Griechenland: Regierung und Opposition demonstrieren gemeinsam

Für den 19. Januar rufen griechische Gewerkschaften, Parteien, Stadträte und Verbände zu einer Demonstration gegen die faschistische Partei Chrysi Avgi und deren migrantenfeindliche Politik auf. Auf dem Syntagmaplatz in Athen werden Zehntausende erwartet. Kleinere Solidaritätsaktionen sind in verschiedenen europäischen Städten wie London, Barcelona und Paris angekündigt.

Die Veranstalter sprechen mit den Protesten die weit verbreitete Bestürzung über das Wachsen der faschistischen Gefahr in Griechenland an. Millionen Griechen sind von der menschenverachtenden Propaganda der Chrysi Avgi und den regelmäßigen Angriffen auf politische Gegner, Homosexuelle und Migranten empört und angewidert.

Doch das Bündnis der Veranstalter verfolgt nicht den Zweck, die Faschisten oder die Staatsaufrüstung zu bekämpfen. Es dient dazu, Unterstützung für die rechte Regierungspolitik zu organisieren und neue Koalitionen für weitere soziale Angriffe zu schmieden. Neben Regierungsvertretern rufen verschiedene pseudolinke Gruppen wie die Koalition der Radikalen Linken (Syriza) oder die Kommunistische Partei (KKE) zu der Demonstration auf. Diese Gruppierungen sind selbst für die Hatz auf Migranten und das Erstarken der Rechtsextremen verantwortlich. Ihr „Bündnis gegen rechts“ wird die Rechten nicht schwächen, sondern stärken.

Die Faschisten können in Griechenland Einfluss gewinnen, weil die breite Masse der Bevölkerung in unbeschreibliche Verzweiflung getrieben und der Widerstand der Arbeiter dagegen systematisch sabotiert und unterdrückt wird.

Nirgends ist die Krise des europäischen Kapitalismus so greifbar wie in Griechenland. Während sich eine schmale Schicht von griechischen Millionären zusammen mit den internationalen Banken und Spekulanten sagenhaft bereichert, wächst auf den Straßen Athens das blanke Elend. Arbeitslosigkeit, Hunger und fehlende medizinische Versorgung haben breite Teile der Bevölkerung erfasst. Fünf durch die EU diktierte Sparpakete haben das Land in einen humanitären Abgrund gestürzt.

Diese horrende soziale Ungleichheit ist mit demokratischen Rechten für die Bevölkerung unvereinbar. Wie in der Weimarer Republik wachsen die autoritären Tendenzen des Staatsapparats. Regierte Reichskanzler Brüning damals mit Notverordnungen, die er erst im Nachhinein vom Parlament absegnen ließ, sind es in Griechenland die Verordnungen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds, die die parlamentarische Kontrolle aushebeln.

Die Demonstration am 19. Januar wird von eben den Parteien unterstützt, die für diese Entwicklung verantwortlich sind. Die sozialdemokratische PASOK, die im Stadtrat Athens für die Unterstützung der Proteste votierte, ist seit Oktober 2009 an der Regierung und für jede einzelne Einsparung und Kürzung verantwortlich. Zusammen mit der konservativen Nea Dimokratia (ND) und der Demokratischen Linken (DIMAR), die ebenfalls zu den Unterstützern der Demonstration zählt, hat sie diese Politik seit Juni letzten Jahres in einer Koalitionsregierung fortgesetzt und verschärft.

Mit ihrer Hetze gegen Migranten spielt die Regierungskoalition den Faschisten direkt in die Hände. So hat sie die Aktion „Xenios Zeus“ organisiert, in deren Verlauf seit August zehntausende Polizisten mobilisiert wurden, um bisher 65.767 fremd aussehende Menschen zu verhaften und 4.145 von ihnen zu deportieren, weil sie keine gültigen Papiere vorlegen konnten.

Auch gegen streikende Arbeiter wurden vermehrt Sicherheitskräfte eingesetzt. In einem Stahlwerk bei Athen löste die Polizei im Juni einen neun Monate andauernden Streik brutal auf. In Piräus wurden Hafenarbeiter von Sicherheitskräften angegriffen. Friedliche Demonstranten auf dem Syntagmaplatz werden regelmäßig mit Tränengas und Gummiknüppeln auseinandergetrieben.

Dieselben Polizeikräfte sind eine wichtige Stütze der Faschisten. Schätzungen zufolge wählten bei der letzten Parlamentswahl 60 Prozent der Polizisten Chrysi Avgi. Viele Augenzeugen haben berichtet, dass Polizisten faschistische Überfälle tatenlos hinnehmen und Anwohner, die sich über kriminelle Taten von Migranten beschweren, direkt an Chrysi Avgi vermitteln. Zudem hat die Polizei mehrfach antifaschistische Demonstranten festgenommen, gedemütigt und gefoltert.

Eine besonders üble Rolle spielen die verschiedenen pseudolinken Tendenzen, die ebenfalls zu dem Protestmarsch aufrufen. Organisationen wie Syriza, die KKE oder die Kooperation der Antikapitalistischen Linken für den Umsturz (Antarsya) unterstützen große Teile des Regierungsprogramms und setzen alles daran, den Widerstand der Arbeiter zu ersticken.

Als größte Oppositionspartei hat Syriza hat es abgelehnt, das letzte Sparpaket durch das Erzwingen von Neuwahlen zu stoppen. Sie verteidigt die griechische Mitgliedschaft in der EU und versichert den internationalen Banken, dass Griechenland seine Kredite zurückbezahlen werde. Schon mehrfach forderte die Partei zudem eine Aufstockung der Polizeikräfte in den Stadtvierteln.

Zusammen mit der KKE und Antarsya verteidigt Syriza die Gewerkschaften, die eng mit der Regierung zusammenarbeiten und die Streiks und Proteste der Arbeiter systematisch ins Leere laufen lassen. In den letzten Jahren hat Griechenland Dutzende 24-stündige Generalstreiks erlebt, die langfristig angekündigt wurden und zeitlich streng befristet waren. Sie waren völlig wirkungslos und dienten ausschließlich dazu, Dampf abzulassen und die Arbeiter zu demoralisieren.

Diese Politik der pseudolinken Gruppen und Gewerkschaften verwandelt die soziale Empörung bestimmter Schichten in politische Verzweiflung und macht sie so zum Nährboden für die Faschisten. Weil die Arbeiter daran gehindert werden, zu kämpfen und der kapitalistischen Katastrophe eine fortschrittliche Alternative entgegenzustellen, ist Chrysi Avgi in der Lage, den Bodensatz der Gesellschaft für ihr faschistisches Programm zu mobilisieren.

Das Bündnis, das zu der Demonstration am 19. Januar aufruft, dient dazu, eine unabhängige Bewegung der Arbeiter zu verhindern und die Bevölkerung an den Staat und seine Parteien zu binden. Es ordnet die Arbeiter den Kräften unter, die immer rascher nach rechts gehen, die sozialen und demokratischen Rechte torpedieren und die Bevölkerung unterdrücken. Auf diese Weise wird den Faschisten der Weg geebnet.

Dies ergibt sich nicht nur aus der gegenwärtigen Entwicklung in Griechenland, sondern ist eine fundamentale Erfahrung des 20. Jahrhunderts. Mit der Verschärfung der Klassengegensätze und gesellschaftlichen Spannungen greift die Bourgeoisie zu autoritären Formen der Herrschaft bis hin zum Faschismus. Der einzige fortschrittliche Ausweg aus der sozialen Katastrophe und die einzige Antwort auf die faschistische Gefahr ist eine unabhängige Bewegung der Arbeiter mit einer sozialistischen Perspektive.

Als die Stalinisten 1936 die spanische Revolution unterdrückten und die Arbeiter im Namen einer „Volksfont“ gegen die Faschisten den bürgerlichen Parteien unterordneten, öffneten sie damit Franco den Weg zum Sieg. In Deutschland verweigerte die SPD jede Einheit mit der KPD gegen Hitler und schürte stattdessen die Illusion, die preußische Polizei und ranghohe Militärs würden die Nazis stoppen. Gestärkt wurde sie dabei durch die ultralinke Politik der stalinistischen KPD.

Angesichts der sozialen Katastrophe und der Rolle der pseudolinken Gruppen ist die Gefahr des Faschismus in Griechenland heute sehr real. Gerade deshalb ist eine unabhängige Bewegung der Arbeiter, die sich sowohl gegen die faschistischen Banden als auch gegen die sozialen Angriffe der Regierung wendet, von entscheidender Bedeutung.

Arbeiter müssen sich vom Einfluss der Gewerkschaften und der pseudolinken Gruppen befreien und den Kampf gegen die rechte Gefahr in die eigenen Hände nehmen. Aktionskomitees müssen politische Veranstaltungen, Migranten und Kollegen in den Stadtvierteln sowohl gegen die Angriffe der Faschisten als auch des Staatsapparats verteidigen.

Das kann aber nur der erste Schritt sein. Die Faschisten können nur mit einer sozialistischen Perspektive geschlagen werden, die dem brutalen kapitalistischen System den Krieg erklärt und für eine Arbeiterregierung kämpft, die Banken und Unternehmen enteignet und den Reichtum im Interesse der ganzen Gesellschaft verwendet. Das erfordert den Aufbau einer neuen Partei, die die Arbeiter im Kampf für ein sozialistisches Programm international vereint.

Loading