Innenminister Friedrich hetzt gegen Migranten

Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bekräftigte am Donnerstag bei einem Treffen der EU-Innenminister in Brüssel, dass er die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in das Schengen-Abkommen notfalls mit einem Veto verhindern werde. Zuvor hatten schon Vertreter der französischen und niederländischen Regierung ihre Ablehnung kundgetan. Eine Entscheidung darüber, ob die Kontrollen an den Grenzen der beiden Länder aufgehoben werden, wurde deshalb erneut vertagt.

In Brüssel sprach sich Friedrich zudem allgemein gegen die Freizügigkeit in Europa aus. „Bedeutet Freizügigkeit in Europa, dass wir eines Tages damit rechnen müssen, dass Menschen überall aus Europa, die glauben, dass sie von Sozialhilfe in Deutschland besser leben können als in ihren eigenen Ländern, nach Deutschland kommen?“, sagte Friedrich, „Diese Gefahr darf sich nicht realisieren.“

Schon zu Beginn der Woche hatte der Innenminister Stimmung gegen Einwanderer aus Südosteuropa gemacht. Dabei schürte er gezielt Ressentiments gegen einen angeblichen “Sozialleistungstourismus“ aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Rückendeckung erhielt Friedrich vom Vorsitzenden des Innenausschusses des deutschen Bundestages, Wolfgang Bosbach (CDU). Dieser warnte gegenüber der Welt vor einem sprunghaften Anstieg von „Wirtschaftsflüchtlingen“ und erklärte: „Wir haben gesehen, welche Folgen die Abschaffung der Visumpflicht für Serben und Mazedonier hat, und wir befürchten ähnliche Folgen, wenn die Grenzkontrollen zu Bulgarien und Rumänien abgeschafft werden.“

Die Hetze gegen Migranten geht mit einem zunehmend brutalen Vorgehen des Staates einher. Als der deutsche Städtetag den Bund im Januar aufforderte, die Kommunen von steigenden Kosten für ärztliche Notfallversorgung und Sozialleistungen für Roma zu befreien, antwortete das Bundesinnenministerium, dass es dazu keine Veranlassung sehe. Ein Sprecher des Ministeriums forderte die Kommunen stattdessen auf, den durch Zuwanderung entstandenen Problemlagen durch „polizeiliche und ordnungsrechtliche Maßnahmen zu begegnen“.

Knapp 70 Jahre nach der Ermordung von 500.000 Sinti und Roma durch das Nazi-Regime werden Zuwanderer aus Südosteuropa diffamiert, angegriffen und des Landes verwiesen. Die menschenverachtende Kampagne gegen südosteuropäische Migranten und das zunehmend brutale Vorgehen gegen sie ist dabei nicht auf Deutschland beschränkt.

Auch in Großbritannien werden angesichts der näher rückenden vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen fremdenfeindliche und rassistische Töne lauter. Der britische Arbeitsminister Iain Duncan Smith stieß dabei ins gleiche Horn wie Friedrich in Deutschland und wetterte gegen Europäer, „die nur herumreisen und nach den besten Sozialleistungen suchen, die sie kriegen können“. Gesundheitsminister Mark Harper kündigte an, den kostenfreien Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) auf britische Staatsbürger zu beschränken. „Der nationale Gesundheitsdienst ist ein nationaler Dienst und kein internationaler“, sagte er.

In Frankreich greifen sämtliche Parteien die Positionen des rechtsextremen Front National auf, der Stimmung gegen Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien macht. Unterstützung erhalten sie dabei aus der Gewerkschaftsbürokratie, die die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in Frage stellt. Der französische Präsident François Hollande und sein Innenminister Manuel Valls von der Sozialistischen Partei (SP) haben die rücksichtslose Politik des konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy fortgeführt, Romalager räumen lassen und die betroffenen Migranten nach Rumänien oder Bulgarien deportiert.

Gut zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regime in Osteuropa und knapp zehn Jahre nach der EU-Osterweiterung sind rigide Einreisebestimmungen und massenhafte Ausreiseverbote in Europa wieder an der Tagesordnung.

Die schmutzige Kampagne gegen die Ärmsten der Armen ist ein Angriff auf die gesamte europäische Arbeiterklasse. Sie ist ein Versuch, die soziale Verelendung rassistisch umzudeuten und die Opfer der Sozialkürzungen selbst für diese verantwortlich zu machen. Auf diese Weise soll der Widerstand der Arbeiter gespalten und der Staat aufgerüstet werden.

In Wirklichkeit gibt es kein Migrationsproblem, sondern ein Problem der sozialen Polarisierung in jedem europäischen Land. Seit dem Zusammenbruch des Stalinismus sind Rumänien und Bulgarien systematisch ausgeplündert und die sozialen Rechte der Arbeiter zerschlagen worden. Spätestens seit der Jahrtausendwende spielte die EU dabei die führende Rolle.

Mit einer Schuldenquote von 16,3 Prozent gilt Bulgarien als Musterschüler und Vorbild der EU. Durch Steuersenkungen für die Reichen, Deregulierung der Märkte und Zerschlagung der Sozialsysteme wurde das Land auf Geheiß der EU in ein Paradies für Investoren verwandelt.

Die Bevölkerung musste dafür bluten und lebt in bitterer Armut. Der Durchschnittslohn beträgt in Bulgarien gerade einmal ein Zehntel des Lohnes in Deutschland. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei fast 30 Prozent, und laut Caritas haben 40 Prozent der Kinder nicht genug Nahrung.

Die Roma sind von dieser Entwicklung überdurchschnittlich stark betroffen. Nach der kapitalistischen Restauration hatte sich der zuvor begonnene Trend zur Integration der Roma abrupt umgekehrt. Roma waren mit als erste von Massenentlassungen, gesunkenen Löhnen und Renten sowie gestrichenen Sozialleistungen betroffen.

Ein mazedonischer Migrant brachte die Gründe für die zunehmende Ausreisewelle im Deutschlandradio auf den Punkt: „Wenn Sie mich fragen, warum hier alle weg wollen, um Asyl zu beantragen, ist die Antwort: Es gibt hier keine Arbeit“, sagt er. „Mein Vater hatte noch das Glück, beim Staat Arbeit zu haben, er konnte uns Kindern noch eine Zukunft geben. Ich kann meinen Kindern nichts Schönes mehr geben. Man bekommt hier 30 Euro Sozialhilfe im Monat. Das reicht nicht mal fürs Essen, erst recht nicht für Medikamente oder ein Schulheft.“

Die humanitäre Katastrophe in Südosteuropa, die die Menschen in die Migration treibt, ist dabei nur der heftigste Ausdruck einer gesamteuropäischen Entwicklung. Was in Osteuropa vor zwanzig Jahren begann, wird jetzt in Südeuropa fortgesetzt und soll auf den ganzen Kontinent ausgeweitet werden. Die osteuropäischen Hungerlöhne werden schon jetzt als Hebel benutzt, um die Gehälter in der gesamten EU zu senken.

In den westeuropäischen Ländern sind die Einwanderer wiederum oft als erste von der sozialen Polarisierung der gesamten Gesellschaft betroffen. In Deutschland bekommen Migranten aus Südosteuropa weder einen Wohnraum zur Verfügung gestellt, noch eine Krankenversicherung oder Sozialhilfe nach dem Hartz IV-Regelsatz. Sie haben nicht einmal Anspruch auf die Integrationskurse, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert werden.

Unbeschränkt arbeiten dürfen Bulgaren und Rumänen in der EU erst ab 2014, bis dahin können sie sich nur als Selbständige oder Saisonarbeiter etwa beim Spargelstechen verdingen. Bis dahin haben sie keine andere Chance, als sich als Tagelöhner auf dem „Arbeitsstrich“ anzubieten. Für zwei Euro die Stunde beladen sie dann Schiffscontainer, arbeiten auf dem Bau oder helfen bei Wohnungsrenovierungen.

Viele Betroffene haben selbst keine Wohnung oder sind gezwungen, in menschenunwürdigen Wohnungen in heruntergekommenen Häusern zu vegetieren. Entweder sind es besetzte Häuser, aus denen sie jederzeit wieder vertrieben werden können, oder sie müssen den Hauseigentümern für eine Schlafstelle, oft nur ein Matratzenlager in einer überfüllten Wohnung, 30 Euro die Nacht zahlen.

Die Auswirkungen dieser barbarischen sozialen Verhältnisse will das Innenministerium nun mit Staatsaufrüstung im Inneren und neuen Grenzkontrollen eindämmen. Damit werden weitere soziale Angriffe auf die gesamte Bevölkerung vorbereitet.

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