Britische und amerikanische Regierung verteidigen Überwachungsstaat

Die Regierungen der USA und Großbritanniens gehen schärfer gegen Edward Snowden und seine Helfer vor und versuchen, sie einzuschüchtern. Der Grund ist, dass diese Menschen den weltweiten Lauschangriff der amerikanischen National Security Agency (NSA) und des britischen GCHQ offengelegt haben, die eines Überwachungsstaats würdig sind.

Wie die britische Presse am Samstag berichtete, behaupten Regierungsvertreter, journalistische Tätigkeit zur Unterstützung von Snowdens Enthüllungen falle unter die juristische Definition von „Terrorismus“. Ein neues, von Scotland Yard veröffentlichtes Dokument bezeichnet mit diesem Begriff die Aktivitäten von David Miranda, dem Partner des Journalisten Glenn Greenwald. Greenwald hat Snowden bei der Entlarvung der illegalen Spionagetätigkeit der NSA maßgeblich unterstützt.

Im August war Miranda neun Stunden lang festgehalten und vom britischen Geheimdienst und der Polizei verhört worden, als er sich auf dem Weg nach Brasilien auf dem britischen Flughafen Heathrow aufhielt. Er war auf dem Weg von Berlin nach Rio de Janeiro, wo er sich eine Wohnung mit Greenwald teilt. In Berlin hatte er die Filmemacherin Laura Poitras getroffen, die ebenfalls eng mit Snowden zusammenarbeitet, und die ihm Material mitgab.

Die britische Polizei ließ Miranda schließlich gehen, konfiszierte aber seine gesamte elektronische Ausrüstung und anderes Material. Weil Miranda sein Eigentum zurückverlangte, kam es vergangene Woche zu einer gerichtlichen Anhörung.

Dem Dokument von Scotland Yard zufolge „gibt es Erkenntnisse, die vermuten lassen, dass Miranda sich an Spionageaktivitäten beteiligt, die sich möglicherweise gegen die nationale Sicherheit Großbritanniens richten. (…) Nach unserer Einschätzung transportierte Miranda wissentlich Material, welches, würde es veröffentlicht, das Leben von Menschen gefährden könnte“.

Weiter heißt es in dem Dokument: “Außerdem soll mit der Veröffentlichung oder mit der Drohung der Veröffentlichung Druck auf eine Regierung ausgeübt werden, um politische oder ideologische Ziele zu erreichen. Das fällt also unter die Definition von Terrorismus.“

Diese Erklärung hat außerordentlich gefährliche Implikationen, weil die amerikanische Regierung sich ausdrücklich das Recht vorbehält, auf der ganzen Welt jeden zu ermorden, den der Präsident für einen “terroristischen” Aktivisten hält, der gegen die Vereinigten Staaten oder einen Verbündeten handelt. Führende amerikanische Journalisten haben öffentlich zur Ermordung von Snowden aufgerufen und nahegelegt, auch Glenn Greenwald ins Visier zu nehmen.

Greenwald verurteilte das britische Polizeidokument. „Großbritannien produziert alle möglichen Plattitüden über Pressefreiheit, garantiert diese aber praktisch nicht“, schrieb er in einer Email an die Nachrichtenagentur Reuters. „Hier wird Journalismus eindeutig mit Terrorismus gleichgesetzt.“

In den Vereinigten Staaten wurde am Donnerstag ein Gesetzentwurf verhandelt, der nicht nur die schon bisher praktizierte Ausspähung amerikanischer Bürgern durch die NSA, wie das Sammeln von Telefondaten, absegnen würde, sondern den Diensten noch erweiterte Vollmachten für das Sammeln von Emaildaten gewähren würde.

Die Senatoren Diane Feinstein (Demokratin) und Saxby Chambliss (Republikaner), beides führende Mitglieder des parlamentarischen Geheimdienstausschusses, brachten das Gesetz gemeinsam ein. Wird es verabschiedet, dann legitimiert es die Entscheidungen des FISA-Gerichtshofs, der schon bisher Gesetze, die eigentlich dazu gedacht waren, den NSA-Aktivitäten gewisse Grenzen zu setzen, in der großzügigsten Weise interpretiert.

Feinstein sagte, sie werde “alles in ihrer Macht Stehende” tun, um zu erreichen, dass das Sammeln von Telefondaten amerikanischer Bürger durch die NSA nicht gestoppt werde. Das Gesetz würde ausdrücklich billigen, dass Telecom-Firmen sämtliche „Geschäftsdaten“ sammeln. Diese Terminologie wird am Gericht immer wieder in der Weise interpretiert, dass damit alle von diesen Firmen gespeicherten Telefondaten gemeint sind, bis auf den konkreten Inhalt der Telefonanrufe bzw. Emails.

Feinstein und ihr Republikanischer Kollege, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, Mike Rogers, gaben am Sonntag nacheinander Interviews in der CBS-Sendung „Face the Nation“. Beide wandten sich gleichermaßen gegen Zugeständnisse an die Forderung, aufgrund von Snowdens Enthüllungen der NSA „die Flügel zu stutzen“.

Feinstein und Rogers wiesen die Vorstellung, die US-Regierung könne auf Snowden zugehen, vom Tisch. Snowden hat am Sonntag im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel „Ein Manifest für die Wahrheit“ veröffentlichen lassen.

Darin appellierte er an die US-Regierung, ihn als Dissidenten und nicht als Kriminellen zu behandeln, und ihm Gnade zu gewähren. Er schrieb: „Bürger müssen gegen die Unterdrückung von Informationen kämpfen, die für die Öffentlichkeit wichtig sind. Wer die Wahrheit sagt, begeht kein Verbrechen.“ Vielmehr bedrohten „kriminelle Überwachungsprogramme“ der amerikanischen und anderer Regierungen die Privatsphäre, die Meinungsfreiheit und demokratische Rechte.

In der ABC-Sendung “This Week” tat der hohe Berater des Weißen Hauses, Dan Pfeiffer, jeden Gedanken an Gnade für Snowden ab. Das Weiße Haus werde sich mit dieser Frage nicht befassen.

Feinstein und Rogers priesen die National Security Agency, die größte Abteilung des amerikanischen Geheimdienstapparats, die offensichtlich aktiv einen amerikanischen Überwachungsstaat vorbereitet.

Feinstein ereiferte sich: “Ich glaube, die NSA ist voller guter Patrioten, die das Richtige tun wollen.“

Sie sagte vielleicht mehr, als sie wollte. Sie wiederholte praktisch die Verteidigungslinie führender Nazis vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal. „Sie führen die Befehle aus, die ihnen erteilt werden“, sagte sie. „Die Regierung überwacht die Nachrichtendienste. Der gesetzliche Rahmen für die Geheimdienste wird von der Regierung geschaffen, angefangen vom Nationalen Geheimdienstdirektor, bis zum Weißen Haus, dem Präsidenten, dem Nationalen Sicherheitsrat, dem Kabinett.“

Es steht außer Frage, dass die Verantwortung für den Überwachungsstaat-artigen Lauschangriff und andere Verbrechen des amerikanischen Geheimdienstkomplexes ganz an der Spitze liegt. Die NSA ist nicht aus dem Ruder gelaufen; sie ist das Hauptinstrument des amerikanischen Imperialismus für das Ausspähen der Bevölkerung der Vereinigten Staaten und der Welt.

Rogers, ein früherer FBI-Agent argumentierte noch grobschlächtiger für seine Forderung nach unbegrenzten Vollmachten für den Spionagedienst. Was Snowdens Enthüllungen angeht, sagte er: „Das einzige, was hier untersucht werden muss, ist: Wie weit war im bewusst, was er stahl, und mit wem hat er zusammengearbeitet?“

Ähnlich wie Feinstein betonte auch er den überparteilichen Charakter des Überwachungsstaats: „Es gab ihn, als die Demokraten die Mehrheit im Kongress hatten, und als die Republikaner die Mehrheit hatten, und es gab ihn, als ein Demokrat im Weißen Haus saß und als ein Republikaner im Weißen Haus saß.“

Er forderte ein Ende der Enthüllungen über die NSA und schloss mit den Worten: „Wir müssen uns darauf konzentrieren, wer die bösen Buben sind. Und, ganz ehrlich, die amerikanischen Nachrichtendienste sind nicht die bösen Buben. Am Ende des Tages sind sie die Guten.“

Der ehemalige Chef der NSA und der CIA, der General im Ruhestand, Michael Hayden, warnte in der ABC-Sendung “This Week” die deutsche Regierung davor, Snowden vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen zu lassen.

Hayden sagte: “Ich weiß, dass ein deutscher Parlamentarier möchte, dass Deutschland Snowden eine Plattform bietet, von der aus er noch weitere amerikanische Geheimnisse ausplaudern könnte. Meiner Ansicht nach würde das die Debatte, ob wir ein befreundetes Land ausspionieren dürfen oder nicht, zum Verstummen bringen.“

Was Hayden hier in andern Worten andeutet, bedeutet, dass eine Geste Deutschlands in Richtung Snowden die amerikanische Regierung veranlassen würde, Deutschland aus der Kategorie ‚Freund’ in die Kategorie ‚Feind’ zu verschieben.

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