Programmparteitag der SPD

Von dem Wahlprogrammparteitag der SPD in Augsburg ist ein deutliches Signal ausgegangen: die SPD stimmt in allen wesentlichen Fragen mit der Bundesregierung überein und verspricht, die sozialen Angriffe in Europa im Wahlkampf nicht zu thematisieren. Die Partei bietet sich an, die Politik des sozialen Kahlschlags in ganz Europa fortzusetzen und zu verschärfen.

Es war ein abstoßendes Schauspiel, wie das rechte Programm, das die SPD auf diesem Parteitag beschlossen hat, in den Reden mit billigen populistischen Phrasen bemäntelt und mit abgenutzten Brecht-Zitaten garniert wurde. Was der Partei der Agenda 2010 dabei an Glaubwürdigkeit fehlte, suchten die Delegierten mit wiederkehrendem frenetischem Beifall wett zu machen.

Bei Umfragen im Keller der Beliebtheitsskalen angekommen, erhielt der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, den größten Applaus seiner knapp 90 minütigen Rede gleich zu Beginn, als er versicherte, dass er Kanzler der Bundesrepublik werden wolle. Die Delegierten spendeten minutenlang tosenden Beifall, als ob sie sich selbst dieser Aussage vergewissern wollten.

Die weitere Rede war eine Aneinanderreihung moderater sozialer Forderungen, wie der nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, nach Ausbau der Kitas oder nach Begrenzung von Mieterhöhungen. Auch Parteichef Sigmar Gabriel bemühte sich in seiner Rede um solche sozialen Apelle, bis hin zur stärkeren Besteuerung der Reichen. Ähnliche Forderungen hat die SPD noch in jedem Wahlkampf aufgebracht, um in der Regierung dann stets das genaue Gegenteil zu tun.

Bedeutsamer als dieses Geplänkel war der Umstand, dass weder Steinbrück noch Gabriel die brennenden politischen und sozialen Fragen Europas und Deutschlands auch nur ansprachen. Die von der Bundesregierung diktierten sozialen Angriffe in Griechenland, die Zerschlagung des zypriotischen Bankensektors oder die Regierungskrise in Italien fanden in den Reden keine Erwähnung. Auch in dem 150-seitigen Wahlprogramm taucht keines dieser Länder auf.

Der Grund für diese Schweigsamkeit ist die völlige Übereinstimmung der SPD mit dem Kurs der Regierung Merkel. Seit die schwarz-gelbe Koalition 2009 die Regierung übernahm, hat die SPD jedem Bankenrettungspaket und jeder Kreditvereinbarung mit einzelnen EU-Staaten im Bundestag zugestimmt. Sie unterstützte damit nicht nur der Bereitstellung von hunderten Milliarden Euro an öffentlichen Geldern für die Banken und Spekulanten, sondern auch die rigiden Kürzungsprogramme, die in Griechenland, Spanien oder Portugal zu massivem Sozialabbau und blankem Elend geführt haben.

Das nun verabschiedete Wahlprogramm bemängelt folgerichtig auch nur, dass zusätzlich zur richtigen „Kürzungs- und Austeritätspolitik“ der Bundesregierung zu wenig „Wachstumsimpulse“ gesetzt worden seien, die nicht weiter benannt werden.

Das Programm kritisiert Merkel von rechts. Es erklärt, sie habe „Krisenbekämpfung zu spät und nur halbherzig vollzogen und dadurch die Kosten für die Krisenbekämpfung unnötig verteuert“. Das Finanzdiktat der EU will die SPD mit einer „europäischen Wirtschaftsregierung“ weiter verschärfen.

Kanzlerkandidat Steinbrück selbst steht wie kein anderer für diese Politik. In der Großen Koalition aus SPD und CDU war er von 2005 bis 2009 Finanzminister und Merkels engster Vertrauter. Er war der Architekt der ersten Rettungspakete für die Banken sowie der Schuldenbremse im Grundgesetz. Mit dieser sorgte er dafür, dass jede folgende Regierung das an die Banken verschenkte Geld durch Haushaltskürzungen auf Kosten der Bevölkerung wieder eintreiben muss.

In sein Wahlkampfteam hat Steinbrück mit Michael Donnermeyer, Matthias Machnig und Heiko Geue zentrale Figuren der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder berufen, die maßgeblich an der Ausgestaltung der Agenda 2010 beteiligt waren.

Die Politik der Agenda 2010 hat die Partei nun auch in ihrem Wahlprogramm verankert. Gleich in der Präambel wird die Politik der Schröder-Regierung in den höchsten Tönen gelobt. Schröder habe Deutschland zur „erfolgreichsten Volkswirtschaft Europas und der Welt“ gemacht, heißt es dort. „Dazu trug auch die vor zehn Jahren begonnene Reformpolitik der SPD-geführten Bundesregierung bei. Diese Reformpolitik der ‚Agenda 2010‘ erhöhte die Investitionen in Forschung und Innovation, beschleunigte den Ausbau der erneuerbaren Energien und holte hunderttausende Menschen vom Abstellgleis der Sozialhilfe und bezog sie erstmals ein in die aktive Arbeitsmarktpolitik.“

Tatsächlich war die Agenda 2010 der Auftakt für die sozialen Angriffe, die jetzt in ganz Europa stattfinden. Mit umfassenden Gesetzesänderungen wurden die Renten und Sozialleistungen gesenkt, das Gesundheitssystem zusammengestrichen, Privatisierungen vorangetrieben, Steuern für Reiche und Unternehmen gesenkt und u.a. mit Hartz IV ein riesiger Niedriglohnsektor geschaffen. Mittlerweile arbeitet in Deutschland fast jeder vierte Arbeiter für einem Niedriglohn. 350.000 Menschen sind trotz Vollzeitstelle auf die Zahlung von Hartz-IV-Geldern angewiesen.

Schon im März hatte Schröder unter Beifall seiner Partei eine Agenda 2020 gefordert. Deutschland könne seinen Vorsprung gegenüber aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie Brasilien und China nur verteidigen, „wenn wir hart an unserer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten“, erklärte der Alt-Kanzler. Mit dem Wahlprogramm bestätigt die SPD diesen Kurs und bereitet sich darauf vor, entweder in einer Großen Koalition oder im Bündnis mit den Grünen die brutalen sozialen Angriffe in Deutschland und in ganz Europa fortzusetzen.

Unterstützung erhält die SPD dabei von den Gewerkschaften. DGB-Chef Michael Sommer zeigte sich in einem Interview mit der Westdeutschen Zeitung nach dem Parteitag erfreut darüber, „dass Steinbrück sehr wohl Herz und Seele der Genossen berühren kann“. Zudem sei er optimistisch, dass die SPD mithilfe der Gewerkschaften im September noch einen Wahlerfolg verbuchen kann. Auch die Linkspartei hat bereits Unterstützung für Steinbrück und die Agenda 2020 signalisiert.

Der SPD-Parteitag zeigt, dass sich alle großen Parteien darin einig sind, die brennenden sozialen Fragen aus dem Wahlkampf auszublenden, um nach den Wahlen – in welcher Konstellation auch immer – die brutalsten Angriffe gegen die deutschen und gesamteuropäischen Arbeiter zu führen.

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