Die Linke versichert der herrschenden Klasse ihre Verlässlichkeit

Die Partei Die Linke konzentriert ihren Bundestagswahlkampf darauf, der herrschenden Klasse ihre Verlässlichkeit und Unverzichtbarkeit für die nächste Runde sozialer Angriffe zu beweisen. Führende Mitglieder der Partei haben in den letzten Tagen die SPD mit Angeboten überhäuft, sich an einer Bundesregierung unter dem SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück zu beteiligen.

Die Parteivorsitzende Katja Kipping sagte der Münchener Abendzeitung: „Die SPD muss sich entscheiden, ob sie einen Politikwechsel will oder am Ende wieder dafür sorgt, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt.“ Sie und ihr Mit-Vorsitzender Bernd Riexinger hätten „von Anfang an signalisiert: Wir haben Interesse an Gesprächen über eine Linksregierung“.

Kipping nannte einige schwammige Minimalforderungen, wie die Einführung eines Mindestlohns, mit denen die Linkspartei in Regierungsverhandlungen treten wolle, und betonte: „Das sind alles keine Utopien. Wir haben nicht gesagt, wir fordern die Abschaffung des Kapitalismus.“

Der Spitzenkandidat der Linken, Gregor Gysi, wurde noch deutlicher. Es gebe „große inhaltliche Schnittmengen“ zwischen Linkspartei und SPD, sagte er der Bild am Sonntag. „Ihr Wahlprogramm kann die SPD mit uns am besten umsetzen.“ „Ohne uns wird die SPD nie den Kanzler stellen“, versicherte er dem Springer-Blatt. „An uns scheitern die Gespräche nicht.“

Niemand, der die deutsche Politik während der letzten 15 Jahre verfolgt hat, kann die Bedeutung dieser Worte missverstehen: Die Linkspartei stellt der SPD und den Grünen einen Blankoscheck zur Unterstützung ihrer rechten Politik aus.

Die SPD und die Grünen haben seit der Regierungsübernahme von Gerhard Schröder und Joschka Fischer vor 15 Jahren die führende Rolle beim Abbau von sozialen Errungenschaften und Arbeiterrechten, der Aufrüstung des Staatsapparats und der Beteiligung Deutschlands an Kriegen gespielt. SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück war als Finanzminister der ersten Regierung Merkel (2005-2009) für die hunderte Milliarden schweren Geldgeschenke an marode Banken verantwortlich, die nun durch drastische Sozialkürzungen wieder eingespart werden.

Die Regierung Merkel konnte sich in den letzten vier Jahren auf den riesigen Niedriglohnsektor und die sinkenden Sozialausgaben stützen, die SPD und Grüne beschlossen hatten. Gleichzeitig wälzte sie die Folgen der Eurokrise mit brutaler Rücksichtslosigkeit auf die Bevölkerung Griechenlands, Spaniens, Portugals und anderer süd- und osteuropäischer Länder ab – mit voller Unterstützung der SPD und der Grünen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass nach der Bundestagswahl wegen der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise eine weitere Runde sozialer Angriffe auf der Tagesordnung steht – und zwar völlig unabhängig davon, ob Merkel, Steinbrück oder jemand anderes die Regierung führt. Dafür bietet die Linkspartei der herrschenden Klasse ihre Unterstützung an.

Die minimalen Bedingungen, die sie dabei stellt und überall plakatiert – Mindestlohn, Mindestrente, Reichensteuer, keine Kriegseinsätze –, sind nichts weiter als durchsichtige Feigenblätter, die diese arbeiterfeindliche Politik abdecken. Überall wo die Linke oder ihre Vorgängerin PDS in Landesregierungen saßen – in Sachsen-Anhalt, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und derzeit in Brandenburg – tat und tut sie das Gegenteil.

Das Land Berlin, das die Linke von 2002 bis 2011 gemeinsam mit der SPD regierte, spielte eine bundesweite Vorreiterrolle beim Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen im öffentlichen Dienst und der Kürzung von Sozialausgaben. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk darauf angesprochen, nannte es Gysi mit dem ihm eigenen Zynismus „eine Gemeinheit“, dass die Linke immer dort stark gewählt werde, wo Armut herrsche. „Ich würde auch gerne mal ein reiches Land regieren“, sagte er.

Die Linke hat deutlich gemacht, dass sie sich im Bund nicht auf die Tolerierung einer rot-grünen Regierung beschränken will, wie sie dies zum Beispiel von 2010 bis 2012 in Nordrhein-Westfalen getan hat, sondern selbst Ministersessel fordert. „Entweder ist man in der Regierung oder in der Opposition“, sagte Gysi dem ZDF. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung will der Parteivorstand am 17./18. August einen formellen Beschluss fassen, der ein Tolerierungsmodell auf Bundesebene ausschließt und eine Regierungsbeteiligung befürwortet.

In Bild am Sonntag brachte sich Gysi sogar als zukünftiger deutscher Außenminister ins Gespräch. Dass dieser Wunsch unmittelbar nach der Bundestagswahl in Erfüllung geht, glaubt er zwar selber nicht, da sich die SPD zu deutlich gegen eine Regierungskoalition mit der Linken ausgesprochen hat, um unmittelbar nach der Wahl eine Kehrtwende zu vollziehen. Für die Zukunft schließt Gysi aber nichts aus.

Von Bedeutung ist vor allem der politische Inhalt von Gysis Vorschlag. Er erinnert an die Ernennung des Grünen Joschka Fischer zum Außenminister vor 15 Jahren. Damals hatte es kaum jemand für möglich gehalten, dass der ehemalige Straßenkämpfer, Schulabbrecher und Taxifahrer mit dem prestigeträchtigen Ministeramt betraut würde, das bisher bewährten und sorgfältig ausgebildeten Vertrauensmännern der herrschenden Elite vorbehalten war.

Fischers Ernennung symbolisierte die vollständige Integration der 68er Protestgeneration in den bürgerlichen Staat und die endgültige Verwandlung der Grünen in eine rechte, imperialistische Partei. Fischers Amtsübernahme war direkt mit der Zustimmung der Grünen zum ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr, der Bombardierung Serbiens durch die Nato, verbunden. Ein weiteres Gründungsmitglied der Grünen, der zur SPD gewechselte Otto Schily, war für die massivste Staatsaufrüstung seit Gründung der Bundesrepublik verantwortlich.

Indem sich Gysi für das Amt des Außenministers ins Gespräch bringt, signalisiert er, dass die Linke zu einer ähnlichen Rolle bereit ist, wie sie damals die Grünen spielten – allerdings unter den Bedingungen einer weit schärferen internationalen Wirtschaftskrise und heftiger sozialer und internationaler Spannungen.

Die führenden Vertreter der Linken sind sich bewusst, dass die kommende Zeit von scharfen Klassenauseinandersetzungen geprägt sein wird. So schrieb Manfred Sohn, Landesvorsitzender der Linken in Niedersachsen, kürzlich im Parteiorgan Neues Deutschland: „Nicht nur einzelne Symptome, sondern auch eine genauere Untersuchung zeigt, dass dieses System in den vor uns liegenden Jahrzehnten auf seine innere Schranke aufläuft, an der es zerbricht.“ Er zitiert den einstigen Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Jürgen Stark, mit den Worten: „Ich glaube, die Krise wird sich im Spätherbst zuspitzen. Wir werden in eine neue Phase der Krisenbewältigung eintreten.“

In dieser „neuen Phase der Krisenbewältigung“ ist die Linke nicht nur bereit, die von der SPD angestrebte Agenda 2020 zu unterstützen. Sie bietet sich auch an, Widerstand dagegen gewaltsam zu unterdrücken und Kriege im Interesse des deutschen Imperialismus zu führen.

Die Linke bereitet sich auf eine – im wörtlichen Sinne des Wortes – konterrevolutionäre Rolle vor. Sie selbst spricht das auf dem ersten großflächigen Wahlplakat aus, das sie bundesweit klebt. „Revolution?“ prangt dort dem Leser in riesigen Lettern entgegen. Und darunter steht kleiner aber unmissverständlich: „Nein“.

Ohne eine gesellschaftliche Umwälzung, an der sich Millionen von Arbeitern beteiligen, um die Kontrolle einer kleinen Finanzelite über das gesellschaftliche Lebens zu durchbrechen, kann heute nicht ein einziges gesellschaftliches Problem gelöst werden. Die Linke lehnt eine solche Umwälzung kategorisch ab und wird alles tun, um sie zu unterdrücken – das ist die zentrale Aussage ihres Wahlplakats.

Sie erinnert an das Bekenntnis des SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert: „Ich hasse die Revolution wie die Sünde.“ Als Reichskanzler schlug Ebert die Aufstände der Arbeiter, die sich nach den Verbrechen des Ersten Weltkriegs gegen den Kapitalismus erhoben, zusammen mit seinem Parteifreund Gustav Noske blutig nieder.

Die einzige Partei, die mit einem sozialistischen Programm zur Bundestagswahl antritt, das die Arbeiterklasse in die Lage versetzt, gegen den Kapitalismus zu kämpfen, ist die Partei für Soziale Gleichheit. Sie sagt der Linken und den zahlreichen pseudolinken Gruppen, die sich in ihrem Umkreis und ihren Reihen tummeln, einen unversöhnlichen politischen Kampf an.

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