Eine neue Wendung in der Finanzkrise der Eurozone

 

Die Finanzkrise der Eurozone wird sich nach den in der vergangenen Woche veröffentlichten Schulden-Prognosen für die griechische Wirtschaft verschärfen. Anstelle der bei der Durchsetzung des letzten sogenannten Rettungspakets im März geschätzten 167 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt wird die Schuldenquote dieses Jahr auf 189 Prozent ansteigen und 2014 192 Prozent erreichen. Das liegt weit über den schlimmsten Befürchtungen, die vor acht Monaten geäußert wurden.

Da erwartet wird, dass der griechischen Regierung zum 16. November das Geld ausgeht, kann man davon ausgehen, dass die Krise der Eurozone beim Treffen der Finanzminister auf dem Gipfel der G-20 in Mexico City am Sonntag ein wichtiges Thema sein wird. Die Weigerung der deutschen Regierung, weiteres Geld zur Verfügung zu stellen, deutet an, dass die Gefahr eines vollständigen finanziellen Zusammenbruchs wieder auf die Tagesordnung rückt.

Vor dem Treffen bestand der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble darauf, dass Griechenland und andere hochverschuldete Mitglieder der Eurozone ihre Sparprogramme fortsetzen. Um die Kritik anderer Großmächte abzuwenden, sagte Schäuble, die G-20 sollten sich nicht nur auf die Eurozone konzentrieren, sondern sich auch mit der brenzligen Haushaltslage der USA - womit er die massiven Spareinschnitte meinte, die nach der US-Wahl erwartet werden – und Japans wachsenden Schuldenproblemen beschäftigen. „Die USA und Japan tragen genauso große Verantwortung für (die Sicherung der Stabilität) wie wir Europäer“, sagte Schäuble.

Die jüngsten Zahlen zeigen, dass die Sparprogramme der „Troika“ – der EU, der EZB und des IWF – eine wirtschaftliche Katastrophe erzeugt haben, wie man sie seit der Großen Depression der 1930er Jahre nicht gesehen hat.

Das griechische Bruttoinlandsprodukt ist seit seinem höchsten Wert in 2007 um insgesamt 21,5 Prozent gefallen. Es wird erwartet, dass es im kommenden Jahr um weitere 4,5 Prozent nachgibt. Die wirtschaftliche Schrumpfung ist so groß, dass nicht einmal sämtliche Einnahmen der Regierung die Zinszahlungen für internationale Kredite decken. Sollte es zu weiterer „Hilfe“ kommen oder sollten Kreditfristen verlängert werden, so dient dies dem weiteren Fluss von Geldern an internationale Gläubiger, wird aber die wirtschaftliche Situation in Griechenland nicht verbessern.

Die griechische Katastrophe ist nur der schärfste Ausdruck einer Krise, die sich in der ganzen Eurozone ausbreitet.

Letzte Woche warnte der Gouverneur der Bank von Italien, sein Land befinde sich in einem „Teufelskreis“ schwachen Wachstums und mangelnden Vertrauens. Er reagierte damit auf neue Statistiken, die zeigten, dass die Arbeitslosigkeit ihren höchsten Stand seit dreizhen Jahren erreicht hat. Die Arbeitslosenquote für junge Menschen beträgt jetzt 35 Prozent, da Fabriken schließen, Firmen in Insolvenz gehen und die Staatsausgaben als Folge der Sparprogramme der nicht gewählten Monti-Regierung gekürzt werden.

Die italienische Wirtschaft ist in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres in die Rezession gerutscht. In diesem Jahr wird eine Schrumpfung um 2,4 Prozent erwartet, 2013 weitere 0,2 Prozent. Diese Zahl könnte noch steigen, wenn sich die gegenwärtigen Trends fortsetzen. Spanien und Portugal befinden sich mit ihren Sparprogrammen bereits auf dem gleichen Weg wie Griechenland.

Die spanische Bankenkrise hat sich von einer Lösung noch weiter entfernt, nachdem Deutschland darauf beharrt, dass Gelder des ESM nicht eingesetzt werden dürfen, um alte Schulden zu begleichen, sondern nur dazu dienen dürfen, neue Kredite zu ermöglichen. Das bedeutet, dass die Erklärung der Eurozonen-Finanzminister vom vergangenen Juni, die Verantwortlichkeit nationaler Regierungen für die von ihren Banken eingegangenen Schulden zu beenden, nichts anderes als heiße Luft war.

In einem Interview mit dem TV-Sender Bloomberg verwarf der Ökonom Joseph Stiglitz von der Columbia University jegliche Aussichten auf eine europäische „Erholung“. Europa, sagte er, „hat Sparprogramme eingeführt, die die Wirtschaften unausweichlich schwächen werden. Sie haben nichts getan, um wirtschaftliches Wachstum zu fördern. Es ist schwer zu sehen, woher der Anstoß für reales Wachstum in Europa kommen sollte.“

Die Kommentare in der Finanzpresse fördern noch immer die Vorstellung, es gebe einen Gegensatz zwischen den Sparprogrammen einerseits und der Politik der Zentralbanken beim Hineinpumpen von Billionen von Dollar in das globale Finanzsystem andererseits. Typisch für diese Haltung waren die Bemerkungen des Finanzjournalisten Stephen Koukoulas im australischen Business Spectator. Er behauptete: „Während die EZB versucht, die wirtschaftlichen Bedingungen zu verbessern, kürzen die Regierungen Löhne, Dienstleistungen und erhöhen die Steuern.“

In Wahrheit gibt es hier keinen Widerspruch. Die EZB hat es zur Bedingung ihrer Geld-Stimulierungspolitik gemacht, dass die Regierungen Sparprogramme durchziehen. Die Bereitstellung ultra-billigen Geldes durch die EZB und andere Zentralbanken zielt nicht darauf ab, die Realwirtschaft zu fördern.

Ihr Ziel ist es, den Banken und Finanzhäusern Mittel zur Verfügung zu stellen, um durch Spekulation Profite zu machen, selbst bei fortgesetzter Verschlechterung der Wirtschaftslage. Darüber hinaus schaffen diese Maßnahmen die Bedingungen für eine neue Krise, da die Zentralbanken noch stärker von den globalen Finanzmärkten abhängig werden.

Ein weiteres weit verbreitetes Märchen ist die Behauptung, die Eurokrise sei das Ergebnis teutonischer Sturheit und könne gelöst werden, wenn es nur zu einer Meinungsänderung in Berlin käme und Deutschland endlich stärker auf die Bedürfnisse der schuldengeplagten europäischen Länder einginge.

Solche Ansichten verschleiern die Tatsache, dass die Politik von Wolfgang Schäuble und Angela Merkel vor allem von der Angst um das deutsche Bankensystem getrieben wird, das in großer Gefahr schwebt.

Diese Gefahr wurde durch einen Bericht unterstrichen, den die Rating-Agentur Moody’s vergangenen Monat veröffentlichte. Sie behielt darin ihre seit 2008 ausgesprochene „negative“ Einschätzung der Aussichten für die deutschen Banken aufrecht und warnte davor, dass sie globalen Erschütterungen gegenüber anfällig wären, weil sie zu Europas am wenigsten profitablen und am schwächsten kapitalisierten Banken gehören.

Das deutsche Bankensystem hat auf Grund der Krise in den am meisten verschuldeten Ländern vom Liquiditätsfluss profitiert, bleibt aber höchst abhängig davon, Gelder auf internationalen Märkten aufzutreiben. Moody’s stellte fest, dass die Kapitalisierung sich verbessert habe, diese aber durch die zunehmende Gefahr externer Schocks durch eine Schuldenkrise der Eurozone „mehr als zunichte gemacht“ werde.

Diese wirtschaftlichen Fakten sind für die europäische und die internationale Arbeiterklasse von entscheidender Bedeutung. Während die Eurokrise durch das Handeln von Regierungen und Zentralbanken sicherlich verschlimmert wird, liegen ihre Ursprünge nicht in einem Versagen der Politik, sondern sind tief im globalen kapitalistischen System verwurzelt.

Die herrschenden Eliten haben für diese Krise keine Lösung. Aber sie haben ein politisches Programm, auf das sie jetzt zurückgreifen: der Arbeiterklasse sollen die Bedingungen der 1930er Jahre mit Faschismus, Diktatur und Krieg aufgezwungen werden.

Der rasante Aufstieg der griechischen faschistischen Bewegung Goldene Morgenröte – die vor wenigen Monaten noch so gut wie unbekannt war, aber jetzt in Meinungsumfragen auf 15 Prozent der Stimmen kommt – weist auf die Gefahren hin. Derartige Bewegungen gibt es in jedem europäischen Land.

Sie werden weiter wuchern und wachsen, bis die Arbeiterklasse auf den Plan tritt und den Kampf für ihr unabhängiges politisches Programm aufnimmt, in dessen Zentrum der Sturz der Europäischen Union – der Diktatur des Finanzkapitals - steht und das auf die Machtübernahme von Arbeiterregierungen abzielt, die die Banken und Finanzinstitutionen enteignen, ein sozialistisches Programm verwirklichen und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa errichten.

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