Mursis brutales Vorgehen entlarvt die konterrevolutionäre Rolle der Revolutionären Sozialisten

Am Mittwoch gingen Anhänger und Sicherheitskräfte des ägyptischen islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vor, die gegen das Verfassungsdekret vom 22. November demonstrierten. Dies zeigt eindeutig Mursis konterrevolutionäre Rolle: Er beansprucht die vollständige Macht über die Legislative, die Verfassung, die Exekutive und die Justiz für sich. Das ist eine größere Machtfülle als Präsident Hosni Mubarak vor seinem Sturz durch revolutionäre Unruhen Anfang 2011 hatte. Er versucht jetzt, den Widerstand dagegen im Blut zu ertränken.

Die Ereignisse haben auch den konterrevolutionären Charakter der kleinbürgerlichen „linken“ Kräfte wie der Revolutionären Sozialisten (RS) und ihrer internationalen Verbündeten enthüllt: der amerikanischen International Socialist Organization (ISO) und der britischen Socialist Workers Party. Die RS und ihre Verbündeten hatten Mursi und die Moslembruderschaft seit deren Wahlkampf im letzten Jahr und noch bis kurz vor Mursis Machtergreifung als die Kraft gefeiert, die die Aufgaben der ägyptischen Revolution erfüllen werde.

Am Tag vor Mursis Machtübernahme versuchte die Zeitung der ISO, der Socialist Worker, Mursis Vorgehen zur Isolation der Palästinenser während Israels Angriff auf den Gazastreifen zu rechtfertigen. Er hatte diese Politik zusammen mit der israelischen und amerikanischen Regierung ausgearbeitet. Am 21. November prognostizierte Lee Sustar, ein wichtiger Autor der ISO: „Mursi hat kaum eine andere Wahl als eine gewisse Unterstützung für die Palästinenser in Gaza zu zeigen, während er diplomatische Manöver durchführt... Zum ersten Mal seit Jahrzehnten fühlen sich Politiker in Ägypten und anderen Länder dazu genötigt, der allgemeinen Sympathie für die Palästinenser Ausdruck zu verleihen.“

Vor der Präsidentschaftswahl im Juni unterstützten die RS Mursi und die Moslembrüder vorbehaltlos. Sie riefen zur Wahl von Mursi auf und stellten die Moslembrüder in zahllosen Statements als „rechten Flügel der Revolution“ dar, Mursi selbst als „revolutionären Kandidaten.“

Auf der ISO-Konferenz Socialism 2012, die im Sommer in Chicago stattfand, propagierten Mitglieder der RS und der ISO Mursi und die Moslembrüder mit verschiedenen Argumenten als Vollstrecker der Revolution.

Sameh Naguib, der führende Theoretiker der RS und Professor der Soziologie an der Amerikanischen Universität in Kairo, äußerte sich positiv über Mursis Sieg: „Der Sieg des Kandidaten der Moslembruderschaft Mursi ist ein schwerer Schlag für die Konterrevolution und den Staatsstreich [des Militärs]. Im Moment ist es ein echter Sieg für die ägyptischen Massen und ein echter Sieg für die ägyptische Revolution.“

Er lehnte jede Kritik an Mursi ab: „Viele Menschen, vor allem im Westen, aber auch hier, sind dem Islam gegenüber feindlich eingestellt und erkennen deshalb nicht den wahren Charakter der Moslembruderschaft. Sehr viele Menschen hier, auch Linke, behaupten, es gäbe keinen wirklichen Unterschied zwischen Mursi, dem Kandidaten der Moslembruderschaft und Shafik, dem Kandidaten des Militärs – sie halten beide für konterrevolutionäre Kräfte, und egal wer gewinnt, es wäre ein Sieg der Konterrevolution und eine Niederlage für die ägyptische Revolution.“

Er fuhr fort: „Wenn die Konterrevolution droht, werden die Islamisten auf die Massen zugehen und sie zu hunderttausenden gegen das Militärregime mobilisieren.“

Naguib erklärte, die Islamisten „sind mit den gleichen Widersprüchen behaftet wie die großen reformistischen Bewegungen der Sozialdemokraten im Westen. Sie können keine offen konterrevolutionäre Rolle spielen.“

Wie falsch diese Argumentation ist, zeigt sich jetzt, da Schläger der Moslembrüder in den Straßen von Kairo Demonstranten verprügeln und töten, die gegen Mursis Versuch protestieren, die Revolution zu zerschlagen. Die Moslembrüder mobilisieren die Massen nicht für einen revolutionären Kampf gegen das Militär, wie Naguib es behauptet. Sie haben sich mit dem Militär arrangiert und mobilisieren Schläger, reaktionäre Imame und anderen Bodensatz der Konterrevolution, um die Proteste der Arbeiterklasse gegen Mursis Diktatur zu zerschlagen.

Die Moslembruderschaft ist keine revolutionäre Partei und auch keine reformistische, und war es auch nie. Sie ist eine rechte bürgerliche Partei ohne Wurzeln in der Arbeiterbewegung und ohne große Anhängerschaft in der Arbeiterklasse. Sie wurde 1928 von rechten Teilen der herrschenden Elite gegründet, hauptsächlich um den wachsenden Einfluss des Kommunismus in der Arbeiterklasse zu bekämpfen.

Historisch wird die Bruderschaft mit Angriffen auf streikende Arbeiter, der Kollaboration mit dem US-Imperialismus und der Politik des freien Marktes in Verbindung gebracht. Diese Politik führen Mursi und die Moslembrüder jetzt vor der ganzen Weltöffentlichkeit aus.

In der Außenpolitik unterstützt Mursi die Kriegstreiberei der USA gegen Syrien und den Iran, im eigenen Land bereitet er massive Angriffe auf die Arbeiterklasse vor. Unter der Herrschaft der Moslembrüder hat Ägypten einen Kredit vom Internationalen Währungsfonds in Höhe von 4,8 Milliarden Dollar erhalten; im Gegenzug sollen wichtige Subventionen, unter anderem für Benzin und Brot gekürzt werden, von denen die verarmten Massen abhängig sind.

Angesichts der Massenproteste gegen Mursi setzen die RS auf säkulare Parteien des Großkapitals. Die neue „revolutionäre Front“ erstreckt sich vom ehemaligen UN-Funktionär Mohamed ElBaradei und seiner liberalen Verfassungspartei, dem Nasseristenführer Hamdin Sabahi, der liberalen Partei der Freien Ägypter des Multimilliardärs Naguib Sawiris bis zu Überbleibseln des alten Regimes wie Amr Mussa – dem ehemaligen Chef der Arabischen Liga und Minister unter Mubarak.

Eine Regierung von solchen Kräften würde die Interessen der herrschenden Klasse Ägyptens genauso gnadenlos gegen die Arbeiter verteidigen wie Mursi und die Moslembrüder. Tatsächlich machen sich die ISO und die RS Sorgen, dass ihr Bündnis mit ehemaligen Mitgliedern des Mubarak-Regimes wie Mussa ihre konterrevolutionäre Rolle zu offensichtlich machen könnte, deshalb versuchen sie, sich von ihnen zu distanzieren.

Am Dienstag zitierte Lee Sustar von der ISO den Bloggar Hossam al-Hamalawy von den RS: „Wenn die Polarisierung auf Islamisten gegen Säkulare zuläuft, bedeutet das, dass Amr Mussa plötzlich als Verteidiger des Zivilstaates erscheinen könnte. [Der Talkshowmoderator und Mubarak-Anhänger] Tawfiq Okasha könnte als Symbol der freien Meinungsäußerung erscheinen. [Der konterrevolutionäre Blogger] Ahmed Spider könnte auf die Straße gehen und wieder zum Märtyrer werden... Revolutionäre müssen in dieser Hinsicht sehr vorsichtig sein.“

Wenn Hamalawy betont, die RS müssten „vorsichtig“ sein und sich von Kräften wie Mussa abgrenzen, bedeutet das, dass die RS durch ihre rechte Politik immer weniger von den führenden Funktionären aus dem Mubarak-Regime und anderen bürgerlichen Politikern zu unterscheiden sind. Seit Mubaraks Sturz im Februar 2011 hat es in der Politik der RS und ihrer internationalen Verbündeten überhaupt nur eine Konstante gegeben: Das Beharren darauf, dass die herrschende Klasse Ägyptens eine progressive Rolle in der ägyptischen Revolution spielen soll.

Zuerst hatten sie erklärt, dass die Militärjunta, die mit Unterstützung der USA nach Mubaraks Sturz an die Macht kam, zu demokratischen Reformen gezwungen werden könnte. Letztes Jahr erklärte das RS-Mitglied Mustafa Omar im Socialist Worker: „Trotz seiner Unterdrückungsmaßnahmen weiß der Oberste Militärrat, dass der Aufstand vom 25. Januar Ägypten ein für allemal geändert hat. Der Rat will das politische und wirtschaftliche System reformieren, damit es demokratischer und weniger autoritär wird.“

Als es im letzten Herbst erneut zu Massenprotesten gegen die Militärherrschaft kam, konnten die RS ihre Beziehung zur Militärjunta nicht mehr aufrechterhalten. Sie stellten sich stattdessen auf die Seite der islamistischen Moslembrüder, mit denen sie bereits unter Mubarak eng zusammengearbeitet hatten.

An dieser Orientierung auf die ägyptische Bourgeoisie und letzten Endes den US-Imperialismus zeigt sich die privilegierte Klassenhaltung der kleinbürgerlichen Schichten, die die RS repräsentieren. Der Großteil ihrer Mitglieder rekrutiert sich aus besser gestellten prowestlichen Schichten des Kleinbürgertums: Akademiker, Rechtsanwälte, bessergestellte Studenten, NGO-Aktivisten und Funktionäre in vom Westen finanzierten „unabhängigen“ Gewerkschaften.

Die sozialen und demokratischen Forderungen der Arbeiterklasse sind ihr gleichgültig, dem revolutionären Sturz des bürgerlichen ägyptischen Staates und der Schaffung eines Arbeiterstaates sowie dem Kampf für sozialistische Politik stehen sie feindselig gegenüber. Sie wollen den ägyptischen Kapitalismus so umgestalten, dass sich ihr Einfluss und ihr Vermögen vergrößern.

Arbeiter und Jugendliche müssen ernsthafte Lehren aus den bitteren Erfahrungen ziehen, die sie in den vergangenen Monaten mit den reaktionären Kräften gemacht haben, die die RS propagiert haben. Sie müssen diese Organisation als das ansehen was sie ist: Eine Organisation, die die Arbeiterklasse von einer Katastrophe in die nächste führt, und letzten Endes genauso ein Feind der Revolution ist, wie die Kräfte, die sie propagiert.

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