Siemens verschärft Arbeitsplatzabbau

Ende September kündigte Siemenschef Joe Kaeser an, dass der Konzern weltweit 15.000 Stellen abbaut, davon 5.000 in Deutschland. Siemens beschäftigt derzeit weltweit knapp 370.000 Menschen, 119.000 davon in Deutschland.

Vom Abbau der 5.000 Arbeitsplätze in Deutschland ist der Sektor Industrie mit 2.000 am stärksten betroffen. In den Sektoren Energie sowie Infrastructure & Cities, zu der auch die Bahnsparte gehört, sollen jeweils 1.400 Arbeitsplätze wegfallen. Weitere 200 Stellen werden in den sogenannten zentralen Einheiten gestrichen.

In Nordrhein-Westfalen, wo 20.000 der knapp 120.000 deutschen Siemens-Beschäftigten arbeiten, sollen laut einem Bericht der Rheinischen Post bis zu 800 Arbeitsplätze wegfallen.

Im Siemens-Werk Krefeld-Uerdingen, wo unter anderem ICE-Züge gefertigt werden, sollen 221 Stellen gestrichen werden. Das sind zehn Prozent der bisherigen Arbeitsplätze. Darüber hinaus sollen in Krefeld-Uerdingen im Rahmen des Sparprogramms „Rail on track“ 96 Stellen im Bereich Forschung und Entwicklung abgebaut werden; betroffen sind vor allem Ingenieure.

Dieser Abbau erfolgt, obwohl Siemens derzeit aufgrund von Software- und Zulassungsproblemen ICE-Züge an die Deutsche Bahn mit großer Verspätung ausliefert. Alleine dafür musste der Konzern 260 Millionen Euro Rückstellungen treffen.

Dieses Geld soll nun offenbar wieder reingeholt werden, indem Beschäftigte entlassen und der Arbeitsdruck auf die verbleibenden entsprechend erhöht wird. Die Probleme bei der Software und in anderen, auch sicherheitsrelevanten Bereichen werden dadurch eher noch zunehmen, da die nötigen Kapazitäten und die Zeit für die Entwicklung und Prüfung der Systeme nicht mehr zur Verfügung stehen.

Insgesamt werden in der Bahn-Sparte 700 von insgesamt 6.000 Stellen abgebaut. Nach Recherchen der Zeitung Die Welt sind am Standort Erlangen 340 der etwa 3.000 Stellen vom Abbau betroffen. Sowohl in Erlangen wie in Krefeld-Uerdingen erklärten die zuständigen Betriebsräte, der entsprechende Stellenabbau, der über Abfindungsverträge, Altersteilzeit und Umsetzungen erfolgen soll, sei bereits „endverhandelt“. IG Metall und Betriebsrat haben also bereits zugestimmt.

Als Siemens-Chef Joe Kaeser den Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen ankündigte, behaupteten IG Metall und Betriebsrat, sie seien überrascht und maßlos verärgert“. Tatsächlich waren sie längst informiert und in die Planung des Personalabbaus und dessen Umsetzung vor Ort eingebunden.

Am Tag nach Kaesers Ankündigung warf Betriebsratschef Lothar Adler Siemens „Panikmache“ vor. In Wirklichkeit handle es sich um das Programm „Siemens 2014“, das schon seit 2012 laufe. Die Meldung über den Abbau von 15.000 Stellen habe „mehr Unklarheit als Klarheit geschaffen“, so Adler, „weil der Eindruck erweckt wurde, hier handele es sich um ein neues und dramatisches Abbauprogramm. Das hat zehntausende Siemensianer verunsichert.“

Die Hälfte der 5.000 Stellen in Deutschland sollen bereits im soeben abgelaufenen Geschäftsjahr 2012/2013 fast geräuschlos, d.h. mit Zustimmung der Arbeitnehmervertreter, abgebaut worden sein. Für die andere Hälfte der Stellen sind laut einem Konzernsprecher die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern vor Ort in vollem Gange und stehen teilweise kurz vor dem Abschluss.

Konkrete Zahlen über die Anzahl der betroffenen Arbeitsplätze waren allerdings bis vor kurzem nicht genannt worden. Auch das dürfte auf das Drängen von IG Metall und Siemens-Betriebsrat zurückzuführen sein, die „Unruhe“ in der Belegschaft um jeden Preis vermeiden wollten. Darin sehen sie auch jetzt wieder ihre Aufgabe.

Die von Kaeser genannte Zahl von 15.000 Arbeitsplätzen bedeutet aber auf jeden Fall eine Verschärfung der bisherigen Abbaupläne. Bisherige Schätzungen für das Sparprogramm „Siemens 2014“ waren vom Abbau von etwa 10.000 Stellen ausgegangen.

Es gibt außerdem Hinweise, dass es bei den 15.000 nicht bleiben wird. So schrieb die Rheinische Post am 1. Oktober, der Konzern habe die Zahl von 15.000 Stellen bekannt gegeben, um einem Bericht von Analysten der Bank JP Morgan entgegenzutreten, in dem von bis zu 30.000 Stellen die Rede war.

Die Welt berichtete am 3. und 4. Oktober über die Erwartungen der Finanzmärkte, die von einem Renditeziel von mindestens 12 Prozent ausgehen, an dem Kaesers Vorgänger Peter Löscher gescheitert war. Der Abstand von Siemens zu den Wettbewerbern General Electric und ABB sei nicht akzeptabel. Analysten von J.P. Morgan sähen das Problem darin, dass Siemens Aufträge hereinhole, um die Auslastung und damit Arbeitsplätze zu sichern, obwohl diese Aufträge das Renditeziel nicht erfüllen.

Die Beschäftigten von Siemens müssen mit weiteren Angriffen auf ihre Arbeitsplätze und sozialen Errungenschaften rechnen. IG Metall und des Betriebsrat stehen dabei auf der Seite des Unternehmens. Als Co-Manager übernehmen sie die Verantwortung, die Abbaupläne (in ihren eigenen Worten) möglichst „geräuschlos“ durchzusetzen. Von ihrer Seite ist kein Widerstand gegen die Abbaupläne zu erwarten. Sie sorgen sich lediglich darum, dass ihre eigene Stellung und die damit verbundenen Privilegien abgesichert werden.

Wenn stimmt, was die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 18. September 2013 berichtet, so haben die IG Metall-Vertreter im Siemens-Aufsichtsrat, darunter IG Metall-Chef Berthold Huber, ihre Zustimmung zur Ablösung von Siemens-Vorstandschef Peter Löscher durch Joe Kaeser davon abhängig gemacht, dass auch die bisherige Arbeitsdirektorin Brigitte Ederer gehen muss, was inzwischen geschehen ist.

Der Grund für den Streit zwischen IG Metall und Ederer soll darin bestandene haben, dass sie es ablehnte, den Arbeitsvertrag des derzeitigen Gesamtbetriebsratschefs Lothar Adler, der im kommenden Frühjahr 65 Jahre alt wird, über die geltende Regelarbeitsgrenze hinaus zu verlängern und ihn zum „leitenden Angestellten“ zu befördern.

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