Samstag sagte die Geschäftsführung eine seit langem geplante Feier zum 50-jährigen Bestehen des Bochumer Werks aus Sicherheitsgründen kurzfristig ab. Offenbar rechnete sie mit Protesten und Aktionen gegen die Werksschließung. Zu dem Fest, das im Rahmen eines „Tags der offen Tür“ stattfinden sollte, waren nach der Ankündigung der Schließung 40.000 statt der ursprünglichen 15.000 Menschen erwartet worden.

Unter diesen Umständen tritt die Linkspartei in Aktion, um den Widerstand der Arbeiter in eine politische Sackgasse zu lenken und dem Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall den Rücken zu stärken. Beide spielen seit Jahren eine Schlüsselrolle dabei, die Arbeitsplätze bei Opel schrittweise abzubauen und den Widerstand dagegen zu ersticken.

Auf Antrag der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen diskutierte der Bundestag am Donnerstag die geplante Schließung des Bochumer Opelwerks. Dagdelen, die selbst aus Bochum stammt, erklärte vor den versammelten Abgeordneten: „Die Opelaner werden von zwei Seiten in die Zange genommen, von der Bundesregierung und der üblen Politik des GM-Managements“. Opel sei das erste Opfer der europäischen Kürzungsdiktate von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zum Zusammenbruch der Absatzmärkte gerade im Süden des Kontinents beigetragen hätten.

Doch dann appellierte sie ausgerechnet an Merkel, die Bochumer Arbeiter „nicht im Stich zu lassen“. Die Bundesregierung müsse „gemeinsam mit den Beschäftigten und dem Management nach Alternativen zur Schließung suchen“, forderte Dagdelen und rief: „Frau Bundeskanzlerin, machen Sie Opel zur Chefsache!“

Sie verlangte, dass Merkel für eine „Beschäftigungsgarantie für die Opel-Mitarbeiter“ über 2016 hinaus eintrete und „Druck auf das GM-Management“ mache. Die Fraktionen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen forderte Dagdelen auf, sich der Initiative der Linkspartei für ein Verbot von Massenentlassungen anzuschließen.

Eine ohnmächtigere und bankrottere Perspektive kann man sich nicht vorstellen.

Geht es nach der Linkspartei, sollen sich die Bochumer Opelarbeiter nicht mit ihren Kollegen in ganz Deutschland, Europa und den USA verbünden, um gegen die Schließung des Werks, Entlassungen und Sozialabbau zu kämpfen. Sie sollen als Bittsteller nach Berlin pilgern und ihre Hoffnung ausgerechnet auf Merkel setzen, die in ganz Europa ein brutales Spardiktat durchsetzt.

Merkel selbst hat inzwischen in einem Interview mit der Lokalzeitung WAZ bekräftigt, dass sie nicht daran denke, im Fall Opel aktiv zu werden. Im Gegensatz zu 2008, als wegen der Krise von General Motors ganz Opel in Gefahr geriet, werde die Bundesregierung nicht tätig werden, sagte Merkel.

„Wenn jetzt eines von mehreren Werken die Autoproduktion verliert, dann ist das ohne Zweifel ein Schlag für Bochum und die Menschen dort, aber dennoch ein anderer Sachverhalt, der in der Verantwortung des Unternehmens liegt“, betonte die Bundeskanzlerin.

Was das Verbot von Massenentlassungen betrifft, so ist diese Forderung ein Täuschungsmanöver. Solange die Betriebe in privatem Besitz und der Konkurrenz des Weltmarkts ausgesetzt sind, lässt sich ein derartiges Verbot nicht durchsetzten. Die Aktionäre würden ihr Kapital einfach aus betroffenen Betrieben abziehen und sie in den Bankrott treiben.

Ein sozialistisches Programm zur Verteidigung der Arbeitsplätze, dass die Enteignung und Vergesellschaftung der großen Betriebe und Banken und die Reorganisation der Produktion im Interesse der ganzen Gesellschaft umfasst, lehnt die Linkspartei dagegen ausdrücklich ab.

In diesem Zusammenhang steht auch der Schulterschluss der Linkspartei mit Rainer Einenkel, dem Betriebsratsvorsitzenden von Opel Bochum.

Einenkel spielt seit Jahren eine Schlüsselrolle dabei, das Werk in Bochum schrittweise zu schließen. Er und die Gewerkschaft IG Metall haben immer wieder dem Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen zugestimmt. Der Belegschaft verkauften sie jedes Zugeständnis als „Rettung des Standorts“. In Wirklichkeit brachte jede vom Betriebsrat unterzeichnete Vereinbarung das Werk der Stilllegung ein Stück näher.

Nun richtet sich der Unmut der Belegschaft nicht nur gegen das Management, sondern zunehmend auch gegen die IG Metall und Einenkel. Beiden versucht die Linkspartei den Rücken zu stärken.

Bereits am 3. Dezember traf sich der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken, Gregor Gysi, öffentlichkeitswirksam mit Einenkel und dem Bochumer Betriebsrat. Zu diesem Zeitpunkt hatte Opel angekündigt, das Bochumer Getriebewerk zu schließen und 300 Arbeitsplätze abzubauen. Die vollständige Stilllegung des Werks war zwar damals noch nicht offiziell, sie lag aber bereits in der Luft. Einenkel dürfte davon gewusst haben.

Außer einigen allgemeinen Solidaritätsphrasen brachte das Treffen nichts Neues. Sein Zweck bestand ausschließlich darin, dem bedrängten Einenkel eine linke Aura zu verschaffen.

Einenkel verbindet eine lange Geschichte mit der Linkspartei. Er war bis 1988 Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), dem westdeutschen Ableger der DDR-Staatspartei SED. Nach dem Zusammenbruch der DDR baute er dann Beziehungen zu deren Nachfolgern, der PDS und der Linkspartei auf. So lud er Oskar Lafontaine als Parteichef der Linkspartei nach Bochum ein und sprach auf dem Landesparteitag der Linken.

Nun arbeiten Linkspartei, Betriebsrat und IG Metall eng zusammen, um den Widerstand gegen die Stilllegung unter Kontrolle zu halten und das Werk reibungslos abzuwickeln. Ihre Reaktion auf die aus Angst vor Protesten abgesagte Jubiläumsfeier ist in dieser Hinsicht typisch. Es kann kein Zweifel bestehen, dass ihnen diese Absage gerade recht kam.

Obwohl die IG Metall und der Betriebsrat die Möglichkeit gehabt hätten, zu einer eigenen Veranstaltung aufzurufen, forderten sie die Belegschaft auf, nicht zum Werk zu kommen und zuhause zu bleiben. Auch die Forderung des Betriebsrats von Johnson Control, eines Opel-Zulieferers in Bochum, nach einer eigenen großen Veranstaltung stieß bei der örtliche IG Metall auf taube Ohren.

Stattdessen vertrösteten Gewerkschaft und Betriebsrat die Belegschaft und ihre Familien auf ein großes Fest „mit den Menschen der Region, Gewerkschaften, Künstlern, Initiativen und vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ (Einenkel) Anfang des nächsten Jahres. Bis da, hoffen sie, hat sich die anfängliche Empörung gelegt.

Siehe auch: „Verteidigt alle Arbeitsplätze in der Autoindustrie

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