Frankreich: Gaullistische UMP vor Spaltung

Die gaullistische UMP stand letzte Woche vor der Spaltung, als Francois Fillon, Premierminister unter der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy, in der Nationalversammlung eine eigene parlamentarische Gruppe bildete. Fillon nannte seine Gruppe Le Rassemblement UMP (UMP Rally). Nach einer umstrittenen Wahl der Parteiführung, deren offiziellen Sieg Jean-Francois Copé errungen hatte, bildete Fillon innerhalb der UMP eine rivalisierende Gruppe mit ihm als Präsidenten.

Fillon teilte mit, seine Gruppe werde sich wieder auflösen, wenn Copé einer Wahlwiederholung zustimme.

Die UMP ist die wichtigste Oppositionspartei, seit sie bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai und Juni eine Niederlage gegen den neugewählten Präsidenten Fancois Hollande und seine Sozialistische Partei (PS) einstecken musste.

Die UMP wurde 2002 vom damaligen Präsidenten Jaques Chirac gegründet, der in ihr gaullistische Tendenzen, Zentristen, Marktliberale und Konservative zusammenführte. Unter den Bedingungen des explosiven ökonomischen, sozialen und politischen Drucks in Frankreich, Europa und international bricht die UMP nun wieder auseinander.

Seit dem 18. November befindet sich die Partei in einem mit allen Mitteln geführten Kampf um eine neue Führung. Stimmenauszählungen von Anhängern der beiden Seiten ergaben jeweils einen knappen Sieg der Kontrahenten, die den Führungsposten als Sprungbrett zur Kandidatur für die UMP bei den Präsidentschaftswahlen 2017 betrachten.

Die beiden Lager beschuldigen sich gegenseitig der Stimmenmanipulation und sonstiger illegaler Praktiken.

Sarkozy tauchte am 27. November aus seinem vermeintlichen Ruhestand wieder auf und versuchte, eine Übereinkunft zwischen den Kandidaten für die UMP-Präsidentschaft zu erreichen, wonach unter den 300.000 Parteimitgliedern eine Urabstimmung über die Frage der Wahlwiederholung durchgeführt werden sollte. Beide Seiten streiten sich jedoch weiter über die Modalitäten einer solchen Urabstimmung oder einer eventuellen Wahlwiederholung. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels hatte sich Fillons Fraktion noch nicht wieder aufgelöst.

Dominique Dord, Schatzmeister der UMP und Anhänger Fillons, trat letzten Montag zurück und behauptete, Copé habe seine Kontrolle über den Parteiapparat für eine Manipulation der Stimmenauszählung zu seinen Gunsten ausgenutzt. Fillon erwirkte einen Gerichtsbeschluss zur Überprüfung der eingegangenen Stimmzettel; die Anhänger Copés verweigerten ihm jedoch den Zutritt zum Hauptquartier der UMP und legten Widerspruch gegen diesen Gerichtsbeschluss ein.

Zwar walten persönliche Rivalität und Ehrgeiz im Kampf zwischen diesen zwei reaktionären Politikern. Triebkraft des Streits sind jedoch die gewaltigen politischen und sozialen Konflikte, die sich in der Europäischen Union und in Frankreich entwickeln. Sie sind das Ergebnis der weltweiten kapitalistischen Krise und der Klassenspannungen auf Grund der immer drastischeren Angriffe auf die Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiter.

Die Kreditratingagentur Moody's stufte Frankreich vergangene Woche herab. Sie schätzte das 60-Milliarden-Sparprogramm der PS-Regierung zur Kürzung von Sozialausgaben und die Aufhebung von Gesetzen zum Schutz von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen als nicht drakonisch genug ein.

Präsident Hollande und seine PS-Regierung sind mehr als bereit den Forderungen der Finanzmärkte nachzukommen. Ihre Zustimmungsraten sind jedoch bis auf ca. 35 Prozent abgestürzt. Die herrschende Klasse weiß, dass sie sich bei der Unterdrückung des Widerstands der Arbeiterklasse nicht dauerhaft auf ihre „linke“ Flanke stützen kann, deren Repräsentanten die Sozialistische Partei, die Gewerkschaften und pseudolinke Gruppen wie die Neue Antikapitalistische Partei sind.

Teile der Bourgeoisie orientieren sich immer offener auf die neofaschistische Nationale Front, deren Vorsitzende Marine Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 2012 einen Stimmenanteil von 17,9 Prozent errang. Sie greifen auf autoritäre Maßnahmen und faschistische Parolen zurück, um damit die Arbeiterklasse zu spalten und rückständige und reaktionäre Kräfte anzustacheln, die sie als Rammbock gegen die Opposition der Arbeiter und der Jugend einzusetzen gedenken.

Während seiner Präsidentschaftskampagne versuchte Sarkozy, die Ablehnung seiner Sparpolitik zu überwinden, indem er jeglichen Anschein eines „sozialen Gaullismus“ aufgab. Durch Angriffe auf Roma, Muslime, junge Einwanderer und Sozialhilfeempfänger orientierte er sich immer mehr an den Wählern der Nationalen Front. Dabei wurde er von Copé und Fillon unterstützt.

Copé passte sich in der Wahlkampagne um die Parteiführung jedoch immer offener an die UMP-Fraktion an, die der Nationalen Front am nächsten steht – die so genannte „Starke Rechte“, die bei der Abstimmung unter den sechs Strömungen in der UMP auf die meisten Stimmen kam.

Das Progamm der Starken Rechten fordert „eine rechtlich verbindliche republikanische Charta für französische Muslime“, auch ein Verbot des Baus von Minaretten sowie Vorschriften gegen das Beten im Freien und das Tragen von Burkas. „Republik, Säkularismus und unsere christlichen Wurzeln sollten das Rückgrat unserer Identität sein", erklären sie.

Fillon dagegen will keinen offenen Bruch mit dem „sozialen Gaullismus“, obwohl er 2003 als Arbeitsminister unter Präsident Chirac Architekt eines historischen Angriffs auf die Rentenansprüche und unter Sarkozy ein hemmungsloser Anhänger der Sparpolitik war.

Die FN-Vorsitzende Le Pen hofft, von der Zerrüttung der UMP profitieren zu können, die nach ihrer Aussage „am Ende ist“. Sie behauptet, die Neuzugänge der Nationalen Front hätten sehr zugenommen.

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