Perspektive

Große Koalition: Die herrschende Klasse schließt ihre Reihen

Mit der Großen Koalition, die am Dienstag ihre Arbeit aufgenommen hat, schließt die herrschende Klasse in Deutschland ihre Reihen. Die dritte Regierung von Angela Merkel besitzt eine Machtfülle, wie kaum eine andere Regierung vor ihr. Sie verfügt über 504 von 631 Mandaten im Bundestag und kann sich gleichzeitig auf die beiden im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien und auf die Gewerkschaften stützen.

Die Grünen haben am Tag, an dem die Bundesregierung vereidigt wurde, ein Regierungsbündnis mit der CDU in Hessen vereinbart. Es ist die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland und ein unmissverständliches Signal, dass Merkel auf die Unterstützung der Grünen zählen kann. Dasselbe gilt für Die Linke, die in Brandenburg in einem Bündnis mit der SPD regiert. Auch der DGB hat sich ausdrücklich hinter die Große Koalition gestellt.

Die herrschende Klasse rückt enger zusammen, weil sie sich auf heftige Klassenkämpfe vorbereitet. Ihre Geschlossenheit steht in umgekehrtem Verhältnis zur Spaltung der Gesellschaft.

Nach jüngsten Erhebungen des statistischen Bundesamts ist inzwischen jeder fünfte Einwohner Deutschlands von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen; das sind 16 Millionen Menschen. Hinzu kommen weitere Millionen, die unter ständigem Stress und in der Angst leben, in Armut abzugleiten.

Noch tiefer ist die soziale Kluft in Europa. Die auf deutschen Druck diktierten Sparprogramme haben in Süd- und Osteuropa eine soziale Katastrophe hinterlassen, die in Friedenszeiten ohne Beispiel ist. Millionen haben ihre Arbeit und ihr Einkommen verloren. Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur sind zusammengebrochen. In Griechenland sind die Durchschnittslöhne um 40 Prozent gesunken, einer von drei Erwachsenen und zwei von drei Jugendlichen sind arbeitslos.

Diese Angriffe auf die Arbeiterklasse plant die Große Koalition sowohl in Europa wie in Deutschland fortzusetzen. Das zeigt nicht nur der Koalitionsvertrag, der die Regierung auf einen Kurs der „strikten, nachhaltigen Haushaltskonsolidierung“ verpflichtet, sondern auch die Auswahl der Minister. Der 71-jährige Wolfgang Schäuble (CDU) bleibt Finanzminister und damit Merkels rechte Hand bei der Umsetzung eines unerbittlichen Spardiktats.

Merkel selbst bekräftigte am Mittwochmorgen in ihrer ersten Regierungserklärung nach der Wiederwahl, dass die Europapolitik zu den wichtigsten Aufgaben der Großen Koalition zähle. Sie lobte den Fiskalpakt, der die EU-Mitglieder zu strikten Sparmaßnahmen verpflichtet, und forderte verbindlichere EU-Regeln, um „die notwendigen Strukturreformen einfordern zu können“. Viele Staaten hätten „notwendige Reformen“ zu lange verschleppt.

In Vorbereitung auf kommende soziale Auseinandersetzungen stärkt die neue Regierung den staatlichen Sicherheitsapparat. Diesem Zweck dienen sowohl die Rückkehr von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), eines engen Vertrauten Merkels, an die Spitze des Innenministeriums, als auch die Ernennung eines Staatssekretärs im Kanzleramt, der ausschließlich für die Geheimdienste zuständig ist.

Die Geheimdienste werden auf diese Weise gestärkt, und nicht kontrolliert. Auf dem neuen Posten sitzt mit dem früheren Vizepräsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Klaus-Dieter Fritsche (CSU), ein Geheimdienst-Insider. Fritsche war im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten, weil er die Gefahr verharmlost hatte, die von der rechtsextremen Terrorgruppe NSU ausging, und durch sein arrogantes Auftreten vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags einen Eklat ausgelöst hatte.

Auch nach außen rüstet die Große Koalition auf. Die überraschende Versetzung von Ursula von der Leyen (CDU) vom Arbeits- ins Verteidigungsministerium bestätigt, dass sich die Regierung vermehrt an militärischen Auslandeinsätzen beteiligen wird. Von der Leyen wird sich in ihrem neuen Amt vor allem um die „internationale Sicherheitspolitik“ kümmern, wie Merkel betonte, und ergänzt damit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Die Politik der zukünftigen Regierung wird dabei weniger durch die Vorgaben des Koalitionsvertrags bestimmt, als durch die Zuspitzung ökonomischer, sozialer und internationaler Krisen. Das war bereits in der Vergangenheit so. Weder die deutsche Beteiligung am Krieg in Afghanistan, noch die Agenda 2010 oder die milliardenschweren Fonds zur Rettung der Banken und des Euro, die die Regierung Schröder (SPD) und die erste Regierung Merkel prägten, sind jemals in einem Koalitionsvertrag erwähnt worden. In allen Fällen reagierte die jeweilige Regierung auf akute Krisen mit Krieg und Angriffen auf die Arbeiterklasse.

Auch jetzt breitet sich die Regierung wieder auf heftige Erschütterungen vor. Die Eurokrise ist ungelöst. Experten warnen vor einer weiteren Finanzkrise als Folge der Spekulation an den Aktienmärkten. Gleichzeitig verschärfen sich die internationalen Spannungen zwischen den USA und China, im Nahen Osten und zwischen Russland und Europa. Die deutsche Regierung hat die Proteste in der Ukraine gezielt angeheizt, die das Verhältnis zu Russland stark belasten.

Vor diesem Hintergrund schließt die herrschende Klasse die Reihen. Die Linke übernimmt dabei die Rolle des Sicherheitsventils. Im Bundestag kritisiert sie die Große Koalition, während sie in den Ländern und Kommunen, in denen sie Regierungsverantwortung trägt, eng mit ihr zusammenarbeitet und die sozialen Angriffe und Kürzungen unterstützt.

Die Regierung weiß, dass ihre Politik unweigerlich massiven Widerstand auslösen wird. Aber dieser Widerstand benötigt eine Perspektive und eine politische Führung. Um der Großen Koalition entgegenzutreten, brauchen Arbeiter ihre eigene, unabhängige Partei – die Partei für Soziale Gleichheit. Als Sektion der Vierten Internationale treten wir dafür ein, Arbeiter und Jugendliche weltweit im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zu vereinen, die auf dem Grundsatz der sozialen Gleichheit statt auf der Bereicherung einiger Weniger auf Kosten der großen Mehrheit beruht.

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