Ägypten:

Präsident Mursi durch Militärputsch gestürzt

In Ägypten wurde Präsident Mohammed Mursi nach viertägigen landesweiten Protesten gestürzt und das Militär hat die Macht übernommen. Es wird die Wirtschaftsinteressen der herrschenden Elite und die geopolitischen Ziele des amerikanischen Imperialismus verteidigen.

Der Sturz des verhassten Mursi-Regimes hat Jubel ausgelöst. Aber wenn dieser auch einem ehrlichen und tiefen Gefühl entspringt, so ist es doch eine Tatsache, dass Mursis Sturz nicht die Massen an die Macht gebracht hat, sondern das Militär. Die Massen gingen auf der Straße, um vernünftige Arbeitsplätze, eine ausreichende soziale Versorgung und demokratische Rechte zu erstreiten, doch das Militärregime wird nicht eine einzige dieser Forderungen erfüllen.

Das Militär griff hauptsächlich ein, um die wachsende Bewegung der ägyptischen Arbeiterklasse abzuwürgen und zu unterdrücken. Die Koalitionsregierung, die es Mittwochnacht vorstellte, entspricht in keiner Weise den demokratischen Forderungen der Arbeiterklasse. Vielmehr ist die neue Regierung eine unheimliche Koalition aus reaktionären Kräften. Sie besteht aus langjährigen Gefolgsleuten von Hosni Mubarak, diversen islamistischen Politikern und neoliberalen Politikern mit engen Verbindungen zum Internationalen Währungsfonds. Nicht ein Minister hat nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung, und keiner denkt auch nur daran, ein Sozialprogramm für die Bevölkerung zu verwirklichen.

Nachdem das Militär die Fernsehsender der Moslembruderschaft übernommen und Mursi offenbar verhaftet hatte, stellte der Anführer der Militärjunta, General Abdul Fatah Khalil Al-Sisi, einen politischen „Fahrplan“ vor, der unter anderem die sofortige Aussetzung der Verfassung und die Bildung einer „nationalen Technokraten-Regierung“ vorsieht.

Der Begriff „Technokraten“ soll das Bild von politisch neutralen Experten heraufbeschwören, die unparteiisch sind und über den Klasseninteressen stehen. In Wirklichkeit sind diese „Technokraten“ tief in die reaktionären Methoden der internationalen Banken verstrickt.

Der arbeiterfeindliche Charakter der Regierung zeigt sich deutlich an der reaktionären Personenriege, die al-Sisi zur Seite stand, als er am Mittwochabend seinen „Fahrplan“ vorstellte. Darunter befanden sich mehrere Generäle, der koptische Papst Tawadros II., der Groß-Imam von Al-Azhar, Ahmed Al-Tayyeb, und mehrere Oppositionspolitiker, z.B. Mohamed ElBaradei, Führer der Nationalen Heilsfront (NSF) und ehemaliger UN-Funktionär, Yunis Makhioun von der rechtsextremen salafistischen Al-Nur-Partei und Mahmud Badr von der Tamarod („Rebellen“)-Koalition.

Jede dieser Personen wurde bewusst ausgewählt, um den Eindruck von breitem Rückhalt für das neue Regime unter den wichtigsten politischen und religiösen Mächten Ägyptens zu erzeugen.

Das Militär ernannte den Vorsitzenden des Obersten Verfassungsgerichtes, Adly Mansur, zum Präsidenten. Mohamed ElBaradei wurde Premierminister. Es gibt vage Versprechungen auf vorgezogene Neuwahlen.

Mansur hat langjährige Verbindungen zum alten Mubarak-Regime. ElBaradei, der lange Zeit bei den Vereinten Nationen tätig war, hat enge Beziehungen zum wirtschaftlichen und außenpolitischen Establishment in den USA. ElBaradei unterstützt Sparmaßnahmen, die in Gesprächen mit dem IWF ausgehandelt wurden und darauf hinauslaufen, dass die Subventionen auf grundlegende Güter wie Getreide und Benzin gekürzt werden.

Die Tamarod-Koalition spielte eine Schlüsselrolle in den politischen Manövern, die den Militärputsch ermöglichten. Es ist eine völlig pro-kapitalistische Bewegung, die Ende April als Unterschriftenkampagne gegen Mursi begann und sich rasch zum Sammelpunkt für eine ganze Reihe von Oppositionsparteien entwickelte. Zu ihren Unterstützern gehören Anhängern des ehemaligen Mubarak-Regimes, welche die Moslembrüder ablehnen, und liberale, islamistische und pseudolinke Oppositionsgruppen. Im Einzelnen sind dies ElBaradeis NSF, die islamistische Partei für ein starkes Ägypten des ehemaligen Moslembruders Abdel Moneim Aboul Fotouh, die Jugendbewegung des 6. April und die pseudolinken Revolutionären Sozialisten (RS). Die Bewegung hatte auch nichts dagegen, dass General Ahmed Schafik, der letzte Premierminister unter Mubarak, zu ihr stieß.

Obwohl die Vereinigten Staaten Mursi unterstützt hatten, nahm die Obama-Regierung Gespräche mit dem ägyptischen Militär auf, als klar wurde, dass das Regime nicht zu retten sein würde. Das ägyptische Militär führte intensive Gespräche mit dem amerikanischen Generalstabschef General Martin Dempsey, ehe es den Putsch organisierte.

US-Präsident Barack Obama veröffentlichte am Mittwochabend eine Stellungnahme, in der er die Absetzung Mursis begrüßte, aber das Wort „Putsch“ sorgfältig vermied. Er hielt seine Sprache bewusst vage, um das Militär in keiner Weise einzuschränken, und forderte scheinheilig, das Militär müsse „schnell und verantwortungsbewusst handeln, um die Macht schnellstmöglich durch einen umfassenden und transparenten Prozess an eine demokratisch gewählte Zivilregierung zurückzugeben.“

Die Revolutionären Sozialisten – die größte der pseudolinken Gruppen in Ägypten – hat ihre Rhetorik wieder einmal an die politischen Manöver der Bourgeoisie angepasst. Im Februar 2011 unterstützten die RS die Militärjunta, die nach Mubaraks Sturz an die Macht gekommen war. Als sich das Militär im Jahr 2012 wachsendem Widerstand der Bevölkerung gegenübersah, feierten sie Mursis Wahlsieg als Sieg für die Revolution. Jetzt, da die Arbeiterklasse den Kampf gegen Mursi und die Moslembrüder aufgenommen hat, haben sie sich auf die Seite von Putschisten gestellt, welche die Armee und Teile des Mubarak-Regimes an die Macht zurückbringen wollen.

Das einzige konsistente Element der reaktionären Politik der RS ist ihr Widerstand gegen das Entstehen einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiterklasse. Sie sprechen für Teile des oberen Kleinbürgertums und sind lose mit dem bürgerlichen Establishment und seinen imperialistischen Unterstützern verbunden.

Die World Socialist Web Site warnt die Arbeiterklasse vor Illusionen in das Militär. Die Generale werden versuchen, die Politik durchzusetzen, die das Finanzkapital fordert. Letzten Endes ist der Konflikt zwischen dem Militär und der gestürzten Moslembruderschaft ein Kampf zwischen zwei zerstrittenen Fraktionen der herrschenden Klasse. Das Hauptzielobjekt der Unterdrückung, die das Militär vorbereitet, wird die Arbeiterklasse sein. Ihre Protestaktionen könnten unter den neuen Bedingungen rasch als schädlich für die „nationalen Interessen“ und als unrechtmäßig verurteilt werden.

Aus der revolutionären Krise, die Ägypten seit zwei Jahren erschüttert, gibt es keine progressive Lösung außer der Machtübernahme der Arbeiterklasse. Dazu ist es notwendig, die große Masse von städtischen und ländlichen Armen auf der Grundlage eines sozialistischen und antiimperialistischen Programms zu mobilisieren.

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