Air Berlin streicht 900 Arbeitsplätze

Die Fluggesellschaft Air Berlin will bis Ende 2014 jede zehnte Stelle streichen. Rund 900 der derzeit 9.300 Stellen sollen wegfallen. Das teilte der neue Firmenchef Wolfgang Prock-Schauer auf Personalversammlungen in Berlin, Düsseldorf und München mit.

Außerdem forderte Prock-Schauer Lohnverzicht. Die tarifgebundenen Mitarbeiter sollen auf ihr 13. Monatsgehalt verzichten und „transparente und vereinfachte“ Tarifverträge unterschreiben.

Insgesamt will der Konzern mit dem „Turbine“ genannten Sparprogramm 450 Millionen Euro einsparen. Zu diesem Zweck soll die Flotte von 170 auf 139 Flugzeuge reduziert und das Streckennetz verkleinert werden.

Der bisher angekündigte Personalabbau bringt nach Angaben der Gewerkschaft Verdi nur etwa 10 bis 15 Prozent der angestrebten Einsparungen ein. Wie und wo der Rest herkommen soll, ist noch unklar. Es ist davon auszugehen, dass Air Berlin auf eine massive Reduzierung der Lohnkosten und Einsparungen in verschiedenen Servicebereichen drängen wird.

Nach Angaben von Verdi hat nur etwa die Hälfte der Belegschaft überhaupt einen Tarifvertrag. Die Beschäftigten der Verwaltungszentrale in Berlin und an den Tarifschaltern arbeiteten ohne tarifliche Bindung. Hier seien erst in den letzten Tagen Betriebsräte gegründet worden.

Joachim Hunold, der Air Berlin 1991 mit zwei Flugzeugen und rund hundert Beschäftigten übernahm und durch diverse Zukäufe zur zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft ausbaute, hielt sich stets zugute, dass es in seinem Unternehmen weder Gewerkschaften nach Betriebsräte gebe. Erst 2007 hat Air Berlin Tarifverträge mit den Gewerkschaften Cockpit und Verdi für 800 Piloten und 1.450 Flugbegleiter abgeschlossen.

Bis heute hat die Fluggesellschaft die Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach britischem Recht, so dass sie nicht mitbestimmungspflichtig ist.

Air Berlin hat sich durch eine rasche Expansion und den Aufkauf anderer Airlines wie dba und LTU finanziell übernommen und versucht seit Jahren, durch Sparprogramme und die Senkung der Lohnkosten aus der Krise zu kommen. Das hat bereits jetzt zu verheerenden Arbeitsbedingungen geführt.

Im vergangenen Dezember veröffentliche SpiegelOnline unter der Überschrift „Hungerlohn im Cockpit“ einen Bericht über die Arbeitsbedingungen von Co-Piloten, die über die Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) ausschließlich für Air Berlin fliegen. Sie verdienen monatlich 1.635 Euro netto, von denen sie etwa die Hälfte für die Rückzahlung ihrer Pilotenausbildung aufwenden müssen. Was übrig bleibt, liegt unter dem Existenzminimum.

Eine anderer SpiegelOnline-Bericht vom Juni letzten Jahres meldete, dass zwei Airbus-Piloten der Air Berlin in München eine automatische Notlandung beantragt hatten, weil sie übermüdet waren. Sie waren vor Mitternacht mit dem Bus von München nach Nürnberg gefahren, von dort nach Mallorca und am gleichen Tag wieder zurück nach München geflogen.

Vor einem Jahr löste der ehemalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn den Konzerngründer Hunold an der Spitze von Air Berlin ab, um das Unternehmen zu sanieren.

Mehdorn hatte von 1999 bis 2009 als Chef der Deutschen Bahn das Staatsunternehmen fast kaputt gespart. Er entließ 110.000 der insgesamt 350.000 Beschäftigten, verdoppelte gleichzeitig den Umsatz und verwandelte einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro in einen Gewinn von 2,5 Milliarden Euro. Sein Ziel, die Deutsche Bahn an die Börse zu bringen, scheiterte allerdings an der internationalen Finanzkrise.

Mehdorn hinterließ einen Trümmerhaufen. Schlecht bezahltes Personal, chronische Verspätungen und Pannen bei ICE-Zügen gehören inzwischen zu den Markenzeichen der Deutschen Bahn. Die einst gut funktionierende Berliner S-Bahn brach wegen der Kürzungen bei der Wartung weitgehend zusammen.

Mit dem kurz nach seinem Amtsantritt beschlossenen Sanierungsprogramm „Shape & Size“ sparte Mehdorn bei Air Berlin 230 Millionen Euro ein. Er gewann außerdem die finanzkräftige Fluggesellschaft Etihad aus dem Emirat Abu Dhabi als Großaktionär und Partner und verkaufte das Bonusprogramm von Air Berlin für 184 Millionen Euro an Etihad. Dadurch schrieb Air Berlin im vergangenen Sommer vorübergehend wieder schwarze Zahlen.

Auch das jetzt bekanntgegebene Sparprogramm „Turbine“ wurde bereits im vergangenen November unter Mehdorns Verantwortung entwickelt. Der neue Großaktionär Etihad scheint aber das Vertraten verloren zu haben, dass Mehdorn es auch durchsetzen kann. Am 7. Januar wurde er vom österreichischen Manager Wolfgang Prock-Schauer abgelöst.

Prock-Schauer gilt als Spezialist für die Sanierung und Abwicklung von maroden Fluggesellschaften. Er arbeitete für Austrian Airways und Lufthansa, für die er die Konzerntochter British Midland (bmi) abwickelte. Von 2003 bis 2005 leitete er die indische Fluggesellschaft Jet Airways, deren Börsengang dem Besitzer Naresh Goyal innerhalb Stunden einen Gewinn von 2,5 Milliarden Dollar einbrachte.

Die Beschäftigten von Air Berlin müssen sich auf harte und rücksichtslose Angriffe gefasst machen. Bei der Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, Einkommen und Arbeitsbedingungen können sie sich nicht auf die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte verlassen.

Christoph Schmitz, der Sprecher des Verdi-Bundesvorstands kommentierte den Abbau von 900 Arbeitsplätzen mit den Worten: „Die Stimmung in der Belegschaft ist sehr mies, die Empörung über das Vorgehen groß.“ Die Gewerkschaft erwarte, „dass keine betriebsbedingte Kündigungen erfolgen“.

„Keine betriebsbedingte Kündigungen“ ist die Formel, unter der die Gewerkschaften seit Jahren den Abbau von Arbeitsplätzen organisieren. Sie sind nicht bereit die Arbeitsplätze zu verteidigen. Stattdessen handeln sie Methoden aus, die die Solidarität zwischen den Belegschaftsmitgliedern untergraben und es der Geschäftsleitung erlauben, sie einzeln unter Druck zu setzen und zur „freiwilligen“ Kündigung zu zwingen – niedrige Abfindungen, inakzeptable Ersatzarbeitsplätze und ähnliches mehr.

Arbeitsplätze dürfen nicht wegverhandelt werden. Das recht auf Arbeit ist ein Grundrecht, das über den Profitansprüchen von Air Berlin, Etihad und der Banken steht. Um es zu verteidigen, müssen unabhängige Aktionskomitees aufgebaut werden, die mit den Belegschaften anderer Airlines in Deutschland und international zusammenarbeiten.

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