Opel Bochum: Schließung schon im Sommer 2014?

Die Opel-Arbeiter in Bochum befürchten, dass der General-Motors-Konzern das Werk noch schneller schließt, als bislang angekündigt. Im Werk zirkuliert das Gerücht, die Dauernachtschicht werde schon im März 2014 gestrichen.

Nach Ansicht von Arbeitern, die mit der WSWS sprachen, könnte dies der Anfang von einem schnellen Ende sein. „Ein bis zwei Monate später wird der Wechselschichtbetrieb auf Einschichtbetrieb umgestellt, dann kann schon im Sommer Schluss sein.“

Da die Opel-Beschäftigten derzeit mehr Autos produzieren, als abgesetzt werden, ist die Sorge über eine Schließung lange vor Ende des kommenden Jahres, womöglich schon mit Beginn der Werksferien im nächsten Sommer, nicht unbegründet.

Niemand weiß, wer die Gerüchte über die vorzeitige Schließung streut. Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel erklärt auf seiner Website, Verursacher sei „eindeutig die Geschäftsleitung, die übrigens bereits ab Juni 2013 die Nachtschicht in Bochum streichen wollte“.

Einenkel fordert die Belegschaft auf, dies zum Thema auf der Belegschaftsversammlung am kommenden Montag zu machen. „Wichtig ist, dass die Kolleginnen und Kollegen die Geschäftsleitung auffordern, Rede und Antwort zu stehen und nicht durch ständige Gerüchte die Belegschaft verunsichern.“ Die Bochumer Geschäftsleitung sei verpflichtet, „die Belegschaft über ihre Pläne zu informieren“.

Es mag sein, dass die Geschäftsführung gezielt versucht, die Arbeiter mit ständigen Gerüchten über eine vorzeitige Schließung einzuschüchtern. Aber wesentlicher ist, dass sowohl die Gewerkschaft IG Metall und der Gesamtbetriebsrat von Opel als auch der Bochumer Betriebsrat diese Einschüchterungskampagne unterstützen.

Während die IG Metall die Schließungspläne für das Bochumer Opel-Werk mit der Opel-Geschäftsführung und der GM-Zentrale ausgearbeitet hat, sabotiert und unterdrückt der Bochumer Betriebsrat unter Rainer Einenkel jede Aktion dagegen. Als die Bochumer Belegschaft im März den sogenannten Master-Tarifvertrag ablehnte, weil er Massenentlassungen, weitere Lohnsenkungen und die endgültige Schließung der Produktion im Jahr 2016 beinhaltete, wurde sie von der IGM beschimpft und von Einenkel isoliert und ruhig gehalten.

Allen, die für Streiks und Demonstrationen zur Verteidigung des Werks eintraten, warf der Bochumer Betriebsratschef Aktionismus und „Wahnsinn“ vor. Selbst vertröstete er die Belegschaft von Monat zu Monat auf die von ihm favorisierten Verhandlungen mit der Werks- und Konzernleitung.

Eine aktuelle Stellungnahme vom 4. September auf der Website der Betriebsgruppe Einenkels gesteht nun ein, dass es bislang noch gar nicht zu Verhandlungen gekommen ist. „Der Bochumer Betriebsrat hat bisher alle Möglichkeiten genutzt, um auf dem Verhandlungsweg für die Bochumer Belegschaft, das Werk Bochum und die Marke Opel zu klugen und belastbaren Lösungen zu kommen“, schreibt Einenkel devot, um zu erklären: „Das wurde bisher verweigert.“ Einenkels Schlussfolgerung: „Trotzdem wollen wir daran festhalten.“

Welch eine Bankrotterklärung! Der Betriebsratsvorsitzende predigt den rund 3.300 Beschäftigten seit Monaten, in der Sorge um ihre Arbeitsplätze, die die Lebensgrundlage ihrer Familien darstellen, auf sein Verhandlungsgeschick zu vertrauen. Dann gesteht er ein, dass der Konzern überhaupt nicht verhandelt. In Wirklichkeit stellt Opel Ultimaten über die Abwicklung des Werks. Und Einenkel hat nichts Besseres zu tun, als sich noch tiefer in den Staub zu werfen.

Diese Politik ermutigt Opel und GM, immer heftiger gegen die Bochumer Belegschaft vorzugehen. Als die Arbeiter im März den Master-Tarifvertrag ablehnten, teilte Opel-Vorstandschef Karl-Thomas Neumann mit, nun werde das Werk schon Ende 2014 geschlossen. Die eigentlich bis 2016 geplante Produktion des Modells Zafira werde ins Stammwerk nach Rüsselsheim verlagert. Inzwischen ist bekannt geworden, dass die IG Metall und der Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug diese Produktionsverlagerung schon lange vorher vereinbart hatten.

Bestandteil der Ablenkungsmanöver, mit denen Einenkel die Verteidigung der Arbeitsplätze sabotiert, ist der Gang vor die Gerichte. Vor den Werksferien Ende Juli reichte der Bochumer Betriebsrat beim Landgericht Darmstadt Klage gegen den Beschluss des Aufsichtsrates vom 17. April ein, die Zafira-Produktion nach Rüsselsheim zu verlagern. Einenkel begründete die Klage damit, dass der „gesamte Aufsichtsrat nicht korrekt informiert“ worden sei. Das Gericht wird erst am 5. Dezember über die Klage verhandeln.

Die Opel-Geschäftsleitung sieht dem Prozess derweil gelassen entgegen. Der Aufsichtsrat habe seine Entscheidung „im Einklang mit allen geltenden Regeln getroffen“, teilte ein Konzernsprecher in Rüsselsheim der Presse mit.

Zudem, so Rechtsexperten, könne der Beschluss des Aufsichtsrats, falls die Richter doch etwas zu bemängeln hätten, auch wiederholt werden. Offiziell abgelehnt wird die Produktionsverlagerung nämlich nur von Einenkel. Selbst wenn er daran festhalten sollte, unterstützen die im Aufsichtsrat sitzenden IGM-Vertreter sowie die Betriebsratsvorsitzenden aller anderen Standorte den Beschluss.

Eine Klage gegen die angekündigte vorzeitige Schließung des Getriebewerks (Werk II) schon in diesem Monat anstatt Ende des Jahres hat Einenkel auf Anweisung der IG Metall wieder zurückgezogen. Er will nun auf „Verhandlungen“ setzen. Etwa 270 Beschäftigte bauen in dem Werk Getriebe für die Modelle Corsa und Meriva. Opel begründete die um drei Monate vorgezogene Schließung damit, dass bereits eine ausreichende Anzahl von Getrieben produziert worden sei, um die europäischen Opel-Fabriken bis Jahresende versorgen zu können. Der Absatz sei zurückgegangen.

Gewerkschaft, Gesamtbetriebsrat und der Bochumer Betriebsrat sind – allen verbalen Auseinandersetzungen zum Trotz – Partner mit sich gegenseitig ergänzenden Rollen in einem abgekarteten Spiel. Die Opel- und GM-Spitzen wissen, dass sie sich auf die Gewerkschaft und die Betriebsräte verlassen können, wenn sie die Belegschaft im Interesse der Konzernprofite angreifen.

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