Obama-Regierung warnt vor Krieg und drängt auf Gespräche mit dem Iran

Die Verhandlungen mit dem Iran über sein Atomprogramm werden diese Woche in Genf weitergehen. Die Obama-Regierung bittet den amerikanischen Kongress und wichtige Verbündete der USA im Nahen Osten derweil inständig darum, die Gespräche nicht zu sabotieren und damit die Versuche der USA zu ruinieren, dem Iran Zugeständnisse abzuringen. Sie warnt, dass die Alternative zum „Austesten“ der diplomatischen Option eine schnelle Entwicklung zu einem Krieg sei.

Am Donnerstag bekräftigte Präsident Obama, die USA hielten sich „alle Optionen offen“, auch die Option eines Krieges mit dem Iran. Aber er erklärte, „militärische Optionen haben immer unbeabsichtigte Folgen.“

„Egal wie gut unser Militär ist, militärische Optionen sind immer problematisch, sie sind immer schwierig, sie haben immer unbeabsichtigte Folgen – und geben uns in dieser Lage nie die vollständige Sicherheit, dass sie [die Iraner] danach nicht weitermachen und in der Zukunft noch eifriger danach streben, Atomwaffen zu bauen“, sagte er.

US-Außenminister John Kerry erklärte am Mittwoch vor Mitgliedern des Bankenausschusses des Senats, wenn die USA weitere Sanktionen gegen den Iran verhängen würden, wie es die israelische Regierung und viele Führer der Republikaner und Demokraten fordern, so würde dies die Verhandlungen über das Atomprogramm vermutlich zum Scheitern bringen.

Über die bestehenden Sanktionen der USA und der Europäischen Union, welche die iranischen Ölexporte halbiert und einen Großteil seines Außenhandels um Erliegen gebracht haben, erklärte Kerry vor der Presse: „Wir haben diese Sanktionen eingeführt, um uns in eine möglichst starke Verhandlungsposition zu bringen. Jetzt verhandeln wir.“

Kerry fuhr fort: „Wenn der Kongress einseitig Sanktionen verhängt, besteht die Gefahr, dass dies den Glauben an diese Verhandlungen zerstört, zu ihrem Ende führt und sie zum Scheitern bringt.“

„Wir bitten alle, sich zu beruhigen, ernsthaft zu überprüfen, was erreicht werden kann, und was die Tatsachen sind. Wenn das nicht klappt... werde ich wieder hier auf dem Capitol Hill [Sitz des Parlaments] stehen und um weitere Sanktionen bitten, und wir halten uns immer die militärische Option offen. Wir geben also absolut nichts weg.“

Die Erklärungen der Obama-Regierung sind politisch unaufrichtig. Die iranische Regierung hat mehrfach versichert, dass sie nicht die Absicht hat, Atomwaffen zu entwickeln, und amerikanische Geheimdienste sind zu dem Schluss gekommen, dass das Land kein aktives Atomwaffenprogramm hat.

Vor allem verheimlicht der US-Präsident gegenüber seiner Bevölkerung und der Welt, welches Ausmaß die „militärischen Optionen“ hätten, die das Pentagon einsetzen will, sollte Washington den Iran mit der aktuellen Politik der verheerenden Sanktionen, Einschüchterungen und Drohungen nicht zu umfassenden Zugeständnissen zwingen können.

Das Pentagon lehnt Pläne für einen „chirurgischen Angriff“ auf iranische Atomanlagen als zu riskant ab. Es fürchtet einen iranischen Gegenschlag, entweder einen direkten – die Schließung der Meerenge von Hormus, durch die 40 Prozent der internationalen Ölexporte gehen – oder einen indirekten, wie die Ermutigung ihrer Verbündeten, der schiitischen Hisbolllah-Miliz oder der palästinensischen islamistischen Hamas, zu einem Angriff auf Israel.

Der Krieg, den Washington plant, ist ein „shock and awe“-Feldzug, der von Anfang darauf abzielt, dem Iran die Möglichkeit zu einem Gegenschlag zu nehmen, indem er einen Großteil seiner militärischen, industriellen, Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur zerstört. Die Pläne des Pentagon gehen außerdem davon aus, dass sich ein solcher Krieg schnell zu einem regionalen Konflikt entwickeln und einen Großteil des Nahen Ostens und möglicherweise sogar Russland und China mit einbeziehen würde.

Obama verteidigte Washingtons Vorgehen bei dem Treffen zwischen iranischen Diplomaten und Vertretern der P5+1-Staaten (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China und Deutschland) in Genf am letzten Wochenende. Das Treffen, das von zwei auf vier Tage verlängert wurde, und dem sich schließlich die Außenminister alle P5+1 Länder anschlossen, hätte beinahe zu einem „vorläufigen Abkommen“ geführt. Der Iran wollte einen Großteil seines Atomprogramms anhalten, im Gegenzug sollte ein kleiner, unwesentlicher Teil der amerikanisch-europäischen Sanktionen aufgehoben werden.

Obama bestand darauf, Teheran nur minimale Zugeständnisse anzubieten, die „den Umfang der Sanktionen in sehr geringem Maße“ einschränken. Die wichtigsten Sanktionen, die den Iran aus dem internationalen Bankensystem ausschließen und seine Ölexporte abwürgen, die einen Großteil der Staatseinnahmen ausmachen, sollten in vollem Umfang in Kraft bleiben. Obama versprach: „Wir werden die wichtigsten Sanktionen bestehen lassen, die am effektivsten sind und die größten Auswirkungen auf die iranische Wirtschaft haben.“

Offiziell wurden keine Details darüber bekanntgegeben, was in Genf ausgehandelt wurde, aber es heißt, dass die Sanktionen gegen den iranischen Handel mit Gold, Autoteilen und Petrochemie gelockert werden sollten, und dass Teheran teilweisen Zugang zu den Milliarden Dollar auf seinen eigenen Konten haben sollte, die bisher im internationalen Bankensystem eingefroren sind.

Vor der Verhandlungsrunde letzte Woche sprachen Vertreter der US-Regierung davon, dass ein finanzieller Zapfhahn eingerichtet werden sollte, von dem aus der Iran in kleinem Umfang Zugang zu diesem Geld haben sollte und es den USA und ihren Verbündeten möglich sein werde, bei jeder Abhebung mehr Zugeständnisse zu erzwingen.

Die Jerusalem Post, eine vehemente Gegnerin jeder Lockerung der Sanktionen, solange das iranische Atomprogramm nicht vollständig eingestellt ist, berichtete, dass der Iran in der Anfangsphase nur drei Milliarden Dollar erhalten sollte – Geld, das ihm verschiedene asiatische Länder, darunter China und Indien, für bereits erhaltene Öllieferungen schulden.

Alle Seiten gaben sich letzte Woche gegenseitig die Schuld am Scheitern einer Einigung und stellten klar, dass sie den Vorschlag, der in Genf auf dem Verhandlungstisch liegenblieb, für eine starke Grundlage eines sechsmonatigen Übergangsabkommens halten.

Meldungen zufolge bestand Frankreich, das mit Israel zusammenarbeitet, in letzter Minute auf Änderungen am ursprünglichen, von den USA entworfenen Vorschlag der P5+1-Staaten, weil er das iranische Atomprogramm in unzureichendem Maße „abwickle.“ Der Iran seinerseits protestierte gegen die hartnäckige Weigerung der USA, das Recht des Iran auf ein vollständiges ziviles Atomprogramm als Teil einer dauerhaften Einigung anzuerkennen.

Die USA hatten sich gleich nach der Invasion im Irak im Jahr 2003 auf das Atomprogramm eingeschossen, und einen Vorschlag des Iran für ein Abkommen abgelehnt: Teheran war bereit, Israel anzuerkennen und die militärische Unterstützung für die Hisbollah und die Hamas einzustellen. Als Gegenleistung sollten die USA ihre Versuche einstellen, die iranische Regierung zu stürzen. Den USA ging es in ihrer Konfrontation mit dem Iran immer um viel mehr als um sein Atomprogramm.

Washington ist entschlossen, den Iran zu zwingen, die Vorherrschaft der USA im Nahen Osten anzuerkennen, und uneingeschränkten Zugang zu seinen riesigen Öl- und Erdgasreserven zu bekommen.

Das bürgerlich-klerikale Regime des Iran hat seinerseits mehrfach angeboten, sich als „stabilisierende Kraft“ in Afghanistan, Syrien und anderen Ländern zu betätigen. Laut Presseberichten fanden solche Diskussionen auch am Rande der Gespräche in Genf letzte Woche statt. Ein Artikel in Al-Monitor beruft sich auf eine offizielle Quelle aus Teheran, die der Zeitung sagte: „Der Iran weiß was er will, und das versuchen wir zu erreichen.“

Die Quelle erklärte, dass ein Abkommen im Atomstreit auch andere Probleme in der Region lösen werde. „Die Syrienkrise stand nicht im Mittelpunkt der Verhandlungen, aber sie wurde am Rande der Gespräche gründlich diskutiert. Außerdem gab es eine Forderung der Amerikaner, dass wir mögliche Optionen für den Fall diskutieren sollten, dass der Atomstreit beigelegt sei. Deshalb haben einige Regionalmächte die Franzosen darum gebeten, die Verhandlungen zu stören, und das ist passiert.“

Israel und Saudi-Arabien ist die Vorstellung einer Annäherung zwischen Washington und Teheran zuwider, da dies ihre Rolle als wichtigste Stellvertreter Amerikas in der Region schädigen würde.

Israel hat sich außergewöhnliche Mühe gegeben, die Gespräche zwischen den USA und dem Iran zu stören. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu sprach sich aufs heftigste gegen die potenzielle Einigung in Genf letzte Woche aus. Er verurteilte sie als den Deal des Jahrhunderts für den Iran und fügte hinzu, Israel behalte sich das Recht vor, sie zu ignorieren – eine unterschwellige Drohung mit einem einseitigen Militärschlag Israels gegen den Iran.

Die israelische Regierung drängt den amerikanischen Senat offen dazu, sich gegen Obama zu stellen und weitere Sanktionen zu verabschieden. Der israelische Kabinettsminister Naftali Bennett war letzte Woche in Washington um gegen die Iranpolitik der Obama-Regierung Stimmung zu machen.

Die Haltung der Netanjahu-Regierung hat zu wachsenden Spaltungen im israelischen Establishment geführt, zahlreiche ranghohe Vertreter, darunter der israelische Präsident Shimon Peres, kritisieren Netanjahu dafür, sich öffentlich gegen Obama gestellt zu haben.

Am Freitag rief Peres die Israelis dazu auf, Washington zu respektieren. „Wir dürfen die Bedeutung dieser Freundschaft nicht unterschätzen. Es kann Unstimmigkeiten geben, aber sie müssen mit Blick auf den wahren Ernst der Lage ausgetragen werden“, erklärte er. „Wenn wir anderer Meinung sind, sollten wir das sagen, aber wir sollten uns daran erinnern, dass auch die Amerikaner das eine oder andere wissen. Wir sind nicht die Einzigen.“

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