Lufthansa droht mit Lohnkürzungen und Entlassungen

Christoph Franz, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa, gab am vergangenen Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Frankfurt Details der seit langem geplanten Umstrukturierung des Unternehmens bekannt. Demzufolge wird die Lufthansa ihre Europa- und Deutschlandstrecken abseits der Drehkreuze Frankfurt und München ab 2013 an ihre vor zehn Jahren gegründete Tochter Germanwings abgeben.

Germanwings soll mit 90 Flugzeugen ohne Business-Class 18 Millionen Passagiere pro Jahr befördern. Die Unternehmensleitung hält diese „Trennung der beiden Geschäftsmodelle“ für notwendig, um im internationalen Wettbewerb gegen Billigairlines wie Airberlin, Easyjet und Ryanair und die Nahost-Konkurrenz Etihad und Emirates bestehen zu können. Die Umstrukturierung zielt darauf ab, den jährlichen operativen Gewinn des Gesamtkonzerns bis 2015 um 1,5 Milliarden Euro zu steigern.

Konkret bedeuten die Pläne, dass dreißig Flugzeuge der Lufthansa vom kommenden Jahr an unter dem Logo der Germanwings fliegen werden. Für ihr Personal – 300 Flugkapitäne und 1000 Flugbegleiter – bedeutet der Übergang nach Aussage von Passage-Chef Carsten Spohr die Wahl zwischen drei Möglichkeiten: dem Ausscheiden aus dem Unternehmen, dem Wechsel zu einem der verbleibenden Lufthansa-Drehkreuze (die mit Sicherheit keinen unmittelbaren Personalbedarf in dieser Größenordnung haben) oder dem Übergang zu Germanwings.

Dieser Übergang – für die meisten Beschäftigten die einzig realistische Perspektive – ist mit einer erheblichen Verschlechterung des Einkommens und der Arbeitsbedingungen verbunden. Germanwings zahlt Piloten im Schnitt zwanzig Prozent, dem Kabinenpersonal je nach Alter und Dienstzugehörigkeit bis zu vierzig Prozent weniger als die Lufthansa. Außerdem müssen längere Arbeitszeiten und kürzere Erholungspausen, möglicherweise auch kürzere Kündigungsfristen und schlechtere Sozialleistungen, in Kauf genommen werden.

Christoph Franz gab auf der Pressekonferenz zu, dass der Wechsel des Kabinenpersonals ein Problem sei, „das wir lösen müssen“. Er bestritt allerdings, dass das Unternehmen einigen Beschäftigten bereits mit der Entlassung gedroht habe.

Der Chef der Kabinengewerkschaft Ufo, Nicoley Baublies, widersprach. „Angeblich gibt es bei der Lufthansa Passage wegen nicht erreichter Wachstumsziele bereits jetzt zu viele Leute“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Gemeinsam mit dem Vorgehen beim Ausbau der Billigfluglinie Germanwings ergebe sich damit „ein ganz neues Erpressungspotenzial“, das die laufende Schlichtung für die rund 18.000 Lufthansa-Flugbegleiter infrage stelle. Die Unternehmensführung um Chef Christoph Franz suche offenbar die Konfrontation mit der Belegschaft in der Kabine wie auch am Boden.

In der Tat zeigen Franz’ Ankündigungen, dass der Vorstand der Lufthansa fest entschlossen ist, den Kampf gegen seine Konkurrenten mit aller Härte auf dem Rücken der Belegschaft auszutragen. Die Taktik, die er dabei anwendet, ist nicht neu. Die Lufthansa hat sie bereits bei der „Umstrukturierung“ ihrer österreichischen Tochterfirma Austrian Airlines (AUA) erprobt.

Deren Personal – rund 450 Piloten und 1.300 Flugbegleiter – ging am Sonntag, den 1. Juli 2012, nebst AUA-Flotte in die vor zehn Jahren von der Lufthansa aufgekaufte Regionaltochter Tyrolean über. Die Vergütung gemäß Tyrolean-Tarifvertrag liegt um etwa ein Viertel unter der des Tarifvertrages der AUA-Piloten. Die Betroffenen müssen flexibler arbeiten und länger fliegen, außerdem entfallen durch „abgeflachte Gehaltsanstiege“ mit den Dienstjahren ansteigende Gehaltserhöhungen und darüber hinaus auch bisher gewährte Pensionssonderrechte.

Der Übergang bringt dem Konzern bei der Vergütung des Personals allein im ersten Jahr Einsparungen in Höhe von 45 Mio. Euro ein. 120 Piloten und 221 Flugbegleiter, die nicht bereit waren, die Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen mitzutragen, mussten das Unternehmen verlassen. Sie werden gegenwärtig nach und nach durch neu rekrutierte Kräfte, die unter anderem von der 49-prozentigen Lufthansa-Tochter Aviation Power ausgebildet wurden, ersetzt.

Dass es den Beschäftigten der Austrian Airlines nicht gelang, sich gegen diese erhebliche Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen zu wehren und den Übergang zur Billigairline zu verhindern, lag nicht an ihrer mangelnden Kampfbereitschaft. Im Gegenteil: Auf einer Mitarbeiterabstimmung und auf zahlreichen Betriebsversammlungen hatte das AUA-Personal den Wechsel zu Tyrolean mit über neunzigprozentiger Mehrheit abgelehnt.

Behindert und in eine Sackgasse geführt wurde der Kampf der Beschäftigten in erster Linie durch die Taktik der Gewerkschaften und der Betriebsräte von AUA und Tyrolean, die der Konzernleitung von Anbeginn an durch eine Verzögerungs- und Abwiegelungstaktik direkt in die Hände arbeiteten. Statt auf die Beschäftigten zu setzen und einen kompromisslosen Kampf für deren Rechte zu organisieren, schürten sie noch im April die Illusion, ein Übergang sei „rechtlich unmöglich“. Als sich das Gegenteil abzeichnete, mobilisierten sie nicht etwa zum Streik, sondern spielten das Ausmaß der Folgen herunter und krochen mit einem eigenen Kompromissvorschlag zu Kreuze.

Als auch dieser Vorschlag vom Unternehmen rundheraus abgelehnt wurde, kapitulierten die Betriebsräte von Tyrolean und AUA vollständig und widmeten sich stattdessen einem kleinlichen Kampf um die eigenen Privilegien. So versuchte der AUA-Betriebsrat eine einstweilige Verfügung zu erwirken, dass er und nicht der Betriebsrat der Tyrolean auch nach dem Betriebsübergang für das AUA-Personal zuständig sei. Grund für die Klage war die Tatsache, dass es für seine Betriebsräte keine temporären Freistellungen und keine Diensthandys mehr gab.

Während bei der Lufthansa derzeit das von der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo akzeptierte Schichtungsverfahren läuft, regt sich bei der Belegschaft nach dem bundesweiten Streik der Flugbegleiter vom September bereits neuer Widerstand. Die Piloten von Germanwings hatten niedrigeren Gehältern bei der Gründung ihres Unternehmens 2004 nur unter der Bedingung zugestimmt, dass das Unternehmen unabhängig von der Mutter Lufthansa operiert und nicht zu stark wächst.

Mit der gegenwärtigen Umstrukturierung seien diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben, hieß es vor den Verhandlungen um einen neuen Vergütungstarifvertrag, die in dieser Woche fortgeführt werden sollen. „Wenn sie scheitern“, zitiert der Spiegel einen Piloten, „sind wir ruckzuck wieder streikfähig.“

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