Amerikanisches Ultimatum zur dauerhaften Besetzung von Afghanistan

Die nationale Sicherheitsberaterin der Obama-Regierung Susan Rice stellte dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai am Montag ein Ultimatum: entweder er unterzeichnet sofort ein bilaterales Sicherheitsabkommen mit Washington, oder alle amerikanischen Militärkräfte ziehen sich bis Ende 2014 zurück und der Westen stellt seine Finanzierung ein.

Das waghalsige Geschacher zwischen dem dem US-Imperialismus und seiner afghanischen Marionette ging während Rice’s geheimem Besuch in Kabul weiter. Karsai bestand bei seinem nächtlichen Treffen mit Rice nicht nur darauf, dass er vor den Wahlen im nächsten April, bei der sein Nachfolger gewählt wird, kein Abkommen unterzeichnen werde, sondern machte eine Einigung auch von der Forderung abhängig, dass sich die USA nicht in die Wahlen einmischen, weitere Friedensverhandlungen mit den Taliban führen und siebzehn afghanische Gefangene aus dem Gefangenenlager Guantanamo freilassen. Er bekräftigte auch seine Forderung nach einem Ende der Razzien des US-Militärs in afghanischen Häusern.

Die schriftliche Stellungnahme des Weißen Hauses war kurz und knapp: „Ohne eine schnelle Unterzeichnung werden die USA keine andere Wahl haben, als für eine Zukunft nach 2014 zu planen, in der es in Afghanistan keine amerikanische- und keine Nato-Präsenz geben wird.“

Weiter hieß es, Rice habe „betont, dass wir die Verhandlungen abgeschlossen haben“ – das heißt, Washington wird keine neuen Forderungen Karsais berücksichtigen – und warnte, dass ein Aufschub der Unterzeichnung bis nächsten April „außer Frage stehe.“

Die nationale Sicherheitsberaterin erklärte auch, dass ein Abzug der US-Truppen zu einem Wegfall von hunderten Milliarden Dollar Hilfsgeldern führen würde, von denen die afghanische Regierung und die von den USA organisierten Sicherheitskräfte völlig abhängig sind.

Das amerikanische politische Establishment und die Medien bezeichnen das als „Null-Option“ und stellen sie allgemein als undenkbar dar, Karsai selbst wird als Verrückter dargestellt, weil er so ein Ergebnis überhaupt riskiert.

Man kann kaum glauben, dass die amerikanische Bevölkerung denken sollte, die Obama-Regierung habe von Anfang an die „Null-Option“ angestrebt. Im Jahr 2012 versprach der Demokratische Amtsinhaber im Wahlkampf, dass alle US-Truppen Afghanistan bis zum 31. Dezember verlassen haben sollten. Sein Vizepräsidentschaftskandidat Joe Biden erklärte: „Wir ziehen uns im Jahr 2014 aus Afghanistan zurück, Punkt. Ohne wenn und aber.“

Wie sich herausstellte, gab es sehr wohl mehr als ein wenn und aber. Das bilaterale Sicherheitsabkommen, von dem Obama und Rice fordern, dass Karsai es sofort unterzeichnet, fordert, dass eine nicht näher beschriebene Anzahl von Soldaten – laut dem afghanischen Präsidenten bis zu 15.000 – auf unbegrenzte Zeit in Afghanistan bleibt, während amerikanische Truppen effektiv die Kontrolle über neun strategische Stützpunkte übernehmen, die im ganzen Land verteilt sind. Abgesehen von „Ausbildern“ und „Beratern“ plant das Pentagon auch die Stationierung eines großen Kontingents von Spezialkräften in Afghanistan, um alle zu jagen und zu töten, die Widerstand gegen die dauerhafte Besetzung ihres Landes durch eine fremde Macht leisten. Amerikanische Luftstreitkräfte, logistische Unterstützung und Geheimdienste würden derweil im Land bleiben, um die Sicherheitskräfte des afghanischen Marionettenregimes zu unterstützen.

Karsais Zögern, dieses Abkommen zu unterzeichnen und seine Versuche, Washington weitere Zugeständnisse abzuhandeln, sind völlig verständlich. Es wird das erste derartige Abkommen in der Geschichte Afghanistans sein, einem Land, das sich den Ruf als „Friedhof der Weltreiche“ erarbeitet hat. Karsai weiß, dass der Krieg weitergehen wird, solange ausländische Truppen auf afghanischem Boden stehen und glaubt nicht an den Erfolg Washingtons bei der inzwischen zwölfjährigen Unterdrückung des Widerstands. Er macht sich Sorgen um sein eigenes Überleben und versucht, sein Bild als Marionette des US-Imperialismus zu korrigieren. Letzten Endes will er sich an die USA verkaufen, aber er will besseren Schutz und einen höheren Preis.

Das war der Hauptgrund, aus dem er eine Loya Jirga (Paschtunisch für Großrat) aus fast 3000 Stammesführern und Würdenträgern einberufen hatte. Er hoffte, dass er sich etwas von diesem Vertrag würde distanzieren können, wenn er diesen Rat über den Pakt mit Washington abstimmen ließe.

Natürlich hatte er die Delegierten selbst ausgesucht. Die breite Masse der Afghanen betrachtete die Veranstaltung als bedeutungslos.

Aber sogar eine Loya Jirga wäre eine deutliche Verbesserung gegenüber dem, was in den USA als Demokratie gilt. Die Obama-Regierung versucht, Truppen auf unbestimmte Zeit in Afghanistan zu stationieren und seine Sicherheitskräfte für die nächsten zehn Jahre zu finanzieren und effektiv zu lenken, ohne dass es im Kongress zu einer Debatte oder Abstimmung kommt; noch weniger wird die amerikanische Bevölkerung um ihr Einverständnis gefragt.

Eine Umfrage nach der anderen zeigt, dass zwei Drittel bis drei Viertel der amerikanischen Bevölkerung die Fortsetzung der amerikanischen Militärintervention ablehnen.

Es wird behauptet, dass die amerikanischen Truppen und Stützpunkte in Afghanistan notwendig seien, um einen endlosen Krieg gegen den Terrorismus und Al Qaida führen zu können, die vor der amerikanischen Invasion im Oktober 2001 Lager im Land hatten.

Abgesehen davon, dass Al Qaida in Afghanistan nahezu überhaupt keine Präsenz hat, wird dieser Vorwand durch Washingtons enge Zusammenarbeit mit Al Qaida und seinen Verbündeten widerlegt, die für die amerikanischen Kriege zum Regimewechsel in Libyen und Syrien den Großteil der Stellvertretertruppen gestellt haben. Diese Arrangements erinnern an diejenigen zwischen der CIA und islamistischen Kämpfern, darunter Osama bin Laden, in dem langen amerikanisch finanzierten Krieg gegen die Sowjets und das von der Sowjetunion unterstützte Regime in Afghanistan selbst in den 1980ern.

Der damalige Präsident Jimmy Carter hatte gewarnt: „Ein sowjetisch besetztes Afghanistan bedroht sowohl den Iran als auch Pakistan und ist ein Schritt zur möglichen Kontrolle über einen Großteil der Ölreserven der Welt.“

Jetzt strebt Washington die dauerhafte Besetzung des Landes aus den gleichen Motiven an, die es den Sowjets unterstellte. Es geht Washington bei der Einrichtung dauerhafter Stützpunkte in Afghanistan nicht um irgendeine allgegenwärtige Gefahr durch Terrorismus, sondern um politische Geografie.

Das Land bietet dem US-Imperialismus eine Plattform, um militärische Macht gegen den Iran im Westen, China im Osten, die ölreichen ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien und Russland im Norden und Pakistan und Indien im Süden zu projizieren.

Auch wenn Washington von einer direkten Militärintervention in Syrien Abstand genommen und mit dem Iran ein Abkommen über sein Atomprogramm ausgehandelt hat, hat es die Versuche, den relativen Niedergang seiner Wirtschaftsmacht durch den Einsatz militärischer Überlegenheit auszugleichen, keineswegs aufgegeben.

Afghanistan wird als Werkzeug im Kampf für die globale Hegemonie Amerikas gegen Washingtons Hauptrivalen gesehen, vor allem gegen China. Daher ist das Blut, das in diesem Land in den letzten zwölf Jahren durch Krieg und Besetzung durch die USA vergossen wurde, nur eine „Anzahlung“ für noch schrecklichere Konflikte.

Der überwältigende Widerstand der Bevölkerung in den USA und Westeuropa gegen Krieg und die Besetzung Afghanistans findet weder im bestehenden politischen Establishment noch in den Medien Ausdruck. Kleinbürgerliche pseudolinke Gruppen, die früher gegen den Krieg demonstriert haben, sind zu hemmungslosen Befürwortern imperialistischer Interventionen wie in Libyen und Syrien geworden.

Die Entwicklung einer echten Massenbewegung gegen den Krieg, die fähig ist, den Abzug aller Truppen aus Afghanistan zu erzwingen und noch katastrophalere militärische Konflikte aufzuhalten, erfordert die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus, die Ursache von Krieg und Militarismus.

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