Perspektive

US-Truppen in Niger: Neues Stadium im Wettrennen um Afrika

Letzte Woche bestätigte Präsident Barack Obama in einer knappen Mitteilung an den Kongress, dass amerikanische Truppen in das nordwestafrikanische Niger entsandt worden seien. Damit tritt die imperialistische Rekolonialisierung Afrikas in ein ganz neues Stadium ein.

Die Entsendung der ersten hundert Soldaten, denen noch mehrere hundert folgen sollen, stützt sich auf ein Abkommen, das die Regierung in Washington letzten Monat mit der Regierung Nigers vereinbart hat. Laut diesem Abkommen ist es dem amerikanischen Militär erlaubt, einen Drohnenstützpunkt in diesem Land aufzubauen. Das wird der Obama-Regierung ermöglichen, ihr Tötungsprogramm mit unbemannten Flugobjekten weiter in die Region auszuweiten.

Der Aufbau einer militärischen US-Präsenz in Niger folgt der Intervention Frankreichs im benachbarten Mali im vergangenen Monat unmittelbar auf dem Fuß. Den französischen Einmarsch in Mali hatten die USA mit Aufklärung und Logistik unterstützt. Das Ziel war dabei, wie der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian sagte, die „völlige Rückeroberung“ der ehemaligen Kolonie.

Die Regierungen in Paris und Washington rechtfertigen ihre militärischen Vorstöße auf den afrikanischen Kontinent mit dem Kampf gegen al-Qaida und verwandte Organisationen in Afrika. Der britische Premierminister fiel letzten Monat in den Chor der imperialistischen Wölfe ein und hielt es für möglich, dass dieser Krieg in Afrika „Jahrzehnte“ dauern könne.

Diese Begründung für Krieg in der afrikanischen Sahelzone steht in schreiendem Widerspruch zu der Tatsache, dass die imperialistischen Mächte in dem konfessionellen Bürgerkrieg in Syrien mit al-Qaida-Milizen zusammenarbeiten, um das Assad-Regime zu stürzen. Darüber gehen die Medien und das politische Establishment jedoch mit Schweigen hinweg.

Niemand in der amerikanischen Presse hielt es zum Beispiel für nötig, auf ein bezeichnendes Zusammentreffen hinzuweisen: Am selben Tag, als Obama die Entsendung von US-Truppen in einen angeblichen Krieg gegen al-Qaida in Afrika bekanntgab, wurde im UN-Sicherheitsrat eine Resolution blockiert, die einen al-Qaida Bombenanschlag in Damaskus verurteilte. Dutzende Zivilisten verloren bei diesem Anschlag ihr Leben.

Die Widersprüche in den verschiedenen Vorwänden für imperialistische Interventionen legen die wahren Triebkräfte bloß.

Washington sieht sich wirtschaftlich in Afrika immer stärker durch China ausgebootet, das inzwischen zum größten Handelspartner des Kontinents aufgestiegen ist. Voraussichtlich werden bald 25 Prozent der amerikanischen Ölimporte aus Westafrika kommen. In diesem immer schärferen Konkurrenzkampf um strategische Rohstoffe verlässt sich der US-Imperialismus auf seine militärische Überlegenheit, um die ökonomische Herausforderung durch China zurückzuschlagen.

Al-Qaida spielt in dieser räuberischen Strategie eine Doppelrolle. Sie liefert die Fußtruppen für die Beseitigung von Regimes, die als Hindernis für die amerikanische Vorherrschaft wahrgenommen werden, und sie dient als Vorwand für andere Interventionen im Namen des Kampfs gegen „Terrorismus“ und „Extremismus“.

Der neue Stützpunkt in Niger positioniert die amerikanischen Drohnen unmittelbar an der Grenze zu Nigeria, von wo die USA bis vor kurzem zehn Prozent ihrer Ölimporte bezogen haben. In Nigeria mischt sich das Pentagon in letzter Zeit stärker in den internen Konflikt mit der einheimischen islamischen Sekte Boko Haram ein, die keine Verbindungen zu al-Qaida und keine Ambitionen außerhalb von Nigeria zu haben scheint.

Diese Entwicklung wirft ein neues Licht auf die Intervention von USA und Nato zum Sturz von Oberst Muammar Gaddafi in Libyen 2011. Dies war damals der erste Krieg unter der Führung des AfriCom, des amerikanischen Regionalkommandos, das 2007 unter Präsident Bush eingerichtet wurde. Der Krieg forderte auf libyscher Seite 80.000 Todesopfer und legte eine ganze Gesellschaft in Schutt und Asche. Er wurde geführt, um weitere und weitergehende militärische Interventionen vorzubereiten.

Das Gaddafi-Regime hatte eine Schlüsselrolle in den Wirtschaftsbeziehungen und Sicherheitsarrangements in der Region. Zum Beispiel hatte es mit Wirtschaftshilfe für eine gewisse Stabilität in der Sahelzone gesorgt und die traditionellen Konflikte zwischen dem Volk der Tuareg und den Regierungen in Niger und Mali gedämpft.

Es war vollkommen voraussehbar, dass der Sturz und die Ermordung Gaddafis die Region destabilisieren würden. Die Tuareg flohen aus Libyen nach Mali. Ihnen folgten genau die islamistischen Elemente, die Washington im Krieg gegen Gaddafi unterstützt hatte, was dem amerikanischen und französischen Imperialismus heute als Vorwand dient, wieder zu intervenieren und Truppen in die Region zu schicken.

Pläne für diese Interventionen waren schon weit fortgeschritten, bevor auch nur die erste Bombe auf Tripolis fiel. Die Region steht schon seit zehn Jahren im Fokus strategischer Überlegungen der USA. Das begann mit Washingtons Pan Sahel Initiative 2003, gefolgt von der Trans-Saharan Counter-Terrorism Partnership von 2005.

In diesem Zusammenhang wird erneut klar, welche Rolle die Pseudolinken spielen. Eine ganze Schicht von so genannten „Linken“ rechtfertigte und unterstützte den Krieg gegen Libyen und lobte ihn als humanitäre Intervention, als Kreuzzug für Demokratie und gar als „Revolution“.

Der akademische Betrüger Juan Cole von der Universität Michigan nutzte seine übertriebene Reputation als Kritiker des Irakkriegs, um der Öffentlichkeit den Libyen-Krieg zu verkaufen. Gilbert Achcar, Mitglied des internationalen pablistischen Vereinigten Sekretariats und Professor an der Schule für Orientalische und Afrikanische Studien in London, verurteilte die Nato, weil sie nicht genug Bomben auf das Land geworfen habe. Von der Linkspartei in Deutschland über die Neue Antikapitalistische Partei in Frankreich und die Socialist Workers Party in Großbritannien bis hin zu der International Socialist Organisation in den USA beteiligten sich so genannt „linke“ Organisationen an der schmutzigen Arbeit, einen räuberischen imperialistischen Krieg politisch zu legitimieren.

Wenn diese Personen und Gruppen heute für Krieg in Libyen und Syrien eintreten, drückt dies den Übergang einer bestimmten soziopolitischen Schicht, der wohlhabenden Mittelschicht, ins Lager des Imperialismus aus. Gestützt auf die verschiedensten politischen Berechnungen, wie auch auf simple Ignoranz, gehen sie dazu über, ihre materiellen Interessen mit denen ihrer jeweils „eigenen“ imperialistischen Mächte zu identifizieren.

Während die Imperialisten versuchen, die Landkarte Afrikas neu zu zeichnen, entlarven sich diese Elemente als intellektuelle und politische Agenten der CIA und des Pentagon.

Während diese Schichten immer weiter nach rechts gehen, verteidigt das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) als einziges eine marxistische Perspektive gegen Krieg. Seit mehr als zwei Jahrzehnten, als 1991 die Sowjetunion aufgelöst wurde, analysiert es den explosiven Ausbruch des amerikanischen Militarismus als Folge der Krise des amerikanischen Imperialismus und seines Versuchs, seinen historischen Niedergang durch seine immer noch große militärische Überlegenheit auszugleichen. Weiter erklärt das IKVI, dass die imperialistische Gewalt im Ausland untrennbar mit der immer tieferen Klassenspaltung zwischen der herrschenden Finanzoligarchie und der Masse der arbeitenden Bevölkerung im eigenen Land verbunden ist.

Daraus folgt, dass eine wirkliche Bewegung gegen Krieg und Kolonialismus nur durch die unabhängige politische Mobilisierung und internationale Vereinigung der Arbeiterklasse möglich ist. Sie muss die Ursache von Krieg, das kapitalistische System, bekämpfen. Die Ereignisse in Afrika bestätigen diese Perspektive vollkommen.

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