US-Außenminister erpresst China mit Nordkorea

US-Außenminister John Kerry gab sich bei Treffen mit der chinesischen Führung am letzten Wochenende kaum Mühe, seinen Erpressungsversuch gegenüber Peking zu kaschieren. China müsse „alle Optionen“ nutzen, um seinen Verbündeten Nordkorea zu zwingen, sein Atomprogramm einzustellen und seine Atomwaffen zu zerstören. Das verarmte Nordkorea ist völlig von chinesischen Importen abhängig, unter anderem von Öllieferungen und Wirtschaftshilfe.

In den letzten Wochen hat Washington die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel auf aggressive Weise verschärft, nachdem Nordkorea im Februar seinen dritten Atomtest durchgeführt hatte. Die USA haben nicht nur atomwaffenfähige B2- und B52-Bomber nach Südkorea verlegt, sondern auch in Alaska und auf Guam Raketenabwehrsysteme aufgebaut und zwei Aegis-Zerstörer mit Raketenabwehrwaffen in die Nähe der koreanischen Gewässer verlegt.

China hatte bisher gegen den Aufbau amerikanischer Raketenabwehrsysteme im asiatischen Pazifik protestiert, da es sich als Hauptziel versteht. Kerry erklärte vor seiner Ankunft in Peking bei einer Rede in Seoul, die USA würden diese Waffen weiterhin in den Pazifik verlegen, wenn Peking „sich nicht bemüht, Nordkorea von seinem Atomprogramm abzubringen“.

Nach seinem Treffen mit der chinesischen Führung erklärte Kerry, in der Diskussion sei es um die Gründe gegangen, „warum wir unsere Schritte gemacht haben“; – gemeint war der Aufbau der Raketenabwehr. „Sobald die gesamte Gefahr verschwindet, d.h. wenn Nordkorea nuklear abrüstet, besteht momentan auch kein Anlass mehr für eine so starke Verteidigungshaltung“, erklärte Kerry.

Obwohl die USA nicht die Absicht haben, ihre Raketenabwehrsysteme in der Region abzubauen, scheint Kerry mit seiner Überredungskunst Erfolg gehabt zu haben. In Peking hat die jüngste Krise um Korea das Dilemma um Pjöngjang verstärkt. Wenn China seinen Verbündeten nicht zügeln kann, werden die USA, Japan und Südkorea die Situation ausnutzen, um eine längerfristige, militärische Expansion zu rechtfertigen. Wenn Peking jedoch eine Wirtschaftsblockade über Nordkorea verhängt, könnte dies zu akuten politischen und sozialen Unruhen an der Nordgrenze Chinas führen.

Kerry gab keine Einzelheiten über seine Treffen mit der chinesischen Führung preis, sagte der Presse jedoch: „Ich kann Ihnen versichern: wir haben keine mögliche Option ausgelassen, und wir hatten eine vollständige Diskussion über unsere Möglichkeiten.“ „Keine Option auslassen“ deutet darauf hin, dass auch militärische und wirtschaftliche Drohungen diskutiert wurden.

Kerry kündigte weitere Gespräche mit chinesischen Politikern an und sagte, daran würden unter anderem der Vorsitzende der US Joint Chiefs of Staff Martin Dempsey und der Stellvertretende Außenminister William Burns teilnehmen.

Pekings Bereitschaft, sich mit der Obama-Regierung zu verständigen, zeigte sich durch den Veranstaltungsort. Kerrys Treffen mit dem Staatsrat für Außenpolitische Fragen Yang Jiechi fand im Pekinger Staatlichen Gästehaus Diaoyutai statt, wo Präsident Richard Nixon 1972 mit China einen Block gegen die damalige Sowjetunion geschlossen hatte.

Yang erklärte, die USA und China unterstützten das Ziel der atomaren Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel. Er forderte außerdem eine Wiederaufnahme der Sechsparteiengespräche, an denen die USA, China, Japan, Russland, Nord- und Südkorea teilgenommen hatten. Sie scheiterten im Jahr 2008, nachdem die Bush-Regierung als Provokation versuchte, ein abgeschlossenes Abkommen über das nordkoreanische Atomprogramm zu ändern. Die Obama-Regierung hatte nie versucht, die Gespräche neu zu beginnen.

Zweifellos gibt es in der chinesischen Führung starke Spannungen in der Frage, wie man auf Washingtons wachsenden diplomatischen und strategischen Druck reagieren soll. Der Druck beschränkt sich nicht auf Nordkorea, sondern erstreckt sich auf eine Reihe von wirtschaftlichen und geostrategischen Fragen.

Nach seinem Treffen mit Präsident Xi Jinping erklärte Kerry auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, er habe China aufgefordert, in „einer Reihe sehr schwieriger Fragen“ mit den USA zusammenzuarbeiten. Dazu gehörten „die Probleme auf der koreanischen Halbinsel“, das iranische Atomprogramm, Syrien und der Nahe Osten insgesamt und die wachsende Weltwirtschaftskrise. Kerry äußerte sich nicht über die Reaktion des chinesischen Staatsoberhauptes, sondern beschrieb die Diskussion nur als „vielversprechend“.

Xi ging seinerseits nicht auf Nordkorea ein und betonte lediglich, die Beziehungen zwischen den USA und China seien „in einem neuen historischen Stadium“, sie hätten „gut angefangen“. Er erklärte, beide Länder sollten ihre Streitigkeiten lösen und „die Kerninteressen des anderen respektieren“.

Die offizielle staatliche Nachrichtenagentur Xinhua war da schon offener. Sie kritisierte die USA dafür, auf der koreanischen Halbinsel die Spannungen zu schüren. „Sie schicken immer mehr Jagdflugzeuge, Bomber und Raketenabwehrschiffe in die ostasiatischen Gewässer und führen mit ihren asiatischen Verbündeten massive Militärmanöver durch, um ihre Präventivkraft auf dramatische Weise zu demonstrieren“, heißt es da.

Das chinesische Verteidigungsministerium dementierte Berichte über „größere Truppenbewegungen nahe der Grenze“ zu Nordkorea. Aber die staatlichen Medien berichteten letzte Woche, dass es in der Region zu Militärmanövern mit scharfen Waffen gekommen sei, an denen sich Panzer und gepanzerte Fahrzeuge beteiligt hätten, sowie zu zivilen Luftschutzübungen. Das deutet darauf hin, dass sich China tatsächlich Sorgen um einen möglichen Krieg auf der koreanischen Halbinsel macht.

In Tokio, dem letzten Stopp seiner Reise durch Asien, erklärte Kerry, dass die USA auch weiterhin Druck auf China ausüben würden. Wie er betonte, sollen die zusätzlichen Raketenabwehranlagen, die Obama vor kurzem in den Pazifik verlegt hat, dort bleiben, bis es auf der Halbinsel keine atomaren Potenziale mehr gibt.

Die Vereinigten Staaten konzentrieren sich in ihrer „Schwerpunktverlagerung“ auf Asien auf Militärbündnisse und strategischer Partnerschaften in Asien, vor allem mit Japan, Südkorea, Australien und Indien. Bei seiner Rede in Tokio versicherte Kerry der japanischen Regierung, das amerikanisch-japanische Militärbündnis sei „nie wirklich stärker als heute“ gewesen, und Washington fühle sich verpflichtet, Japan zu verteidigen.

Die USA ermutigen ihre Verbündeten durch ihre starke Unterstützung, China in der ganzen Region härter entgegenzutreten. Vor der neuesten Krise um Korea schwelte schon Ende des Jahres 2012 ein gefährlicher Konflikt zwischen Japan und China um die umstrittene Inseln im Ostchinesischen Meer. Im April 2012 kam es zur Konfrontation zwischen den Philippinen und China um die umstrittenen Scarborough-Inseln im Südchinesischen Meer.

Japan und die Philippinen haben sich in die Koreakrise eingemischt. Der rechte japanische Premierminister Shinzo Abe forderte die internationale Staatengemeinschaft mit Kommentaren, die gegen Korea gerichtet waren, dazu auf „Nordkorea spüren [zu] lassen, dass die Lage immer ernster wird“. Die philippinischen Außen- und Verteidigungsminister erklärten provokant, im Falle eines Krieges auf der Halbinsel dürften die USA philippinische Stützpunkte benutzen.

Die Obama-Regierung nutzt die Koreakrise zwar aus, um von China Zugeständnisse zu erpressen, behält sich aber die Möglichkeit einer Einigung mit Nordkorea vor – sofern sich dieses an die amerikanischen Forderungen hält. Kerry erklärte in Tokio, er sei bereit, direkte Gespräche mit Nordkorea zu gegebener Zeit zu erwägen, fügte aber hinzu: „Es gibt Vorbedingungen, die vor Verhandlungen erfüllt werden müssen.“

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