Opel Bochum: Der Kampf gegen die Werksschließung erfordert eine internationale sozialistische Perspektive

 

Dietmar Gaisenkersting

Die rund 3.300 Opel-Arbeiter in Bochum machen zur Zeit politische Erfahrungen, die für die ganze Arbeiterklasse von großer Bedeutung sind: Um die Arbeitsplätze zu verteidigen, ist es notwendig gegen die Gewerkschaften Sturm zu laufen, mit SPD und Linkspartei zu brechen und eine neue revolutionäre Partei aufzubauen.

In Bochum wird gegenwärtig ein Exempel statuiert. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird ein ganzes Autowerk in Deutschland stillgelegt. Die internationale Konzernleitung von General Motors in Detroit und die Opel-Geschäftsleitung in Rüsselsheim arbeiten dabei aufs engste mit der IG Metall und den Betriebsräten zusammen. Die konkrete Vorgehensweise wurde in der IG Metall-Zentrale in Frankfurt ausgearbeitet.

Vor gut einem Jahr stellte IGM-Chef Berthold Huber gemeinsam mit dem Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Dr. Wolfgang Schäfer-Klug den so genannten „Deutschlandplan“ vor. In diesem gewerkschaftseigenen Sanierungskonzept für Opel hieß es, es müsse alles getan werden, um eine „Stärkung der Marke Opel“ zu erreichen. Der Deutschlandplan der IG Metall beinhaltete umfassende Rationalisierungsmaßnahmen einschließlich Arbeitsplatzabbau, Sozialkürzungen und Lohnsenkungen.

Die Konzernleitung begrüßte diese Initiative, verlangte aber noch weitere Kürzungen und die Schließung eines Produktionsstandortes. Die Auswahl wurde wieder eng mit der Gewerkschaft beraten. Die IGM-Führung schlug Bochum vor. Die kämpferische Belegschaft in der Ruhr-Metropole, die in der Vergangenheit mehrfach Streikmaßnahmen gegen den Willen der Gewerkschaft durchgeführt hatte, war ihr seit langem ein Dorn im Auge. Mit der Werksschließung in Bochum soll den Autoarbeitern das Rückgrat gebrochen werden, um dann massive Kürzungen und Arbeitsplatzabbau in allen anderen Werken, auch in der Zulieferindustrie und darüber hinaus durchzusetzen.

Nachdem die Entscheidung über die Werksschließung gefallen war, organisierte die IG Metall eine systematische Isolation der Opel-Arbeiter in Bochum. Dazu diente der so genannte „Mastertarifvertrag“. Den Opel-Beschäftigten der anderen Standorte wurden vage Versprechungen über mögliche künftige Investitionen gemacht, um sie zur Zustimmung eines Tarifvertrages zu bewegen, in dessen Mittelpunkt die Schließung des Bochumer Werkes stand.

Als die Bochumer Arbeiter ihre Zustimmung verweigerten, wurden sie von den IG Metall-Funktionären und Betriebsräten der anderen Standorte heftig beschimpft und attackiert. Als Strafmaßnahme wurde die Stilllegung bereits auf kommendes Jahr vorgezogen.

Eine besonders üble Rolle in diesem abgekarteten Spiel spielt der Bochumer Betriebsrat und sein Vorsitzender Rainer Einenkel. Er täuschte Kampfbereitschaft vor, vertröstete die Arbeiter, attackierte diejenigen, die kämpfen wollen, als Hitzköpfe, die die Sozialplanverhandlungen gefährden und unterdrückte jeden ernsthaften Widerstand. Hinter Einenkel steht die Linkspartei, deren Mitglied er ist, und die SPD, die das Vorgehen der Gewerkschaft unterstützt.

Die Opel-Arbeiter in Bochum sind mit einer regelrechten Verschwörung aus Konzernleitung, Gewerkschaft und Betriebsrat konfrontiert, die von allen Parteien unterstützt wird. Um dagegen anzukämpfen, ist eine politische Perspektive notwendig, die sich der kapitalistischen Logik widersetzt und eine internationale sozialistische Orientierung verfolgt.

Darin besteht die Bedeutung des Wahlkampfs der Partei für Soziale Gleichheit. Als Kandidat der PSG wende ich mich direkt an alle Opel-Arbeiter, aber auch alle anderen Arbeiter und Jugendlichen, die nicht bereit sind, die Vernichtung der Arbeitsplätze und Existenzgrundlage vieler tausend Familien und die damit verbundene Zerstörung der Gesellschaft kampflos hinzunehmen.

Die Ereignisse bei Opel in Bochum müssen in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang verstanden werden. Das demoralisierende Geschwätz des Betriebsrats, man könne angesichts der internationalen Wirtschaftskrise und ihrer Auswirkungen auf die Autoindustrie nichts machen, außer in Sozialplanverhandlungen um Almosen betteln, weise ich entschieden zurück.

Die Opel-Arbeiter sind nicht alleine. Im Gegenteil! Überall auf der Welt stehen Millionen Arbeiter vor denselben Problemen. Die Schließung des Bochumer Opelwerks ist Bestandteil einer sozialen Konterrevolution, die gegenwärtig in Europa und weltweit durchgesetzt wird. Die herrschende Finanzaristokratie und die Bundesregierung nutzen die internationale Wirtschaftskrise, um alle Sozialstandards, die sie in den Nachkriegsjahrzehnten aufgrund der Existenz der Sowjetunion und der Systemkonkurrenz zugestehen mussten, rückgängig zu machen.

Wer wissen will, wohin die Reise geht, soll nach Detroit blicken. In der ehemals blühenden „Auto-Hauptstadt der Welt“ zeigt sich der Niedergang und das Scheitern des Kapitalismus in vollem Umfang. Der von niemandem gewählte Finanzdirektor der Stadt stellte vor wenigen Tagen Insolvenzantrag, um die Milliardenschulden der Stadt gegenüber den großen Banken und Spekulanten abzusichern. Das Insolvenzrecht wird dem Sozialrecht übergeordnet. Tarifverträge werden damit außer Kraft gesetzt, Rentenansprüche und Krankenversorgung reduziert oder ganz in Frage gestellt. Die öffentliche Daseinsvorsorge, von der Straßenbeleuchtung, über die Wasseraufbereitung, Kanalisation, Energieversorgung, der öffentliche Nahverkehr, bis hin zum Detroiter Zoo werden privatisiert. Die weltberühmte Kunstsammlung des Detroit Institute of Arts wird verkauft.

Der historische Niedergang der US-Autostadt ist eng mit der Verwandlung der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) verbunden. Seit mehr als drei Jahrzehnten unterdrückt die Auto-Gewerkschaft jeden Kampf der Arbeiter. Sie schuf damit die Voraussetzungen für eine systematische Deindustrialisierung der Stadt und ebnete Spekulanten den Weg, die kommunalen Dienste auszuplündern und in den Ruin zu treiben. In Bezug auf General Motors arbeitete die UAW eng mit der Konzernleitung und der Regierung zusammen, um die Löhne um die Hälfte zu senken und die Sozialleistungen massiv abzubauen.

Auch in Bochum ist die Verwandlung der IG Metall mit Händen zu greifen. Wie überall reagiert die Gewerkschaft auf die internationale Wirtschaftskrise, in dem sie sich in eine Agentur zur Beratung der Konzerne und der Regierung verwandelt. Die IG Metall hat nie Medienberichten widersprochen, die aufgedeckt haben, dass sie jährlich 460 Millionen Euro von ihren Mitgliedern kassiert und über ein geschätztes Vermögen von zwei Milliarden Euro verfügt. Dieses Kapital investiert sie zunehmend in Aktienanteilen von Unternehmen und verwandelt sich selbst in ein profitorientiertes Unternehmen.

Etwa 1.700 IG-Metall-Vertreter sitzen in den Aufsichtsräten von Konzernen, wo sie fürstlich entlohnt werden und mit dem Management verschmelzen. Um ihre privilegierte Stellung in der Gesellschaft zu verteidigen, treten die Gewerkschaftsfunktionäre der Arbeiterklasse mit unverhohlener Feindschaft entgegen. Sie spielen die Beschäftigten der verschiedenen Standorte gegeneinander aus und nutzen ihren betrieblichen Apparat, um jeden Widerstand im Keim zu unterdrücken.

In Bochum wie in Detroit und vielen anderen Städten zeigt sich, dass die Verteidigung der Arbeitsplätze eine Rebellion gegen die Gewerkschaften erfordert. Doch das macht einen politischen Kampf gegen die SPD und die Linkspartei notwendig, die das kapitalistische Profitsystem und das Spardiktat der Europäischen Union verteidigen.

Der Kahlschlag in der Autoindustrie ist untrennbar mit den radikalen Kürzungsprogrammen der EU verbunden, die die Lebensgrundlage der arbeitenden Bevölkerung in Griechenland, Spanien, Portugal und zahlreichen anderen Ländern zerstören. Die Arbeitseinkommen werden gesenkt, die Sozialleistungen zerstört und ein riesiges Heer von Arbeitslosen geschaffen, während die Aktienkurse steigen, die Vermögen der Superreichen anschwellen und die Managergehälter explodieren.

Große Teile der Bevölkerung können sich wegen der Sparmaßnahmen kein Auto mehr leisten; in Spanien ist die Zahl der Neuzulassungen deshalb innerhalb eines Jahres um 37 Prozent, in Italien um 26 Prozent und in Frankreich um 18 Prozent eingebrochen.

Unter diesen Umständen können Arbeitsplätze und Löhne in der Autoindustrie nur im Rahmen eines sozialistischen Programms verteidigt werden, das sich die Abschaffung des kapitalistischen Systems zum Ziel setzt.

Die PSG ruft alle Arbeiter auf, gegen die Werksschließung in Bochum zu kämpfen und einen Besetzungsstreik vorzubereiten. Die Verteidigung der Arbeitsplätze darf nicht von der Wettbewerbsfähigkeit des betroffenen Standorts oder von der Kassenlage des Konzerns abhängig gemacht werden. Ein gut bezahlter Arbeitsplatz ist ein unveräußerliches Grundrecht und muss unter allen Umständen verteidigt werden.

Die Autokonzerne müssen – ebenso wie andere Großkonzerne, Banken und große Vermögen – enteignet, in gesellschaftliches Eigentum überführt und demokratisch kontrolliert werden. Auf dieser Grundlage kann das gesamte Wirtschaftsleben neu organisiert werden, so dass es den Bedürfnissen der Arbeitenden und der Gesellschaft als Ganzer dient, und nicht den Profitansprüchen von Milliardären, Bankern und sonstigen Spekulanten. Die Verteidigung aller Werke und Arbeitsplätze ist eine Voraussetzung dafür.

In der Wahlerklärung der Partei für Soziale Gleichheit heißt es dazu: „Der Kapitalismus lässt sich nicht reformieren. Alle Bemühungen, die Krise zu überwinden und die drängenden sozialen Probleme anzupacken, scheitern am Privateigentum an den Produktionsmitteln, der Krise des Nationalstaatensystems, der Anarchie des kapitalistischen Marktes, den ökonomischen Erfordernissen des Profitsystems und nicht zuletzt an der unstillbaren Habgier der herrschenden Klasse. Ohne die Macht der Finanzoligarchie zu brechen, kann kein einziges gesellschaftliches Problem gelöst werden. Ein sozialistisches Programm kann nicht mithilfe der bestehenden Institutionen, Regierungen und Parteien verwirklicht werden.“

Es ist notwendig, den Kampf bei Opel in Bochum als ersten Schritt für eine Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die gesamte kapitalistische Politik aller Bundestagsparteien, der Gewerkschaften und der Betriebsräte zu sehen und ihn dementsprechend zu organisieren.

Die PSG tritt für den Aufbau von Aktionskomitees in den Betrieben und Wohnvierteln ein, die den Widerstand gegen Betriebsschließungen, Entlassungen und Sozialabbau organisieren und enge Beziehungen zu Arbeitern in anderen Städten und Ländern aufbauen.

Die wichtigste Vorbereitung auf die unvermeidlich kommenden Klassenkämpfe ist der Aufbau der Partei für Soziale Gleichheit. 

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