Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Iran verschlechtern sich weiter

Die seit Jahren angespannten Beziehungen zwischen Aserbaidschan und dem Iran verschlechtern sich angesichts der Kriegsvorbereitungen der USA und Israels gegen den Iran immer mehr. Das Regime in Baku ist ein militärischer und wirtschaftspolitischer Schlüsselpartner von Washington und Tel-Aviv und wird immer offener als Bollwerk gegen den Iran und Russland im Kaukasus aufgebaut.

Für eine Verschlechterung der Beziehungen sorgte vor allem der der Besuch des aserbaidschanischen Außenministers Elmar Mammadjarov in Israel vom 21. bis zum 24. April. Es war der erste offizielle Besuch eines aserbaidschanischen Ministers in Israel seit der Gründung des Staates Aserbaidschan vor über zwei Jahrzehnten.

Aufgrund der Kriegsvorbereitungen gegen den Iran, die die USA und Israel seit Jahren mehr oder weniger offen vorantreiben, hatte es Aserbaidschan bisher trotz enger militärischer und wirtschaftlicher Beziehungen zu Israel vermieden, offizielle Gespräche zwischen Regierungsvertretern zu führen.

Mammadjarov traf sich unter anderem mit dem israelischen Präsidenten Shimon Peres, Premierminister Benjamin Netanjahu und dem Verteidigungsminister Moshe Yaalon. Über den Inhalt der Gespräche wurde nichts bekannt gegeben.

Mit dem Besuch signalisierte Aserbaidschan angesichts der Eskalation des Syrien-Konflikts und einer unmittelbar drohenden Militärintervention der NATO-Mächte, die zu einer Konfrontation mit Iran führen könnte, dass es seine Beziehungen zu Israel und den USA militärisch und politisch weiter ausbauen will.

Aserbaidschan könnte bei einem Angriff auf den Iran vom Norden her als Stützpunkt dienen. Das amerikanische und israelische Militär arbeiten seit Jahren am Aufbau der aserbaidschanischen Streitkräfte sowohl zu Wasser als auch auf dem Land. Im Jahr 2012 hat Aserbaidschan Waffen im Wert von 1,6 Mrd. US-Dollar von Israel gekauft. Israelische Firmen sollen zudem die aserbaidschanische Regierung bei der Waffenherstellung beraten. Berichten zufolge soll Aserbaidschan außerdem dem israelischen Militär Stützpunkte auf seinem Territorium zur Verfügung gestellt haben.

Auch die Geheimdienste der drei Länder arbeiten eng zusammen. Eine anonyme Quelle im israelischen Geheimdienstes Mossad erklärte der britischen Zeitung The Times Anfang letzten Jahres, die aserbaidschanische Hauptstadt Baku sei der „ground zero“ für israelische Geheimdiensttätigkeiten gegen den Iran. Die Quelle berichtete auch, das aserbaidschanische Militär sei „bereits vollkommen mit dem israelischen und amerikanischen Systemen abgestimmt“. Der Iran hat Baku wiederholt vorgeworfen, am Geheimdienstkrieg der USA gegen den Iran und der Ermordung iranischer Atomwissenschaftler beteiligt gewesen zu sein.

Aserbaidschan ist schon seit Jahren ein wichtiger Verbündeter der USA im „Krieg gegen den Terror“ und hat unter anderem das nördliche Versorgungsnetz für die US-Truppen in Afghanistan mit ermöglicht.

Rechte Kreise in Aserbaidschan und Politiker in Washington setzen zunehmend auf das Schüren von ethnischen Spannungen, die als Vorwand für eine militärische Intervention dienen könnten. Im Norden des Irans, an der Grenze zu Aserbaidschan, leben bis zu 20 Millionen aserbaidschanisch sprechende Menschen – doppelt so viele wie in Aserbaidschan selbst. Insgesamt sind unterschiedlichen Schätzungen zufolge rund ein Viertel der iranischen Bevölkerung aserbaidschanischen Ursprungs.

Historisch entstand die Teilung der Volksgruppe durch die Eroberung des Territoriums des heutigen Aserbaidschans, das einst zum Persischen Reich gehörte, durch Truppen des russischen Zaren im russisch-persischen Krieg von 1826 bis 1828. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Aserbaidschans sind die ethnischen und nationalen Spannungen zwischen dem Iran und Aserbaidschan wieder aufgeflammt.

Im Sommer letzten Jahres hatte ein Brief des republikanischen Kongressabgeordneten Dan Rohrabacher an US-Außenministerin Hillary Clinton für Aufsehen gesorgt, der sie aufforderte, den Kampf „um die Unabhängigkeit Süd-Aserbaidschans vom Iran und die Möglichkeit einer Vereinigung mit der aserbaidschanischen Republik“ zu unterstützen. Das aserbaidschanische Parlament hatte außerdem die Umbenennung des Landes in „Nord-Aserbaidschan“ diskutiert. Die Regierung in Baku hat sich bisher von solchen Forderungen öffentlich distanziert.

Am 30. März fand in Baku eine Konferenz mit dem Titel „Das Morgen des zeitgenössischen Süd-Aserbaidschan“ statt, die für die „Unabhängigkeit“ der aserbaidschanischen Minderheit im Iran eintrat. Die Konferenz wurde von der Nationalen Befreiungsfront für Süd-Aserbaidschan, einer pan-türkische Organisation von aserbaidschanischen Iranern, organisiert und versammelte ehemalige Regierungsbeamte, Akademiker und Experten. Sprecher auf der Konferenz riefen aserbaidschanisch-stämmige Iraner dazu auf, den Druck des Westens auf Teheran auszunutzen und „einen Staat in der nordwestlichen Provinz aufzubauen, die an Aserbaidschan angrenzt“.

Das iranische Außenministerium bestellte als Antwort auf die Konferenz den aserbaidschanischen Botschafter in Teheran ein und warnte, derartige Provokationen gefährdeten „ernsthaft“ die bilateralen Beziehungen.

Die iranische Zeitung Kayhan, die Ayatollah Chamenei nahe steht, veröffentlichte wenige Tage darauf einen Artikel, der zu einem Referendum in Aserbaidschan über den Beitritt zur iranischen Republik aufrief.

Das iranische Parlament nahm im April die Arbeit an einem Gesetzesentwurf auf, der die Annexion von Aserbaidschan vorsieht. Ein Mitglied der in Aserbaidschan regierenden Neuen Aserbaidschanischen Partei, Sijawusch Nowrusow, erwiderte daraufhin öffentlich, der Vertrag von 1828 lege eigentlich eine Annexion des Nordwesten Irans durch Aserbaidschan nahe.

Auch Teile der herrschenden Eliten in der Türkei, dem wichtigsten NATO-Verbündeten in der Region, unterstützen die Forderung nach der Unabhängigkeit „Süd-Aserbaidschans“ vom Iran.

Aserbaidschaner gehören zu den Turk-Völkern und Türkisch und Aserbaidschanisch sind einander sehr ähnlich. Die Türkei und Aserbaidschan unterhalten enge wirtschaftliche und politische Beziehungen. Im Mai vergangenen Jahres wurde in der Türkei eine „Nacht Süd-Aserbaidschans“ abgehalten, an der zahlreiche Politiker und Intellektuelle teilnahen.

Anfang des Jahres wurde bekannt gegeben, dass der aserbaidschanisch-iranische TV-Sender GünAz TV, der zurzeit von den USA aus sendet, seine Arbeit in der Türkei wiederaufnehmen soll. 2006 war der Sender, der die Unabhängigkeit der im Iran lebenden Aserbaidschaner propagiert, auf Druck Teherans eingestellt worden.

Ein weiterer Konfliktherd sind die Beziehungen des Irans zu Armenien, mit dem sich Aserbaidschan nach dem Krieg um Nagorno-Karabach 1991 bis 1994 formal weiterhin im Kriegszustand befindet. Der Konflikt um Nagorno-Karabach ist bis heute nicht beigelegt und droht erneut aufzuflammen. Der Iran unterhält enge Beziehungen zu Armenien, das dem Regime in Teheran in Umgehung der von der NATO verhängten Sanktionen Lebensmittel und andere Waren liefern soll. Im Falle einer militärischen Eskalation zwischen Armenien und Aserbaidschan würden Iran und Russland höchstwahrscheinlich die armenische Seite unterstützen.

Der Chef des CIA-nahen Think Tanks Stratfor, George Friedman, kritisierte in einem Kommentar vom 11. Juni, dass das Weiße Haus seine Beziehungen zu Aserbaidschan vernachlässige. Er betonte die strategische Bedeutung Aserbaidschans, das „zwischen zwei Mächten gelegen ist, die den USA feindlich gesonnen sind: Russland und dem Iran“. Friedman verwies auch auf die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges. Der Versuch Baku und das dort lagernde Öl in Besitz zu nehmen, hatte eine wichtige Rolle bei Hitlers Kriegsstrategie gegen die Sowjetunion gespielt.

Die Westmächte haben ihre Kriegspolitik und strategischen Allianzen seit dem Beginn der 2000er-Jahre auf den Mittleren Osten konzentriert, bei einer Ausweitung der militärischen Konflikte würde jedoch zweifellos auch der energiereiche Kaukasus eine wichtige Rolle spielen.

Wie Friedman andeutet, richtet sich die militärische Aufrüstung Aserbaidschans durch die USA und Israel nicht nur gegen den Iran, sondern auch gegen Russland. Der Kreml befürchtet außerdem, dass ein militärisches Eingreifen der Westmächte in Syrien und dem Iran den gesamten Kaukasus und Zentralasien destabilisieren wird und dass die vom Imperialismus geschürten ethnischen Konflikte auch auf russisches Territorium übergreifen werden.

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