Französische Regierung unterstützt pseudolinke Parteien in Tunesien

Seit der Ermordung des tunesischen Oppositionspolitikers Chokri Belaïd im letzten Monat unterstützt die französische Sozialistische Partei die kleinbürgerlichen Kräfte, die in der tunesischen Volksfront vereinigt sind. Paris propagiert diese Pseudolinken als zuverlässige Garanten ihrer imperialistischen Interessen und nutzt sie als Werkzeug, um den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse gegen das tunesische Regime zu unterdrücken.

Belaïd war Vorsitzender der Vereinten Demokratischen Nationalisten und Mitbegründer der Volksfront. Als er am 6. Februar vor seinem Haus in Tunis erschossen wurde, verurteilte die Pariser Regierung seine Ermordung. Der Mord an Belaïd führte in ganz Tunesien zu Protesten und Unruhen, wobei die Oppositionellen der Regierungspartei, der islamistischen Ennahda, die Schuld an dem Mord zuwiesen.

Premierminister Hamadi Jebali musste am 19. Februar zurücktreten, da der Widerstand seiner eigenen Parteikollegen gegen seinen Versuch, eine überparteiliche Technokraten-Regierung einzusetzen, zu stark wurde. Die Volksfront hatte eine Technokraten-Regierung unterstützt.

Der französische Innenminister Manuel Valls verurteilte Belaïds Ermordung als einen Angriff auf die Demokratie in Tunesien und versprach Gleichgesinnten in Tunesien die Unterstützung seiner Regierung. Valls sagte in einem Interview mit dem Radiosender Europe1: „Der Präsident der Republik [François Hollande] verurteilt die Ermordung des Demokraten Chokri Belaïd. Wir müssen diese Demokraten selbst unterstützen, wenn wir nicht wollen, dass die Werte der Jasmin-Revolution verraten werden.“

Valls beschuldigte die Islamisten, den Mord ausgeführt zu haben, und fügte hinzu: „Wir müssen uns des Schadens bewusst sein, den Despotismus, Islamismus und Obskurantismus angerichtet haben. Die modernen Werte werden in Frage gestellt, und Tunesiens Frauen sollen unter den Schleier gezwungen werden. Überall entsteht ein islamischer Faschismus, aber dieser Obskurantismus muss natürlich verurteilt werden, denn er lehnt die Demokratie ab, für welche die Völker Libyens, Tunesiens und Ägyptens gekämpft haben.“

Valls Behauptung, er könne islamistische Gewalt und Obskurantismus nicht gutheißen, ist vollkommen zynisch. Tatsächlich hat die Regierung in Paris im Jahr 2011 eng mit reaktionären islamistischen Kräften, die mit Al Qaida verbündet sind, zusammengearbeitet, um das Regime von Oberst Muammar Gaddafi zu stürzen. In Syrien unterstützt die Regierung heute ähnlich reaktionäre Kräfte in einem neokolonialen Krieg zum Sturz von Präsident Assad.

Hinter Valls zynischer Rhetorik verbergen sich die wechselnden politischen und geostrategischen Interessen des französischen Imperialismus. Paris versucht nicht nur, den Widerstand der tunesischen Arbeiterklasse einzudämmen, sondern führt auch unter dem Deckmantel des „Kriegs gegen den Terror“ in Mali einen Krieg gegen islamistische Gruppen, um seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen zu Lasten seiner Rivalen, zum Beispiel China, durchzusetzen.

Valls Kommentare zeigen, dass der französische Imperialismus versucht, sich auf die Dienste kleinbürgerlich-„linker“ Tendenzen zu stützen, die sich als Handlanger für die imperialistischen Mächte engagieren und den Widerstand der Arbeiterklasse gegen Krieg und soziale Ungleichheit unterdrücken.

Die französische Regierung ist wütend auf die Ennahda-Regierung, weil diese die Erwartungen nicht erfüllt. Im Gegensatz zum Nachbarstaat Algerien weigert sich die tunesische Regierung, ihren Luftraum für französische Kampfflugzeuge zu öffnen, die Bombenangriffe auf Mali fliegen. Nachdem Frankreich im Januar einen Krieg in Mali begonnen hatte, erklärte der Sprecher des tunesischen Präsidenten Adnan Manser, Tunesien unterstütze weder Frankreichs Krieg gegen Mali noch eine andere Militärintervention in diesem Land.

Die soziale Ungleichheit und die hohe Arbeitslosenquote von etwa achtzehn Prozent in Tunesien (die überhaupt die Ursachen für die Revolution im Jahr 2011 waren) haben außerdem zu neuen Kämpfen der Arbeiterklasse geführt. Die Finanzmärkte und der Internationale Währungsfonds (IWF) drängen auf weitere Marktreformen. Wie Reuters meldet, hat Tunesien versucht, den IWF zu beruhigen, um einen Kredit in Höhe von 1,78 Milliarden Dollar zu erhalten. Dieses Vorhaben ist jedoch seit Belaïds Ermordung und den wachsenden politischen Spannungen noch schwieriger geworden.

Der Ökonom Radhi Meddeb erklärte, Tunesien müsse drastische Reformen einführen, um seine Wirtschaftskrise zu beenden, „aber diese Reformen erfordern eine nationale Debatte und einen Konsens“.

Die Volksfront ist mittlerweile in den Umfragen drittstärkste politische Kraft hinter der Ennahda und der rechten Nidaa Tounes (Ruf Tunesiens). Letzteres ist eine Koalition unter Führung des ehemaligen Premierministers Caid Essebsi. In einer aktuellen Umfrage vor der Wahl, die im Juni 2013 stattfinden soll, hat die Volksfront ihr Ergebnis von knapp acht auf über zwölf Prozent verbessert, während Ennahda und Nidaa Tounes auf unter dreißig Prozent (29,4 bzw. 29,8 %) gesunken sind.

Sollte die Volksfront bei den Wahlen mehr Einfluss gewinnen, wird sie ihre arbeiterfeindliche Politik zusammen mit der Allgemeinen Gewerkschaft der Tunesischen Arbeiter (UGTT), die der Volksfront nahesteht, fortführen.

Der Direktor der Forschungsabteilung der UGTT, Nasredine Sassi, erklärte: „Die UGTT hat nichts gegen den IWF. Der Generalsekretär hat in diesem Büro hier Christine Lagarde und ihre Delegation von der Weltbank empfangen. Wir wissen, dass das Land nicht länger außerhalb des globalen Systems überleben kann, aber wir versuchen, die Politik in die richtige Richtung zu leiten.“

Wenn der französische Imperialismus pseudolinke Parteien in Nordafrika unterstützt, verlässt er sich auf Kräfte, die ihm bereits während des „Arabischen Frühlings“ Anfang 2011 gedient haben. Damals hat die Arbeiterklasse in revolutionären Aufständen in Tunesien und Ägypten die vom Westen unterstützten Diktaturen von Zine El Abidine Ben Ali und Hosni Mubarak zu Fall gebracht.

Durch die konterrevolutionäre Rolle der pseudolinken Tendenzen konnte die herrschende Klasse die kapitalistische Herrschaft aufrechterhalten. Zu diesen Kräften gehören in Ägypten die Revolutionären Sozialisten, und in Tunesien spielt die Kommunistische Arbeiterpartei Tunesiens (PCOT) von Hamma Hammami diese Rolle.

Die PCOT hat sich mittlerweile in Tunesische Arbeiterpartei umbenannt und nimmt in der Tunesischen Volksfront eine führende Rolle ein. Heute propagiert sie eine Wahl, die von den Anhängern des alten Regimes überwacht wird, und bereitet damit die Machtübernahme eines reaktionären islamistischen Regimes vor, das der Arbeiterklasse und der Revolution feindselig gesonnen ist.

Die Volksfront ist ein Bündnis aus zwölf kleinbürgerlichen „linken“ Parteien. Sie wurde offiziell im Oktober 2012 gegründet und besteht aus der Tunesischen Arbeiterpartei, Chokri Belaïds Bewegung Demokratischer Patrioten, der pablistischen Linken Arbeiterliga (LGO) und einer Ansammlung panarabischer, nasseristischer, baathistischer und grüner Organisationen.

Die meisten dieser Parteien waren auch schon Teil der „Front des 14. Januar“, die nach dem Sturz von Ben Ali am 14. Januar 2011 gegründet wurde. Nachdem Ben Ali gestürzt war, gingen die Massenproteste weiter, die Bevölkerung forderte den Rücktritt der „Regierung der nationalen Einheit“ von Premierminister Mohammed Ghannouchi, der ein wichtiger Verbündeter von Ben Ali gewesen war.

Nachdem die tunesische Bourgeoisie durch den Aufstand der Massen paralysiert war, versuchten die kleinbürgerlichen Kräfte in der Front des 14. Januar, die Arbeiterklasse an die prokapitalistische UGTT zu ketten, die eine wichtige Stütze von Ben Alis Regime gewesen war.

Die UGTT spielt eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung der tunesischen Arbeiterklasse und hat eng mit Ben Ali zusammengearbeitet, um eine wirtschaftsfreundliche Politik umzusetzen. Ben Ali sprach der UGTT jedes Jahr am Tag der Arbeit seine Anerkennung aus. Die UGTT unterstützte Ben Alis Regime während der Revolution und rief erst zu einem symbolischen zweistündigen Streik auf, nachdem Ben Ali am 14. Januar aus dem Land geflohen und das Land von der Revolution erfasst war.

Die UGTT stellte drei Minister für die Regierung der nationalen Einheit, die nach Ben Alis Flucht als Nachfolgeregierung aufgestellt wurde, zog sie aber aus der Regierung zurück, als die Massenproteste weitergingen.

Die Front des 14. Januar brach auseinander, als ihre Mitgliedsparteien anfingen, die Reformkommission zu unterstützen, die von der Übergangsregierung aufgestellt worden war. Diese Kommission hatte die Aufgabe, eine neue rechtliche Grundlage für die kapitalistische Herrschaft in Tunesien zu schaffen. Die bürgerlichen „linken“ Parteien unterstützten die Kommission, die aus verschiedenen bürgerlichen Parteien, der UGTT, dem Arbeitgeberverband UTICA und zahlreichen Fachkräften aus der Mittelschicht zusammengesetzt war. Hammami bezeichnete sie damals als „Errungenschaft des Volkes und der Revolution“.

Die Parteien der Volksfront sind in der UGTT aktiv und bestehen darauf, dass diese in der Volksfront eine wichtige Rolle spielen solle. Der Vorsitzende der pablistischen LGO, Jalel Ben Brik, erklärte beispielsweise: „Nach Ansicht der LGO muss sie [die Volksfront] auf einer demokratischen Front der Arbeiter beruhen, deren Rückgrat die UGTT sein muss.“

Nach Ben Alis Sturz schürten die pseudolinken Parteien Illusionen in die Verfassungsgebende Versammlung. Sie sollte die Probleme der Arbeiterklasse lösen, die Armut beenden, Arbeitsplätze schaffen und einen demokratischen Übergang organisieren. Deshalb unterstützten sie stillschweigend die Islamisten von der Ennahda, als diese die Wahl gewannen und eine Koalitionsregierung mit säkularen bürgerlichen Parteien (wie dem Kongress für die Republik und Ettakatol) bildeten.

Die kleinbürgerlichen „linken“ Parteien unterstützten nach der Wahl die Ennahda-Regierung auch noch, nachdem sie im Auftrag der herrschende Elite Tunesiens und die Finanzmärkte begann, rechte Politik zu machen und Streiks und Proteste der Arbeiterklasse gewaltsam zu unterdrücken.

Angesichts des wachsenden Widerstandes der Bevölkerung gegen Ennahda sagte Hammami vor einem Jahr schlicht: „Wir wollen diese rechtmäßige Regierung nicht stürzen, aber wir fordern sie dazu auf, ihre Versprechen einzulösen und die Ziele der Revolution zu erfüllen.“ Hammami rief die Massen auf, „Druck auf die Regierung auszuüben, damit sie die Ziele der nationalen Gemeinschaft erfüllt.“

Die Volksfront hat gute Beziehungen zu pseudolinken europäischen Parteien wie der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) in Frankreich, die den Imperialismus, den Krieg und den Sparkurs verteidigt. Am 8. Februar nahm NPA-Chef Alain Krivine an Belaïds Beerdigung teil und unterhielt sich lange mit Führern der Volksfront.

Eine Woche später brach eine Delegation französischer Diplomaten unter Führung von Elisabeth Guigou von der PS, der Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses der Nationalversammlung, zu einem zweitägigen Besuch auf, um mit tunesischen Parteien Gespräche aufzunehmen. Zu Beginn ihrer Reise legte sie an Belaïds Grab einen Kranz nieder und traf sich mit Hamma Hammami.

Genau wie die NPA, unterstützt auch die Volksfront den imperialistischen Stellvertreterkrieg in Syrien, und Hammami fordert den Rücktritt des syrischen Präsident Bashar al Assad.

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