Verfassungskrise in Sri Lanka: Der Weg vorwärts für die Arbeiter

Die Socialist Equality Party (SEP) warnt, dass die von Präsident Mahinda Rajapakse veranlasste Amtsenthebung und Entlassung von Shirani Bandaranayake, der Obersten Richterin des Landes, vor allem gegen die Arbeiterklasse gerichtet ist. Da die Regierung weitere tiefgreifende Einschnitte in den Lebensstandard vorbereitet, strafft sie ihre Kontrolle über den Staatsapparat, um gegen jeglichen Widerstand der Arbeiter und armen Landbevölkerung hart durchgreifen zu können.

Rajapakse veranlasste Bandaranayakes Entlassung im Januar, nachdem der Oberste Gerichtshof entschieden hatte, dass das von der Regierung beschlossene Divineguma-Gesetz zur Wirtschaftsentwicklung nicht verfassungskonform sei. Während die Regierung behauptet, dieses Gesetz sei gegen die Ungleichbehandlung von Bevölkerungsgruppen gerichtet, besteht sein wahrer Zweck darin, den Provinzräten wirtschaftliche Befugnisse zu entziehen und diese in den Händen der Nationalen Regierung zu konzentrieren.

Der Präsident boxte Bandaranayakes Amtsenthebung unter Missachtung von Gerichtsentscheidungen, Parlamentsprozeduren und des maßgebenden Rechtsweges durch. Die Abgeordneten der Regierungsparteien deckten das Amtsenthebungsverfahren, ohne die Vorwürfe überhaupt zu kennen – sie setzten ihre Unterschrift auf ein Blankopapier. Parlamentssprecher Chamal Rajapakse, ein Bruder des Präsidenten, leitete die Vorgänge ein und rief ein vom Parlament gewähltes Komitee zusammen, das die fingierten Beschuldigungen untersuchen sollte.

Der Oberste Gerichtshof entschied, das vom Parlament gewählte Komitee habe keine Befugnis, die gegen Bandaranayake erhobenen Beschuldigungen zu untersuchen und verfügte, dass keine solche Untersuchung stattfinden dürfe. Chamal Rajapakse setzte sich einfach über diese Verfügung des Obersten Gerichtshofs und die Verfassung hinweg. Er gab bekannt, dass die Souveränität des Volkes beim Parlament liege – und dieses wird von der Regierung kontrolliert.

Diese erbitterte Konfrontation zwischen Regierung und Oberstem Gerichtshof reflektiert heftige Meinungsverschiedenheiten innerhalb der herrschenden Klasse. Sie betreffen sowohl den wild wuchernden Nepotismus der Regierung als auch ihre Orientierung auf China im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten. Das politische Establishment von Colombo ist zunehmend darüber beunruhigt, dass die präsidialen Kabalen, in deren Folge das Parlament zu einem Handlangerstatus herabsank und die Verfassung missachtet wurde, einer gefährlichen Konfrontation mit der Arbeiterklasse den Boden bereiten.

Die Gerichte, die skrupellos die Interessen der kapitalistischen Klasse verteidigen, sind keine Freunde der Arbeiter und Armen. Rajapakse kann indessen keine Opposition tolerieren und entfernte Bandaranayake, um die Justiz als Ganze zu disziplinieren. Der neue Chef der Justiz, Mohan Peiris, ist ein ehemaliger Generalbundesanwalt1, Rechtsberater der Regierung sowie enger Vertrauter des Präsidenten. Bandaranayakes Amtsenthebung ist ein weiterer Schritt in Richtung eines offenen Polizeistaatregiments.

Die Ursprünge des gegenwärtigen Polizeistaatsapparats gehen auf den langwierigen Bürgerkrieg zurück, der von mehreren Regierungen in Colombo entfesselt worden ist. Willkürliche Verhaftungen, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, Folter und außergerichtliche Tötungen wurden in ihm institutionalisiert.

Seit der Niederlage der separatistischen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) im Jahr 2009 hat Rajapakse zunehmend zu autokratischen Herrschaftsmethoden gegriffen, während seine Regierung die Sparmaßnahmen durchsetzt, die der Internationale Währungsfond (IWF) fordert. Die Rajapakse-Regierung setzte wiederholt Polizei und Militär gegen Streiks und Demonstrationen ein, die Arbeiter, Fischer, Bauern und Studenten aus Protest gegen die Angriffe auf Jobs, Dienstleistungen und den Lebensstandard durchführten.

Alle Parteien des politischen Establishments unterstützten den Krieg und tragen Verantwortung für die Kriegsverbrechen des Militärs sowie die Verletzung demokratischer Rechte. Die United National Party (UNP) begann den Krieg 1983 und ist berüchtigt für die Todesschwadronen, die in den Jahren 1989-91 unter der Landjugend 60.000 Opfer forderten. Die Partei Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) bejubelte das Militär. Sie unterstütze Rajapakse in den Präsidentschaftswahlen von 2005 und drängte ihn im Jahr 2006, den Krieg wiederaufzunehmen.

Die Arbeiterklasse kann daher keiner der Parteien vertrauen, die sich jetzt als Gegner von Rajapakses antidemokratischen Methoden aufspielen. Die Vereinigungen aus Justiz und Judikative sowie die Gewerkschaften, die Proteste gegen die Amtsenthebung organisierten, versuchten von Anfang an, einen umfassenden politischen Kampf für die Verteidigung demokratischer Rechte und des Lebensstandards gegen die Rajapakse-Regierung zu blockieren.

Der begrenzte Charakter der Proteste widerspiegelt die organische Unfähigkeit der Bourgeoisie sowie der gehobenen Mittelklasse, einen konsequenten Kampf für demokratische Rechte zu führen. Sie waren und sind lediglich darauf bedacht, ihre grundlegenden Interessen und eigenen privilegierten Positionen innerhalb des kapitalistischen Establishments zu verteidigen. Darüber hinaus fürchten sie den Eintritt der arbeitenden Menschen in diesen Kampf. Den fürchten sie weit mehr, als sie sich über die rabiaten Methoden der Rajapakse-Regierung beunruhigen.

Die heimtückischste Rolle aber spielen die ex-linken Organisationen – die Nava Sama Samaja Party (NSSP) und die United Socialist Party (USP). Diese Gruppen propagieren aufs Schamloseste die rechte UNP als Verteidigerin der Demokratie. Sie spiele die entscheidende Rolle bei der Unterordnung der Arbeiter unter offen kapitalistische Parteien und verhindern eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse.

Während der Parlamentsdebatte zur Amtsenthebung sagte USP-Führer Siritunga Jayasuriya zu einer Gruppe von Protestierenden: „Wir müssen unser Leben opfern, um die Demokratie zu gewinnen. Gegen die Diktatur müssen alle, Rechte oder Linke, vereint vorgehen.“ Die USP und NSSP sind nicht nur mit der UNP im Bündnis, sondern auch mit offen chauvinistischen singhalesischen Parteien: mit der Mutterlandsvolksfront und der New Sihala Urumaya.

In seinen Beiträgen für den Daily Mirror schürt NSSP-Führer Wickramabahu Karunaratne Illusionen in die Protestführer und erklärt: „Aufgrund des Widerstandes dem Obersten Gericht und der Judikative in Verbindung mit der Massenagitation der Gewerkschaften und des Protestes der Opposition könnte sich Mahindas Plan als kurzlebig erweisen.“ Selbst wenn diese Proteste im Sande verlaufen sollten, schreibt er, „beglückt es mich, wenn ich über die Schritte nachdenke, welche die UNP unternommen hat, dass eine Liberaldemokratische Partei mit uns gemeinsam in der Opposition so weit gehen kann.“

Die Arbeiterklasse muss diese fatalen Illusionen in die UNP, die Judikative und die Gewerkschaften zurückweisen, mit denen die Pseudo-Linken von der NSSP und UNP hausieren gehen.

Die eigenmächtige Entlassung der Obersten Richterin ist ein Warnsignal, dass die Rajapakse-Regierung nicht zögern wird, diktatorische Maßnahmen gegen die arbeitenden Menschen anzuwenden. Weltweit greifen die herrschenden Klassen zunehmend auf repressive Maßnahmen zurück, um das Sparmaßnahmen-Programm des Finanzkapitals durchzusetzen. In Griechenland hat die Regierung die streikenden athenischen U-Bahnarbeiter dem Kriegsrecht unterstellt, um sie zurück zur Arbeit zu zwingen und die Polizei angewiesen, den Widerstand gewaltsam zu brechen. In Ägypten trifft Präsident Mohammed Mursi Vorbereitungen, die marktfreundliche IWF-Politik einzuführen und hat in drei Städten den Notstand ausgerufen. Dieser richtet sich gegen regierungskritische Demonstranten.

Die Arbeiterklasse ist die einzige soziale Kraft, die in der Lage ist, einen konsequenten Kampf für grundlegende demokratische Rechte zu führen, der Teil einer unternationalen Strategie zum Sturz des Kapitalismus ist. Die Arbeiter können dies aber nur erreichen, wenn sie sich unabhängig von allen Fraktionen der herrschenden Klasse und ihrer kleinbürgerlichen Mitläufer mobilisieren. Nur damit können sie die unterdrückten Massen im Kampf um politische Macht mitreißen.

Die SEP ruft dazu auf, an Arbeitsplätzen und in den Stadtteilen zu unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, um demokratische Rechte und ihren Lebensstandard zu verteidigen, die ständig angegriffen werden. In Ablehnung der gegenwärtigen kommunalen (d.h. die verschiedenen Bevölkerungsgruppen spaltenden. Anm. d. Übers.) und antidemokratischen Verfassung fordert die SEP die Einberufung einer authentischen vom Volk erwählten verfassungsgebenden Versammlung, um demokratische Rechte für alle festzuschreiben: für Singhalesen, Tamilen und Muslime.

Die SEP tritt für eine umfassende Kampagne der Arbeiter, der armen Landbevölkerung und der Jugendlichen ein, um eine Bewegung auf Grundlage eines revolutionären sozialistischen Programms zu aufzubauen. Die SEP kämpft für eine Arbeiter- und Bauernregierung um die bürgerliche Herrschaft zu zu ersetzen und eine Sozialistische Republik Sri Lanka und Eelam zu errichten, die Bestandteil Vereinter Sozialitischer Republiken Südasiens und der Welt sein wird.

Wir rufen alle auf, die dieses Programm unterstützen, der SEP, der sri-lankischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, beizutreten und sie als revolutionäre Massenpartei der Arbeiterklasse aufzubauen.

 

1 Attorney General – in Sri Lanka nicht gleichbedeutend mit dem Justizminister (Üb.).

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