Westmächte lauern auf Gelegenheit zur Militärintervention in Mali

Nach Angaben von Augenzeugen haben Islamisten in der Welterbe-Stadt Timbuktu im afrikanischen Staat Mali mindestens vier islamische Mausoleen eingerissen. Zuvor sollen Mitglieder der Rebellengruppe Ansar Dine die Grabstätten der Heiligen Sidi Mahmud, Sidi Moctar und Alpha Moya geschändet und auf einem Friedhof nahe der berühmten Djingareyber-Moschee im Süden von Timbuktu das Mausoleum von Scheich al-Kebir zerstört haben.

Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes in den Haag, Fatou Bensouda, forderte einen sofortigen Stopp der Zerstörungen und bezeichnete sie als „Kriegsverbrechen“. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) rief den UN-Sicherheitsrat auf, der Entsendung einer regionalen Eingreiftruppe von 3.000 bis 5.000 Soldaten zuzustimmen. Auch die ehemalige Kolonialmacht Frankreich fordert ein militärisches Eingreifen der UN.

Hintergrund der Entwicklung in Mali, das mit 15 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt zählt, sind die politischen Turbulenzen seit dem Militärputsch im März 2012. Er hatte die Herrschaft des Präsidenten Amadou Toumani Touré beendet und den Hauptmann Amadou Sanogo zum mächtigsten Mann im Lande gemacht.

Der Putsch war die direkte Folge der Destabilisierung des Landes durch Tausende von Tuareg-Kämpfern, die Muammar Gaddafi im Libyen-Konflikt gegen die ausländischen Interventionstruppen unterstützt hatten. Sie waren nach dessen Niederlage schwer bewaffnet und großenteils traumatisiert nach Hause zurückgekehrt. Mit prekären Lebensverhältnissen konfrontiert, brachten sie zusammen mit den radikal-islamistischen Kräften von Ansar Dine mehrere Städte im Norden des Landes, darunter Timbuktu, in ihre Gewalt und riefen im April die islamische Republik Azawad aus.

Als Grund für den Putsch gegen Touré führte das Militär mangelnde Unterstützung im Kampf gegen die aufständischen Tuareg an. Die meuternden Truppen verhängten eine nationale Ausgangssperre, verkündeten die zeitweilige Aufhebung der Verfassung und setzten die für April 2012 geplante Präsidentenwahl aus.

Ende März stellten die Länder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) den neuen Machthabern ein Ultimatum, forderten die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung und die Wiedereinsetzung der alten Regierung. Andernfalls drohten sie, die Grenzen zu Mali zu schließen, den Handel einzustellen und die Konten Malis bei der Westafrikanischen Zentralbank zu sperren.

Putschistenführer Amadou Haya Sanogo stellte daraufhin die Verfassung wieder her, versprach demokratische Wahlen und übergab die zivile Macht am 11. April an den früheren Parlamentspräsidenten Dioncounda Traoré. Nach schweren Unruhen, bei denen Traoré verletzt und außer Landes geflogen wurde, wendete sich das Blatt erneut. Am 23. Mai bestimmten die Putschisten Hauptmann Amadou Sanogo schließlich zum Übergangspräsidenten.

Für die imperialistischen Mächte des Westens ist Mali weniger aus wirtschaftlichen Gründen als vielmehr aufgrund seiner geostrategischen Lage von großer Bedeutung. Es grenzt sowohl an das ökonomisch bedeutende Nordafrika als auch an das rohstoffreiche Westafrika und gilt als Drehscheibe für die wirtschaftliche und politische Einflussnahme in der Region.

Ex-Präsident Touré, der selbst 1991 durch einen Putsch an die Macht gekommen war, wurde jahrelang wirtschaftlich und militärisch von den USA unterstützt. Nach Angaben der US-Regierung lieferten die USA 2011 fast 138 Mill. Dollar Hilfe für Mali und planten für 2012 Zahlungen in Höhe von 170 Millionen Dollar. Erst im Januar dieses Jahres fand das alljährliche gemeinsame Manöver von US-Armee und malischem Militär im Lande statt.

Auch der neue Machthaber ist für die US-Regierung kein Unbekannter. Amadou Sanogo nahm vom August 2004 bis zum Februar 2005 sowie 2007 an einem Sprachtraining in Texas teil, wurde 2008 in Arizona nachrichtendienstlich geschult und absolvierte anschließend eine fünfmonatige Ausbildung für Infanterie-Offiziere in Georgia.

Es ist möglich, dass der Putsch durch Sanogo in Absprache mit den USA stattfand. Dennoch dürfte der US-Imperialismus über das Ergebnis nicht gerade erfreut sein, da sich der Norden nach wie vor in der Hand der Aufständischen befindet. Eine zukünftige UN-Intervention mit Unterstützung durch die USA ist daher nicht ausgeschlossen, denn für Washington geht es in Mali nicht nur um geostrategische Ziele, sondern auch um ein weiteres wichtiges Element seiner Weltpolitik – die Zurückdrängung des chinesischen Einflusses.

Dieser Einfluss hat in Mali in den letzten Jahren stark zugenommen. Chinesische Direktinvestitionen im Land sind zwischen 1995 und 2008 um das 300-Fache gestiegen. Mali gehört neben Sambia, Südafrika und Ägypten zu den afrikanischen Staaten, in die China am meisten investiert. Dreißig chinesisch-malische Baukonzerne arbeiten derzeit an diversen Großprojekten.

So wie die Intervention in Libyen darauf ausgerichtet war, China den Zugriff auf nordafrikanisches Öl zu verweigern, würde eine Militärintervention unter Mitwirkung der USA mit Sicherheit zu einer Eingrenzung des chinesischen Einflusses im Lande führen.

Außer den USA hat aber auch Frankreich ein eminentes Interesse an seiner ehemaligen Kolonie und wartet nur darauf, im Rahmen einer vom UN-Sicherheitsrat angeordneten Mission zur „Rettung“ des Kulturerbes militärisch einzugreifen. Es will damit auch einem neuen Konkurrenten im Kampf um weltweite Einflusssphären zuvorkommen: Deutschland, dessen imperialistischer Appetit langsam, aber stetig zunimmt und das im Februar eine „Sahel-Taskforce“ ins Leben gerufen hat, die sich mit „politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Fragestellungen für die Sahel-Region“ befasst. 

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