Praktiker-Pleite: Ein abgekartetes Spiel

Die Baumarktkette Praktiker hat am Donnerstag Insolvenz angemeldet. Sie beschäftigt rund 20.000 Mitarbeiter im In- und Ausland. Hinter dem Insolvenzantrag steckt ein abgekartetes Spiel. Die Investoren bringen ihr Geld in Sicherheit, während die Arbeiter die Zeche zahlen.

Von der Insolvenz sind 168 Märkte der Marke „Praktiker“ und 22 Märkte der Marke „Extra Bau+Hobby“ betroffen, nicht aber die 132 Filialen der Tochter Max Bahr und das internationale Geschäft. Praktiker betreibt unter anderem Baumärkte in Polen, der Ukraine, Ungarn und der Türkei.

Der Praktiker-Konzern, der wegen verlustreicher Rabattaktionen und seinem Image als Billig-Marke seit längerem in der Krise steckte, hatte 2007 den besser laufenden Konkurrenten Max Bahr übernommen. Seither hat er viele rentable Praktiker-Märkte in Bahr-Märkte umgewandelt. Auf diese Weise schuf er die Voraussetzung, um weniger profitträchtige Märkte durch ein Insolvenzverfahren abzustoßen.

„Im Markt ist zu hören, dass hinter der Strategie, Praktiker, aber nicht Max Bahr in die Insolvenz rutschen zu lassen, lediglich der Versuch der Investoren steht, ihren Einsatz zu retten“, berichtet die Zeitung Die Welt. „Die besten Praktiker-Filialen seien bereits unter das Dach von Max Bahr gebracht worden, um sie für die Geldgeber zu sichern.“

Einen „Top-Mann der Baumarktszene“ zitiert die Zeitung mit den Worten: „Es geht ihnen überhaupt nicht darum, den gesamten Praktiker-Konzern zu retten. Ich glaube, dass sie eigentlich noch mehr Filialen rüberziehen wollten. Aber die sinkenden Umsätze wegen des schlechten Wetters ließen das nicht mehr zu.“

Ähnlich schätzt die F.A.Z. das Ende von Praktiker ein. „Es sieht ganz danach aus, als ob manche Großaktionäre über den Umweg als Kreditgeber doch noch Zugriff auf die einzigen Sicherheiten des Unternehmens bekommen – die profitable Tochtergesellschaft Max Bahr. Die Dummen sind die vielen tausend Mitarbeiter“, schreibt die konservative Zeitung.

Die 5.400 Arbeitsplätze in den von der Insolvenz betroffenen Märkten sollen abgewickelt werden. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens können die Baumärkte zwar offen bleiben und einen Sanierungsplan erstellen. Doch Fachleute räumen den betroffenen Märkten kaum Chancen ein.

Der von der Welt zitierte Experte geht davon aus, dass bis zu 80 schließen und ihre Mitarbeiter entlassen werden. Konkurrierende Baumarktketten haben signalisiert, dass sie kein Interesse an einer Übernahme von Praktiker haben und sich höchstens einige Rosinen herauspicken werden.

„Wir werden mit Sicherheit keine Kette übernehmen“, sagte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, zu dessen Konzern der Branchenführer Obi gehört. Obi sei bestenfalls „an einigen guten Standorten interessiert“. Haub sprach von einer notwendigen Marktbereinigung, die sich nicht nur in Deutschland abspiele. „Es gibt kaum ein Land, wo uns nicht Baumarktketten angeboten werden“, sagte er.

Die österreichische Fondsmanagerin und Großaktionärin von Praktiker, Isabella de Krassny, hält zwar eine Rettung des Konzerns für möglich, aber nur unter der Voraussetzung, dass rund 80 defizitäre Filialen geschlossen und neue Finanzmittel in Höhe von mindestens 40 Millionen Euro aufgebracht werden.

Der Unternehmensberater Ernst & Young hatten schon 2005 vor Überkapazitäten im deutschen Baumarktsektor gesprochen und eine Reduzierung der Ladenflächen um 30 Prozent verlangt. Bis 2015 werde es nur noch drei von 15 Baumarkt-Ketten geben, sagte er damals voraus. Die Insolvenz von Praktiker dürfte also nur der Auftakt zu einer weiteren „Bereinigung“ des Baumarktsektors auf dem Rücken der Beschäftigten sein.

Eine maßgebliche Rolle bei den Angriffen auf die Arbeitsplätze und Löhne der Beschäftigten spielt dabei die Gewerkschaft Verdi.

Ende Oktober 2012 hatte Verdi mit Praktiker einen „Sanierungsvertrag“ vereinbart, der die 15.000 Beschäftigten für drei Jahre zum Verzicht auf 5 Prozent ihres Einkommens zwang und dem Konzern Ersparnisse von 52 Millionen Euro bei den Personalausgaben einbrachte. Die Belegschaft erhalte im Gegenzug „weitestgehende Beschäftigungssicherheit“, versprach damals Verdi-Vertreter Rüdiger Wolff. (Siehe: „Verdi stimmt Lohnkürzungen bei Praktiker zu“)

Acht Monate später steht die Belegschaft vor dem Aus, allerdings mit geringerem Anspruch auf Arbeitslosengeld, während die Investoren mit ihrem Lohnverzicht ihre Kredite abgesichert haben. Das hindert Verdi nicht daran, Krokodilstränen zu vergießen – und mit eigenen Vorschlägen zur Sanierung des Konzerns zu Lasten der Belegschaft vorzupreschen.

Es sei bitter, „dass nun in der Folge der Insolvenz viele der Menschen ihren Arbeitsplatz und damit ihre berufliche Existenz verlieren könnten“, sagte Stefanie Nutzenberger, die im Bundesvorstand von Verdi für den Handel zuständig ist.

Im selben Atemzug forderte Nutzenberger eine „Insolvenz in Eigenverantwortung“ statt eines Regelinsolvenzverfahrens. So könnten wirtschaftlich profitable Filialen erhalten bleiben, begründete sie ihren Vorschlag. Dieser deckt sich mit dem der Großaktionärin von Krassny, die ebenfalls profitable Filialen erhalten will, indem sie unrentable stilllegt.

Die Verteidigung aller Arbeitsplätze oder gar eine betriebsübergreifende Mobilisierung der Belegschaft lehnen die Funktionäre in der Verdi-Zentrale kategorisch ab. Sie sehen ihre Aufgabe darin, die Marktbereinigung im Baumarktsektor möglichst reibungslos über die Bühne zu bringen und die Unternehmen bei Entlassungen und Lohnsenkungen zu unterstützen.

Dank der Rolle von Verdi ist der Einzelhandel zu einem Schwerpunkt für niedrige Löhne, prekäre Arbeitsverhältnisse und Massenetlassungen geworden. Bei Schlecker verloren Anfang letzten Jahres rund 30.000 Verkäuferinnen ihre Existenzgrundlage, ohne dass Verdi einen Finger gerührt hätte. Neckermann meldete im Sommer 2012 Insolvenz an, nachdem Verdi vorher mehreren Entlassungsrunden zugestimmt hatte. Und bei Karstadt drohen erneut Massenentlassungen, nachdem der von Verdi als „Retter“ gefeierte Großinvestor Nicolas Berggruen zwar gut verdient, aber keinen Cent investiert hat.

Die Verteidigung von Arbeitsplätzen und sozialen Errungenschaften ist heute nur gegen die Gewerkschaften möglich, die zum wichtigsten Werkzeug der Unternehmer geworden sind. Das gilt für den Einzelhandel ebenso wie für die Autoindustrie und alle anderen Wirtschaftszweige. Um die Rechte und sozialen Errungenschaften der Arbeiter zu verteidigen ist eine sozialistische Perspektive erforderlich, die das Grundrecht auf einen Arbeitsplatz und ein vernünftiges Einkommen über die Profitansprüche der Kapitalbesitzer stellt.

Wir laden alle Betroffenen und Interessierten ein, mit der Partei für Soziale Gleichheit Kontakt aufzunehmen. Sie tritt auf der Grundlage eines sozialistischen Programms zur Bundestagswahl an.

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