Perspektive

NSA-Verteidiger verdoppeln Hetzkampagne gegen Edward Snowden

Wer noch Zweifel daran hatte, was Präsident Barack Obamas NSA-Überwachungs-"Reform" wirklich bedeutet, wurde am Sonntag eines besseren belehrt: Sowohl Demokraten wie Republikaner beteiligten sich an der brutalen Hetzkampagne gegen den Mann, der die illegalen NSA-Aktivitäten an die Öffentlichkeit gebracht hat: Edward Snowden.

Drei führende Kongressmitglieder, Demokraten und Republikaner, traten in Fernsehtalkshows auf, um Snowden als Verräter und russischen Spion zu brandmarken und seine Verurteilung und Exekution zu rechtfertigen. Dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter werden von Staatsanwälten Verstöße gegen den Espionage Act von 1917 vorgeworfen, wenn er auch bisher nicht angeklagt wurde.

Ohne Snowdens Enthüllungen hätte sich Obama nicht gezwungen gesehen, am Freitag eine Rede vor dem Justizministerium zu halten. Snowden hatte enthüllt, dass die Telefongespräche, E-Mails, Textnachrichten und Internetaktivitäten von hunderten Millionen Amerikanern und weiteren zahllosen Millionen Menschen weltweit überwacht werden.

Die Antwort des Präsidenten bestand aus hohlen Phrasen über die "Privatsphäre" und vagen Vorschlägen zur besseren "Kontrolle"; im Kern aber verteidigte er auf ganzer Linie die Praxis eines Polizeistaat, wie sie die NSA und andere Geheimdienste in den USA und weltweit praktizieren.

Mit seinen verlogenen Behauptungen und seinem Angriff auf Snowden gab Obama den Leuten auf dem rechtesten Flügel des Establishments grünes Licht, die nach dem Blut des Whistleblowers schreien.

Mike Rogers, Republikanischer Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, trat in der NBC-Sendung "Meet the Press" auf, die bezeichnenderweise von Boeing gesponsert wird, und bezeichnete Snowden als "Dieb", der vermutlich Helfershelfer gehabt habe. Snowden und seine Helfer hätten Informationen gestohlen, die in den allermeisten Fällen nichts mit Privatsphäre zu tun hätten, sondern "mit der Art und Weise, wie wir im Ausland arbeiten, um Informationen zu sammeln und die Sicherheit der Amerikaner zu gewähren".

Das ist völliger Unsinn angesichts der zahlreichen Programme, die Snowden enthüllt hat, mit denen die NSA Billionen von Telefon- und Internetdaten abfängt. Was ihre "Arbeit im Ausland" angeht, so zeigen Snowdens Enthüllungen, dass selbst Telefone und Computer von Regierungsoberhäuptern ausspioniert werden, wie zum Beispiel das Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel oder der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. Außerdem werden internationale Treffen der Europäischen Union und anderer Institutionen abgehört und Industriespionage gegen den brasilianischen staatlichen Ölkonzern Petrobras und europäische Unternehmen und Wirtschaftsfunktionäre betrieben. Nichts davon hat etwas damit zu tun, "die Sicherheit der Amerikaner zu gewährleisten", sondern dies alles dient lediglich dem Profitstreben der amerikanischen Finanz- und Wirtschaftsriesen.

Rogers versuchte, seine völlig haltlosen Vorwürfe zu bekräftigen, Snowden sei ein Spion, indem er erklärte: "Er hatte seine Reise arrangiert, schon bevor er ging", und "Er saß auf gepackten Koffern." Eine Reise vor der Abfahrt zu organisieren, ist für die meisten rational denkenden Menschen etwas völlig Normales, geschweige denn für jemanden, der weiß, dass er sofort zum Zielobjekt einer weltweiten Fahndung wird, sobald er den illegalen Lauschangriff der NSA enthüllt.

Der Abgeordnete erklärte weiter: "Ich glaube, es gibt einen Grund, warum er schließlich in Moskau in die Hände, ja die liebenden Arme eines Agenten des FSB [des russischen Inlandsgeheimdienstes] geriet (...) Ich glaube, es war nicht bloß sagenhaftes Glück, dass er in Moskau in die Obhut des FSB geriet."

Die Demokratische Vorsitzende des Senats-Geheimdienstausschusses, Dianne Feinstein, erklärte auf die Frage, ob sie ebenfalls der Meinung sei, Snowden arbeite mit den Russen zusammen: "Das könnte schon sein. Wir wissen es noch nicht. Aber ich denke, diese Tat zu verherrlichen, wäre ein neues Stadium der Ehrlosigkeit."

Der Republikanische Vorsitzende des Ausschusses für Heimatschutz im Repräsentantenhaus, Mike McCaul, wiederholte diese Verleumdungen auf ABC News und erklärte: "Ich persönlich glaube, er wurde von einer fremden Macht dazu angestiftet, zu tun was er getan hat. Und er – das möchte ich noch einmal betonen – ist kein Held. Er ist ein Verräter."

Alle diese Amtsträger haben die Aktivitäten des US-Militärs und des Geheimdienstapparats durchgewunken und beklatscht, und sie können die Vorwürfe, die für Snowden das Todesurteil bedeuten könnten, nicht mit einem einzigen Beweis belegen.

Einiges von dem, was sie sagen, ist ganz einfach absurd. Die Behauptung, Snowden sei "in die liebenden Arme" eines FSB-Agenten in Moskau geflogen, ist eine dreiste Lüge. Nachdem Snowden mehrere Verbrechen der NSA enthüllt hatte, versuchte er, Zuflucht in Ecuador zu suchen, doch dann zog die US-Regierung seinen Reisepass ein, sodass er 39 Tage lang im Transitbereich des internationalen Flughafens Scheremetjewo in Moskau festsaß, wo er in ein anderes Flugzeug hatte umsteigen wollen. Das deutet kaum darauf hin, dass FSB-Agenten schon auf ihn warteten.

Die US-Regierung rechnete eindeutig nicht damit, dass Snowden in Russland bleiben würde. Sonst hätten sie nicht auf so brachiale Weise versucht, das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales zum Landen zu zwingen, weil sie den Verdacht hatten, dass der ehemalige NSA-Mitarbeiter in diesem Flugzeug in sein Asyl nach Bolivien fliege.

Diese Lügen- und Verleumdungskampagne soll, genau wie Obamas Rede, die Öffentlichkeit einschüchtern und den Widerstand gegen die Polizeistaatspraktiken der NSA in den USA und auf der ganzen Welt unterdrücken. Wie schon bei den Hetzkampagnen gegen Julian Assange und Bradley Manning besteht das Ziel darin, Snowden als Verbrecher hinzustellen.

In Wirklichkeit ist er es, der die wahren Verbrecher entlarvt hat: Zum Beispiel Obama und die Geheimdienstchefs, die schuldig sind, gegen die Verfassung verstoßen zu haben, weil sie systematisch die demokratischen Rechte der amerikanischen Bevölkerung missachten.

Die jüngste Umfrage von Quinnipiac von Anfang Januar 2014 hat gezeigt, dass die Unterstützung für Snowden in den letzten Monaten nur gewachsen ist: 57 Prozent nennen ihn einen Whistleblower, nur knapp ein Drittel (34 Prozent) teilen die Ansicht von Obama und der Führung beider Parteien des Großkapitals, die ihn als Verräter hinstellen. Unter jungen Menschen von achtzehn bis 29 Jahren ist das Verhältnis sogar noch deutlich stärker: 77 Prozent von ihnen unterstützten Snowden und seine Taten. Unter Amerikanern mit weniger als 50.000 Dollar Jahreseinkommen ist der Rückhalt für Snowden höher als bei jenen mit über 100.000 Dollar im Jahr.

Dass diese Unterstützung der Bevölkerung für Snowden innerhalb des politischen Establishments oder der Massenmedien keinen Ausdruck findet, zeigt nur noch deutlicher die enorme Kluft zwischen der arbeitenden Bevölkerung und der reichen Oligarchie, die beide politischen Parteien kontrolliert, wie auch den großen Zeitungen und Fernsehsender.

Parallel zur Unterstützung für Snowden wächst die Wut der Bevölkerung über die soziale Ungleichheit, die sich auf Rekordniveau befindet, und über die Politik der Regierung, die den gesellschaftlichen Reichtum den Reichen zuschiebt, soziale und demokratische Rechte der Arbeiterklasse angreift und neue Kriege vorbereitet.

Diese Unterstützung und Wut müssen für die Entwicklung einer politisch unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse genutzt werden, damit Edward Snowden verteidigt und der Kampf gegen den wachsenden Polizeistaat geführt werden kann. Das erfordert einen Kampf gegen die Obama-Regierung, beide Parteien und das kapitalistische System, das sie verteidigen.

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