Schließung Opel Bochum

IGM und Betriebsrat verweigern Belegschaft Einblick in Sozialtarifvertrag

Der Mitte November von der IG Metall mit der Opel-Geschäftsleitung vereinbarte Sozialtarifvertrag ist noch nicht endgültig beschlossen. IGM, Betriebsrat und Opel einigten sich lediglich auf einige „Eckpunkte“. Die Gewerkschaft weigert sich, diese der Belegschaft vorzulegen.

Mit der Vereinbarung vom 17. November wurde die Schließung des Bochumer Werks besiegelt. Die von der IGM veröffentlichten Inhalte waren nahezu die gleichen Bedingungen, die die Bochumer Belegschaft noch im März in einer Abstimmung über den von der IG Metall vorgelegten „Mastertarifvertrag“ mit überwältigender Mehrheit abgelehnt hatte – nur dass die Schließung nicht wie im März „erst“ 2016, sondern schon 2014 durchgesetzt wird.

Zuvor hatten Betriebsrat und Opel-Geschäftsleitung monatelang über einen Sozialplan verhandelt, offensichtlich aber nicht zur Zufriedenheit von Opel und IG Metall. Die Gewerkschaft hatte sich zunächst zurückgehalten, nachdem sie durch ihre Ausarbeitung der Schließungspläne in der Bochumer Belegschaft heftig in die Kritik geraten war. Doch Anfang November übernahm sie überraschend wieder das Ruder in den Verhandlungen. Nur eine Woche später meldeten Opel und IGM einen Sozialtarifvertrag als Verhandlungsergebnis.

Die IG Metall in Nordrhein-Westfalen zitierte ihren Bezirksleiter Knut Giesler, der den Vertrag ausgehandelt hatte, am 18. November unter der Überschrift: „Sozialtarifvertrag für Opel Bochum steht“ mit folgenden Worten: „Es ist bitter für die Menschen, dass über Ende 2014 hinaus in Bochum keine Fahrzeuge mehr gebaut werden. Mit dem Sozialtarifvertrag war dieses nicht mehr zu verhindern.“ In ihrer Pressemitteilung vom gleichen Tag schrieb die IGM, dass „noch erforderliche Details zum Sozialtarifvertrag in den kommenden Tagen ausgearbeitet“ würden.

In einer Belegschaftsversammlung am 9. Dezember präsentierte der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel der Belegschaft dann per Power-Point einige Eckpunkte des Vertrags. Der Vertrag selbst wurde den Bochumer Arbeitern jedoch nicht vorgelegt. Auch im Betriebsrat weigerte sich Einenkel, den Vertragstext vorzulegen. Als Begründung gab er an, er habe den Vertrag überhaupt nicht. Den habe die IG Metall, die ihn mit Opel ausgehandelt habe.

Inzwischen erklären IGM und Betriebsrat, dass noch gar kein Sozialtarifvertrag vorliege. Beide schreiben nun stets von einer „Eckpunktevereinbarung“. So veröffentlichte am 19. Dezember Betriebsratschef Einenkel auf seiner Website eine Mitteilung unter der Überschrift „Tarifverhandlungen gehen weiter“. Darin schreibt er: „Außer den von der IG Metall paraphierten Eckpunkten gibt es bisher keinen unterschriebenen Vertrag“. Anfang 2014 würden die Verhandlungen weitergehen, ein neuer Verhandlungstermin liege „den beteiligten Betriebsräten“ noch nicht vor.

Dieses Versteckspiel deutet darauf hin, dass die IG Metall – mit Einwilligung des Bochumer Betriebsrats – weiteren Angriffen auf die Bochumer Belegschaft bereits zugestimmt hat und diese Verschlechterung so lange wie möglich gegenüber der Belegschaft geheim halten will.

Auch eine Gerichtsverhandlung vor dem Arbeitsgericht Bochum am Freitag, den 13. Dezember machte dies deutlich. Die Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann von der maoistischen MLPD, die die Bochumer Opel-Betriebsgruppe „Offensiv“ anführt, beantragte vor dem Bochumer Arbeitsgericht eine Einstweilige Verfügung gegen den Betriebsrat auf Herausgabe des Eckpunktepapiers.

In der Verhandlung wurde klar, dass mehrere Mitglieder des Betriebsrats – darunter Rainer Einenkel – in der Sitzung der Verhandlungskommission über den Sozialtarifvertrag anwesend waren und den Eckpunkten am 17. November zugestimmt haben. Ebenso klar wurde, dass es tatsächlich ein Eckpunktepapier gibt, welches die Unterschrift des nordrhein-westfälischen IGM-Bezirksleiters Knut Giesler trägt.

Schon zu Beginn der Verhandlung wies der Vorsitzende Richter Dr. Dewender darauf hin, dass das Ziel des Antrags die Herausgabe eines Eckpunktepapiers für den Sozialtarifvertrag sei, der Betriebsrat aber nicht Vertragspartei dieses Vertrags ist. Die Frage des Richters, ob der Betriebsrat die gewünschten „einsichtgewährbaren Unterlagen“ habe, verneinte Einenkel. Er erklärte aber, dass er Knut Giesler gebeten habe, das Dokument zugänglich zu machen. Giesler habe dies aber abgelehnt.

Von Gärtner-Leymann in der Verhandlung angesprochen bestätigte der anwesende Opel-Personalchef Elmar Eising, dass die Adam Opel AG die gewünschten Dokumente habe. Aber auch er erklärte: „Wir werden nichts ohne unseren Vertragspartner [IGM] tun!“

Deutlicher ist die Verschwörung der IG Metall mit dem Opel-Konzern selten zutage getreten. Das gesamte vergangene Jahr macht das abgekartete Spiel zwischen der IG Metall und allen Betriebsräten – auch denen der MLPD – bei der Durchsetzung der Opel-Werksschließung Ende 2014 deutlich. Alle Beteiligten spielen dabei einen eigenen Part.

Die IG Metall hat die Kürzungs- und Stilllegungspläne für Opel mit ihrem „Deutschlandplan“ erarbeitet und setzt sie in enger Zusammenarbeit mit dem Opel-Vorstand durch. Einenkel und der Bochumer Betriebsrat übernehmen die Aufgabe, die Belegschaft ruhig zu halten und die Arbeiter immer wieder zu vertrösten.

Einenkel gab dies in der Gerichtsverhandlung offen zu: „Wir hatten nur zwei Möglichkeiten: entweder wir stimmen dem Vertrag zu oder wir führen einen politischen Streik. Diese beiden Möglichkeiten gab es. Wir haben uns entschieden zu akzeptieren.“

Das Wort „politischer Streik“ war von Einenkel bewusst gewählt, um das laut Betriebsverfassungsgesetz Verbotene hervorzuheben und den Eindruck zu erwecken, ihm seien die Hände gebunden. Seit Jahren ist Einenkel derjenige, der Streiks und Proteste gegen den Abbau von vielen tausend Arbeitsplätzen verhindert. 70 Prozent der Arbeitsplätze wurden abgebaut, seitdem er 2005 den Betriebsratsvorsitz übernommen hat.

Als oberster Vertreter der IGM im Werk war Einenkel in alle Absprachen und Vereinbarungen zwischen Gewerkschaft und Opel-Management eingebunden. Er wusste frühzeitig über die geplante Stilllegung, verheimlichte sie aber vor der Belegschaft und verbreitete die Meldung, es sei noch nichts entschieden. Selbst als Ende des letzten Jahres Gewerkschaft und Management die Schließung des Bochumer Werk bekannt gaben, war Einenkel derjenige, der vehement jeden attackierte, der Protest und Kampfmaßnahmen forderte.

Die MLPD und ihre Betriebsgruppe verteidigen wiederum sklavisch die IG Metall, für die sie im Betrieb die Fußtruppen stellen. Auch in der von ihr angestrengten Gerichtsverhandlung thematisierten sie nicht die offenensichtliche Verschwörung von IG Metall und Opel-Geschäftsleitung.

Gärtner-Leymann und der sie vertretende Rechtsanwalt Roland Meister, Mitglied des Zentralkomitees der MLPD, gingen nicht weiter auf die Weigerung der IG Metall ein, die Dokumente des ausgehandelten Vertrags oder Eckpunktepapiers der Belegschaft vorzulegen.

Vielmehr konzentrierten sie sich auf Einenkel. Gärtner-Leymann sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas zugestimmt wurde, was nicht schriftlich vorliegt.“ Auch Meister fragte Einenkel wiederholt nach den Unterlagen. Weil dieser immer wieder betonte er sei nicht im Besitz des Vertragstextes, wies das Arbeitsgericht den Antrag auf Einstweilige Verfügung erwartungsgemäß ab.

Die MLPD hatte schon zuvor damit begonnen, sich ausschließlich auf Auseinandersetzungen mit Einenkel zu kaprizieren, den sie zuvor unterstützt hatte. Und das just in dem Moment, in der die IG Metall wieder das Heft in die Hand nimmt und die Schließung forciert. So soll die IG Metall aus der Schusslinie gebracht werden und Arbeiter von den notwendigen Schlussfolgerungen abgehalten werden.

Denn die Rolle der IG Metall ist die zentrale Frage in der Auseinandersetzung bei Opel in Bochum. Die Opel-Arbeiter müssen sich unabhängig von der Gewerkschaft organisieren, um ihre Arbeitsplätze verteidigen zu können. Als erstes sollten sie Giesler zwingen, alle bisher hinter ihrem Rücken mit Opel vereinbarten Punkte herauszugeben und sie für null und nichtig erklären. Eines ist klar geworden: Die IG Metall spricht nicht für die Belegschaft.

Eigene neue Organisationsformen – Aktions- oder Basiskomitees – müssen aus den Reihen der Belegschaft und ihrer Familien gegründet werden, um einen Kampf gegen die Vernichtung der Arbeitsplätze zu leiten. Die Partei für Soziale Gleichheit und die World Socialist Website unterstützen jeden Versuch, der geeignet ist, Arbeiter aus dem Würgegriff der Gewerkschaft, der Betriebsräte und ihrer Helfershelfer zu befreien. Wir ermutigen alle, die die kampflose Aufgabe der Lebensgrundlage von tausenden Arbeitern und ihrer Familien nicht akzeptieren wollen, uns zu kontaktieren.

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