Fast jeder vierte Jugendliche im Ruhrgebiet lebt von Hartz IV

Zahlreiche Berichte und Studien haben in jüngster Zeit darauf hingewiesen, dass die Armut in Deutschland trotz Wirtschaftswachstum und im europäischen Vergleich relativ niedriger Arbeitslosigkeit stark zunimmt.

Laut einer Studie des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe leben allein in Nordrhein-Westfalen etwa 223.000 junge Menschen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren in Haushalten, die von Hartz IV abhängig sind. Das entspricht 10,7 Prozent aller Jugendlichen in diesem Alter. Die Quote liegt damit über dem bundesweiten Durchschnitt von 8,6 Prozent.

In vielen Städten des Ruhrgebiets liegt dieser Anteil noch wesentlich höher. Mit 22 Prozent erreicht Gelsenkirchen den bundesweiten Höchststand. Auch Essen, Duisburg, Wuppertal und Dortmund zählen diesen Angaben nach zu den 25 Kreisstädten mit den höchsten Quoten an armen Jugendlichen.

Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung von Dezember letzten Jahres zufolge lag die Armutsquote von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren in Deutschland im Jahr 2011 bei 18,9 Prozent. Dies bedeutet, dass fast 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Armut leben.

Mit fast einem Drittel hat das Bundesland Bremen die bundesweit höchste Armutsquote unter Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren. Bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist die Armutsquote mit 44,1 Prozent die höchste in Westdeutschland.

Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit ist Bremerhaven neben Gelsenkirchen die Stadt mit dem bundesweit höchsten Anteil von Kindern in Familien, die von Hartz IV abhängig sind. In manchen Stadtteilen wie Gröpelingen oder Tenever ist jedes zweite Kind und jeder zweite Jugendliche von Armut betroffen.

Unter allen westdeutschen Flächenstaaten weist Nordrhein-Westfalen die höchste Armutsgefährdung unter Kindern und Jugendlichen auf. Für dieses Bundesland ist auch der stärkste Anstieg der Armut bei Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen. Waren 2005 noch 24,1 Prozent dieser Altersgruppe armutsgefährdet, so stieg ihr Anteil auf zuletzt 27,6 Prozent. Mit 678.000 leben in Nordrhein-Westfalen mehr Kinder und Jugendliche in Armut als in Baden-Württemberg), Bayern und Hessen zusammen.

Die aktuelle Armutsquote der unter 18-Jährigen in Nordrhein-Westfalen liegt um etwa 6 Prozent über dem Armutsrisiko der Gesamtbevölkerung. Auch bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist die Armutsquote hier mit 36,4 Prozent überdurchschnittlich hoch.

In den ostdeutschen Bundesländern ist das Armutsrisiko von Kindern und Jugendlichen überall höher als im Bundesdurchschnitt. Mecklenburg-Vorpommern weist mit 30,1 Prozent die zweithöchste Quote nach Bremen in dieser Altersgruppe auf. Noch etwas höher ist hier die Zahl der Kleinkinder unter drei Jahren, die von Armut betroffen sind.

Mehr als ein Viertel der Kinder und Jugendlichen in Sachsen und Sachsen Anhalt sind arm, und die Quote hat, wie in den meisten anderen östlichen Bundesländern auch, stark zugenommen. Sie stieg von 2005 um 3,3 Prozent auf aktuell 31,4 Prozent.

Berlin nimmt bei fast allen Armutsstatistiken neben dem Ruhrgebiet einen Spitzenplatz ein. Die Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen beträgt hier 27 Prozent. Auch hier sind Kinder von Einwanderern besonders stark betroffen. Unter den Jugendlichen von 15 bis 18 Jahren lebt fast jeder zweite in Armut.

Die von 2001 bis 2011 in Berlin regierende Koalition von SPD und Linkspartei trägt die Hauptverantwortung dafür, dass die Bundeshauptstadt auch gleichzeitig die Hauptstadt von Arbeitslosigkeit, Niedriglohnarbeit und Armut ist, während der Berliner Landesbank Milliarden an Steuergeldern zugesteckt wurden.

Auch in Nordrhein-Westfalen ist die seit Langem anhaltende Armutsentwicklung ein Ergebnis von jahrzehntelanger sozialdemokratischer Politik, die nur kurz von 2005 bis 2010 von einer CDU/FDP-Regierung unterbrochen wurde. Seit 2010 ist die von Hannelore Kraft geführte rot-grüne Regierung an der Macht, die sich eine radikale Kürzungspolitik auf die Fahnen geschrieben hat.

Während des Landtagswahlkampfs warb Kraft mit dem scheinheiligen Slogan „Wir lassen kein Kind zurück“. Bei dem gerade eingebrachten Landeshaushalt für 2013 will Rot-Grün über 152 Millionen Euro bei den Förderprogrammen des Landes kürzen. Davon betroffen ist auch die Kinder- und Jugendhilfe. Der Kulturbereich wird um 12,2 Millionen Euro gekürzt. Dem fallen auch die Mittel für die Kulturerziehung von Kindern und Jugendlichen zum Opfer. Bibliotheken, von denen schon zahlreiche schließen mussten, erhalten 5,5 Millionen Euro weniger.

Im Ressort Soziales von Arbeitsminister Guntram Schneider (ehemaliger NRW-Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds) sieht der Haushaltsplan Kürzungen von 12,7 Millionen Euro vor. 5 Millionen davon sind Kürzungen bei den Zuschüssen für die Wohlfahrtsverbände. Um fast 75 Prozent, von 3,5 auf 1 Million Euro, wird der Zuschuss für das Mittagessen für Kinder aus armen Familien zusammengestrichen. Selbst die 140.000 Euro, die die Landesregierung zuletzt bei Mehrlingsgeburten für Geschenke an die Eltern ausgegeben hat, werden ersatzlos gestrichen.

Dabei gilt dieser Haushaltsplan nur als Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Die rot-grüne Landesregierung will bis 2017 strukturell eine Milliarde Euro im Landesetat einsparen.

Auch für die miserable finanzielle Situation der meisten Kommunen im Ruhrgebiet trägt die Politik der NRW-Landesregierung eine Hauptverantwortung. Mit dem „Stärkungspaket Stadtfinanzen“, das die Regierung von Hannelore Kraft letzten Sommer auf den Weg gebracht hat, wird sich die soziale Polarisierung in den Ruhrgebietsstädten weiter verschärfen. (Siehe dazu: „Sozialer und kultureller Kahlschlag im Ruhrgebiet“)

Verantwortlich für die Entwicklung von Massenarmut ist auf Bundesebene vor allem die von Gerhard Schröder geführte rot-grüne Regierung, die mit der Einführung von Hartz IV die Entstehung eines riesengroßen Niedriglohnsektor begünstigt hat. Zahlreiche weitere Sparmaßnahmen auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene haben diese Entwicklung verstärkt.

Eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) vom November letzten Jahres macht auf die starke Zunahme von Armut in deutschen Städten aufmerksam. In sechs Städten – Leipzig, Dortmund, Duisburg, Hannover, Bremen und Berlin – ist die Armut so stark angestiegen, dass inzwischen jeder vierte bis fünfte Einwohner unter der Armutsgrenze lebt.

Die Studie bemerkte, es sei besonders irritierend, dass die Armut weiter angestiegen sei, obwohl die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist. Dies ist vor allem auf den wachsenden Niedriglohnsektor zurückzuführen. Besonders hoch ist der Anteil armer Einwohner in Städten, die hohe Arbeitslosenquoten haben. An der Spitze steht die ostdeutsche Stadt Leipzig mit einer Armutsquote von 25 Prozent im Jahr 2011. Dicht dahinter folgen gleich die Ruhrgebietsstädte Dortmund und Duisburg mit Armutsquoten von 24 und 23,5 Prozent. Insbesondere in Bezug auf Duisburg vermerkt die Studie, dass man hier beobachten könne, wie eine „Stadt als Ganzes“ verarme.

Während die Armut und Verschuldung der Städte sowie die Sparmaßnahmen und Kürzungen von Bundes-, Landesregierungen und Kommunen vor allem dazu führen, dass die Lebensbedingungen für Millionen von Menschen immer schwieriger werden und die Armut Rekordniveaus erreicht, gibt es selbst in Städten wie Duisburg genug Geld, um zum Beispiel Erich Staake, dem Vorstandsvorsitzenden der Duisburger Hafen AG 2011, ein Jahresgehalt von 634.500 Euro zu bezahlen.

Ebenso werden sich die Personalkosten für die Vorstandsetage der städtischen Wirtschaftsbetriebe in Duisburg in diesem Jahr auf eine halbe Million Euro fast verdreifachen. Aufgrund von kommunalpolitischem Geschacher des von SPD, Grünen und Linken geführten Stadtrats wurde dem bisherigen einzigen Chef Thomas Patermann mit 200.000 Euro Jahreseinkommen, noch Peter Greulich von den Grünen (170.000 Euro) und Uwe Linsen von der SPD (130.000 Euro) zur Seite gestellt.

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