Französische Schüler protestieren gegen Abschiebung

In Paris und anderen französischen Städten haben tausende Schüler gegen die Abschiebung eines Roma-Mädchens durch die herrschende Sozialistische Partei protestiert.

Die Demonstranten verurteilten die Ausweisung von Leonarda Dibrani, einer fünfzehnjährigen Roma, die am 9. Oktober aus einem Schulbus geholt und ins Kosovo abgeschoben worden war, und die des achtzehnjährigen armenischen Schülers Khatchik Kachatryan am 12. Oktober. An Kachatryans Schule in Paris gab es weitere Proteste, mehrere hundert Schüler demonstrierten am Mittwoch letzter Woche vor der Pariser Schulbehörde gegen seine Abschiebung.

Die mit der PS verbündete Unabhängige und Demokratische Schülervereinigung (FIDL) hatte angesichts der wachsenden Feindschaft gegen die rassistische Politik des Innenministers Manuel Valls von der Sozialistischen Partei zu den Protesten aufgerufen. Valls hatte versucht, die schwindende Unterstützung für die PS durch Appelle an die Wähler des neofaschistischen Front National zu stärken, unter anderem durch die Durchsetzung des reaktionären Burka-Verbotes und die Forderung nach der Abschiebung aller Roma aus Frankreich. (siehe: Frankreich: Innenminister will tausende Roma abschieben )

In Paris demonstrierten tausende von Schülern mit selbstgemachten Schildern, auf denen sie Valls kritisierten und die Abschiebung von Schülern mit Migrationshintergrund ablehnten. Schüler erklärten vor der Presse, sie seien enttäuscht von der Regierung von François Hollande und bezeichneten seine einwandererfeindliche Politik als „eher noch schlimmer“ als die seines Vorgängers Nicolas Sarkozy von der rechten gaullistischen Partei.

Es kam zu kurzen Zusammenstößen mit Polizei, die Tränengas auf die Schüler abfeuerte, aber schließlich gelang es ihnen ein Polizeispalier zu durchbrechen.

Vierzehn Schulen meldeten „Störungen,“ vier – Maurice Ravel, Helene Boucher, Charlemagne und Sophie Germain – waren am Donnerstagabend blockiert worden. Hunderte von Schülern demonstrierten in mehreren Städten, unter anderem in Grenoble, Avignon und La Rochelle, dort wurden die Dautet- und die Turgot-Schule blockiert.

Die Medien berichteten ausführlich über Dibranis Fall, und er löste landesweite Empörung aus. Unter anderem wird behauptet, ihre Abschiebung sei rechtswidrig, weil sie in schulischem Umfeld verhaftet wurde.

Dibrani erklärte in einem Interview mit dem Radiosender France Inter aus dem Kosovo, ihre Familie sei in Mitrovica isoliert, weil sie Roma sind. „Ich habe mich furchtbar dabei gefühlt, meine Freunde, die Schule und alle zurückzulassen. Ich habe mich auch geschämt, weil die Polizei da war und meine Freunde gefragt haben, was ich getan habe, als hätte ich was gestohlen.“

Eine Online-Petition für Dibranis Rückkehr erhielt 11.700 Unterschriften.

Die PS-Regierung und die Parteien und Gewerkschaften aus ihrem politischen Umfeld sind uneinig darüber, wie sie auf den wachsenden Widerstand der Schüler reagieren sollen. Die FIDL hatte am Tag, bevor sie begonnen hatten, angeblich zu Protesten aufgerufen, offenbar aus Angst, sie könnten sich sonst unabhängig von offiziellen „linken“ Kräften entwickeln. Eine Reihe von Gewerkschaften lehnten die Proteste ab.

Le Monde veröffentlichte ein Interview mit Philippe Tournier, dem Vorsitzenden der Schulleitervereinigung, der die Schüler kritisierte. Er behauptete, Blockaden von Schulen seien ein „echtes ethisches Problem“ und erklärte: „Blockaden von Sekundarschulen sind in unserem Land eine abscheuliche Praxis... Sie sind immer noch die beliebteste Form von politischer Aktion, auch wenn sie in Wirklichkeit das niedrigste Niveau von politischem Bewusstsein darstellen.“

Verschiedene Vertreter der PS und der Grünen kritisierten Valls‘ Vorschlag. Senatorin Esther Benbassa von den Grünen erklärte: „Ja, man muss zugeben, es handelt sich um ein Zusammentreiben.“ Damit gebrauchte sie einen Ausdruck, der an das Zusammentreiben von Juden für die Deportation nach Nazi-Deutschland durch das Vichy-Regime während des Zweiten Weltkrieges erinnerte.

Valls, der Dibranis Abschiebung verteidigte, gab in Martinique, wo er sich gerade aufhält, eine kurze Stellungnahme ab. Er versicherte, er sei ein Mann „der Linken“ und erklärte: „Ich bin links, weil die Menschheit, die Jugend und Kinder für mich Priorität haben.“

Tatsächlich zeigen die Proteste, dass die Schüler und breite Teile der Bevölkerung zunehmend begreifen, dass die PS-Regierung mit ihrer Politik von Austerität, Krieg und Chauvinismus gegen Immigranten – in keiner Hinsicht links ist. Die PS und ihre pseudolinken Anhängsel sprechen für die Interessen der Banken und der Finanzaristokratie. Dass Valls eine ähnliche Politik propagiert wie der rechtsradikale Front National, ist nur der klarste Ausdruck des rechten Charakters der Sozialistischen Partei und ihrer politischen Verbündeten.

Der einzige Ausweg für Schüler und Studenten, die die immigrantenfeindliche Politik der PS und den wachsenden Einfluss des FN in der französischen Politik ablehnen, ist ein Kampf zur Mobilisierung der Arbeiterklasse für eine politisch unabhängige Bewegung mit einer sozialistischen Perspektive gegen die PS und das gesamte politische Establishment.

Das größte Hindernis bei einem solchen Kampf sind die pseudolinken Kräfte, die einschreiten, um den Widerstand der Schüler für die Perspektive einzuspannen, die PS unter Druck zu setzen und die Zusammensetzung der Hollande-Regierung zu ändern, indem Valls‘ Rücktritt erzwungen wird. Aber Valls‘ Rücktritt würde den Charakter der Hollande-Regierung nicht grundlegend ändern. Seine Gegner in den Fraktionen der Grünen, der PS und der Linksfront sprechen genauso für das Finanzkapital wie Valls selbst.

Vertreter der Linksfront, darunter der Vorsitzende der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) Pierre Laurent und der nationale Sekretär der Linkspartei (PG) Eric Coquerel, nahmen an den Schülerprotesten teil. Laurent erklärte: „Die Bedingungen von Dibranis Abschiebung verstärken den würdelosen Charakter des Vorgehens der Politik von Manuel Valls und diskreditieren sie ... Wir müssen im ganzen Land Initiativen ergreifen, Petitionen zu starten und zusammen mit nichtstaatlichen Organisationen demonstrieren, um dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen.“

Der Vorsitzende der Linksfront, Jean-Luc Mélenchon, ein ehemaliger Minister der PS, schrieb auf Twitter: „Wartet nicht, bis noch mehr zusammengetrieben werden, werft den Verantwortlichen raus! Valls, treten Sie zurück!“

Das ist nichts als ein Versuch die Verantwortung reaktionärer Kräfte abzudecken, die wie die Linksfront, die PS unterstützen. Sie selbst sind Teil des Rechtsrucks des ganzen französischen Establishments, das die Positionen des FN übernimmt. Die gesamte Hollande-Regierung hat Valls Angriffe auf die Roma mehr als ein Jahr lang unterstützt. Jetzt ist sie sich nur wegen des wachsenden Widerstandes der Bevölkerung uneins, wie aggressiv sie ihre immigrantenfeindliche Politik verfolgen soll.

Die pseudolinken Kräfte haben eine große Mitschuld daran, dass die PS die Politik des FN übernimmt. Die Linksfront hatte, wie die pseudolinke Neue Antikapitalistische Partei (NPA), bedingungslos im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl zur Wahl von Hollande aufgerufen. Sie nahm direkt an den Kampagnen gegen Moslems und Immigranten teil, durch die die rassistische Politik des FN in den Mainstream der bürgerlichen Politik Frankreichs integriert wurde.

Im Jahr 2009 hatte die KPF direkt mit Sarkozy zusammengearbeitet, um das Burka-Verbot durchzusetzen, das letzten Endes von allen Pseudolinken, inklusive der NPA, unterstützt wurde.

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