Pakistan

Sieben Tote durch ersten Drohnenangriff seit Obamas Rede

Am Mittwoch kamen bei einem amerikanischen Drohnenangriff in dem pakistanischen Stammesgebiet Nord-Wasiristan mindestens sieben Menschen ums Leben. Der Angriff war der erste seit den pakistanischen Wahlen am 11. Mai und Obamas Rede über den Einsatz von Drohnen letzte Woche. Er war außerdem ein klares Signal, dass Washington beabsichtigt, seine internationalen Drohnenangriffe fortzuführen – mit der es die nationale Souveränität Pakistans verletzt und Pakistaner willkürlich ermordet.

Bei dem Angriff am Mittwoch schoss die CIA-Drohne zwei Raketen ab, die ein Haus in dem Dorf Chashma Pull zerstörten, in dem angeblich ein Treffpunkt aufständischer Taliban stattfand. Zu den gemeldeten Verletzten gehörten auch drei Kinder.

Zu den Opfern gehörten angeblich Wali Ur-Rehman, der stellvertretende Oberbefehlshaber der Tahrik-e-Taliban Pakistan (TTP), einer Koalition aus pakistanischen Milizen, die gegen die amerikanische Besatzungsmacht in Afghanistan und den pakistanischen Staat kämpfen, der mit den USA kollaboriert.

Der TTP-Sprecher Ehsanullah Ehsan weigerte sich, zu bestätigen oder zu dementieren, dass Rehman bei dem Angriff getötet worden war. Es ist nicht ungewöhnlich, dass diejenigen, die in Washingtons Fadenkreuz geraten und für tot erklärt werden, später wieder auftauchen.

Im Jahr 2010 hatte die US-Regierung Rehman als „besonders wichtigen internationalen Terroristen“ eingestuft und ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt. Er wird wegen seiner angeblichen Beteiligung an einem Selbstmordattentat eines jordanischen Doppelagenten im Dezember 2009 gesucht, bei dem im Stützpunkt Camp Chapman im afghanischen Khost sieben CIA-Agenten getötet wurden.

Laut dem amerikanischen Büro für Investigativen Journalismus gab es seit Anfang 2013 in Pakistan dreizehn CIA-Drohnenangriffe, inklusive des Angriffs vom Mittwoch. Es wird geschätzt, dass bei diesen Angriffen zwischen 49 und 94 Menschen ums Leben gekommen sind. Seit Beginn von Obamas Präsidentschaft im Januar 2009 gab es 317 Drohnenangriffe in Pakistan, bei denen mehrere tausend Menschen ums Leben kamen und viele weitere Tausende verwundet wurden, darunter viele Frauen, Kinder und Zivilisten.

Obama hat das Drohnen-Mordprogramm, das unter seinem Amtsvorgänger George W. Bush begonnen wurde, stark ausgeweitet. Eine von Obamas ersten Amtshandlungen war es, zwei unterschiedliche Drohnenangriffe in Pakistan anzuordnen, bei denen bis zu neunundzwanzig Zivilisten ums Leben kamen, darunter fünf Kinder.

Der Angriff am Mittwoch ist der erste seit Obamas Rede an der National Defense University in Washington DC, in der er angeblich eine Kehrtwende in seiner Haltung zu Drohnenmorden vollzog.

In der Rede gab Obama praktisch zu, dass die Mordkampagne seiner Regierung und der CIA im Ausland zu großem Widerstand führe und im Inland mächtige, demokratiefeindliche Kräfte stärke. Er erklärte: „Da eine Strategie fehlt, die den Ursprung des Extremismus verkleinert, würde ein andauernder Krieg – geführt mit Drohnen, Spezialkräften oder regulären Truppen – mit unserer eigenen Niederlage enden und unser Land zum Schlechten verändern wird.“ (siehe auch: Der Krieg gegen den Terror und das Schicksal der amerikanischen Demokratie )

Der Angriff vom Mittwoch zeigt, dass die US-Regierung diese Morde trotz Obamas Erkenntnis, dass eine unkontrollierte Drohnen-Mordkampagne mit der Demokratie unvereinbar sei und im Ausland Hass hervorrufe, weiter durchführen wird.

Als Reaktion auf den wachsenden Widerstand gegen die Drohnenkampagne innerhalb von Pakistan und weltweit hatten Vertreter der UN Anfang des Monats zugegeben, dass die amerikanischen Drohnenangriffe in Pakistan – trotz der Proteste der Regierung des Landes – völkerrechtswidrig seien.

In der pakistanischen Bevölkerung herrscht große Wut auf die US-Regierung wegen der Ausweitung des Afghanistankrieges auf Pakistan und der Missachtung Washingtons für Pakistans Gesetze und seine nationale Souveränität. Abgesehen von den ständigen Drohnenangriffen hat auch eine Reihe weiterer Vorfälle die Wut auf die Politik der USA in Pakistan geschürt. Allein im Jahr 2011 kam es sowohl zu einem Überfall amerikanischer Spezialkräfte in Pakistan, deren Ziel der Mord an Osama bin Laden war, wie zur Ermordung von zwei Pakistanern durch einen Mitarbeiter der CIA namens Raymond David als auch zu einem amerikanischen Bombenangriff auf einen Grenzposten des Militärs, bei dem Dutzende von pakistanischen Soldaten ermordet wurden.

Der UN-Sonderberichterstatter über die Themen Terrorabwehr und Menschenrechte Ben Emmerson stellte nach einem Besuch in Pakistan in seinem Bericht fest: „Was den völkerrechtlichen Standpunkt angeht, so wird die amerikanische Drohnenkampagne ohne die Einwilligung der gewählten Volksvertreter oder der rechtmäßigen Regierung des Staates durchgeführt. Sie beinhaltet die Anwendung von Gewalt auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates ohne dessen Einwilligung und verletzt daher Pakistans Souveränität.“

Die US-Regierung nutzt Drohnenangriffe nicht nur, um ihre Feinde zu töten, sondern auch um die pakistanische Bevölkerung zu terrorisieren.

Laut einem Bericht von Rechtsexperten der Universitäten Stanford und New York mit dem Titel „Living under Drones“ [Leben unter Drohnen] lebt die Bevölkerung der pakistanischen Grenzgebiete in ständiger Angst vor Drohnenangriffen: „Drohnen fliegen 24 Stunden am Tag über Kommunen im Nordwesten Pakistans und zerstören ohne Vorwarnung Häuser, Fahrzeuge und öffentliche Plätze. Ihre Anwesenheit versetzt Männer, Frauen und Kinder in Angst und Schrecken und führt in der Zivilbevölkerung zu Anspannung und psychologischen Traumata. Die Menschen, die unter Drohnen leben, müssen mit der ständigen Angst leben, dass jeden Moment ein tödlicher Schlag auf sie losgehen kann, und mit dem Wissen, dass sie keine Möglichkeit haben, sich zu schützen.“

Der neueste Drohnenangriff entlarvt auch die bürgerlichen Politiker Pakistans, die vor den Wahlen am 11. Mai die amerikanischen Drohnenangriffe kritisiert hatten. Personen wie Nawaz Sharif von der Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) oder Imran Khan von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) kritisierten die amerikanische Politik ein bisschen, um der allgemeinen Wut auf die Drohnenangriffe Rechnung zu tragen. Aber letzten Endes hat das gesamte pakistanische politische Establishment – auch die wichtigste Kraft in der bürgerlichen Politik, das Militär – den amerikanischen Krieg immer unterstützt.

Sharif wird vermutlich nächste Woche als Premierminister vereidigt, wenn die Koalitionsverhandlungen mit der islamisch-fundamentalistischen Partei Jamiat Ulema-e-Islam-Fazl (JUI-F) abgeschlossen sind.

Der ehemalige Cricket-Star Imram Khan verurteilte die Angriffe auf seiner Twitter-Seite: „Verurteile aufs Schärfste neuen Drohnenangriff in NWA, vor allem kurz vor Vereidigung der neuen Übergangs- und Zentralregierungen.“ Später schrieb er außerdem: „Obama hat versprochen, nicht ohne Rücksprache mit der Regierung Drohnen einzusetzen! Drohnen sind menschenrechtswidrig und verletzen die pakistanische Souveränität! Inakzeptabel.“

Das pakistanische Außenministerium veröffentlichte eine Stellungnahme, in der es Besorgnis über den Drohnenangriff ausdrückte und erklärte, die Regierung habe „stets die Auffassung vertreten, dass Drohnenangriffe konterproduktiv sind, zum Verlust von Zivilisten führen, menschenrechtliche und humanitäre Folgen haben und die Prinzipien der nationalen Souveränität, territorialen Integrität und des Völkerrechtes verletzen.“

Während seines Wahlkampfes hatte Sharif angedeutet, er würde Friedensverhandlungen mit der TTP aufnehmen. Die TTP hatte Bereitschaft angekündigt, mit der pakistanischen Regierung über ein Friedensabkommen zu verhandeln. Dieser Mord am stellvertretenden Oberbefehlshaber der TTP wird vermutlich schwerwiegende Folgen haben und alle Gespräche verhindern.

Sharif hat sich bisher noch nicht über den jüngsten Angriff geäußert.

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