USA: Drohungen gegen Journalisten und Ed Snowden

Fraktionsführer des Kongresses und Vertreter des amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparats verschärfen ihre Drohungen gegen Edward Snowden. Sie bedrohen auch Journalisten, die ihn bei der Entlarvung des massiven, illegalen Lauschangriffs der National Security Agency (NSA) unterstützen.

Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers (Republikaner, Michigan), vertrat am Dienstag bei einer Anhörung mehrfach die Ansicht, dass sich Journalisten, die von Snowden veröffentlichte NSA-Dokumente erhalten und Artikel darüber schreiben, krimineller Handlungen schuldig machen.

Schon vorher hatten Mitglieder des Militär- und Geheimdienstapparats Morddrohungen gegen Snowden ausgestoßen. Die Obama-Regierung hatte ihn aufgefordert, sich schuldig zu bekennen und sich der Justiz zu stellen.

Am Dienstag verwickelte Rogers seinen Hauptzeugen, FBI-Direktor James Comey, in ein langes Gespräch darüber, ob ein anonymer Journalist der "Hehlerei" schuldig sei, wenn er Artikel veröffentlicht, die auf Snowdens Enthüllungen basieren. Rogers erklärte, da Reporter für ihre Arbeit bezahlt würden, machten sie sich schuldig, gestohlene Ware für Eigengewinn zu verkaufen. Er fragte Comey: "Wenn ich gestohlenes, vertrauliches Material verkaufe, dessen Besitz mir rechtlich nicht zusteht, damit ich persönlich davon profitieren kann, – ist das kein Verbrechen?"

Comey war mit seiner öffentlichen Äußerung vorsichtiger. Er stimmte zu, dass ein Journalist, der gestohlenen Schmuck verkauft, eines Verbrechens schuldig sei. Bei gestohlenen Dokumenten sei der Fall jedoch nicht so eindeutig. "Ich denke, das ist eine schwierigere Frage, weil es um das Sammeln von Nachrichten geht. Es könnte jedoch Probleme mit dem ersten Zusatzartikel geben." (Hervorhebung hinzugefügt)

Comey schloss jedoch eine Anklage nicht aus. Rogers fuhr fort: "Wenn ich also ein Zeitungsreporter für bestimmte Themen bin, und ich gestohlenes Material verkaufe, – ist das dann legal, weil ich Zeitungsreporter bin?"

Derart von Rogers unter Druck gesetzt, erklärte Comey schließlich: "Ich möchte über diesen besonderen Fall nicht reden, weil wir in dieser Sache aktiv ermitteln."

Rogers fragte daraufhin: "Ermitteln Sie aktiv in einer Sache der Komplizenschaft bei Weitergabe gestohlener Informationen?" Comey antwortete: "Wir betrachten in der Sache Diebstahl und Weiterverbreitung die Gesamtheit aller Umstände."

Nach der Anhörung stellte Rogers klar, dass einer der Journalisten, die er gemeint hatte, Glenn Greenwald sei, der ehemalige Guardian-Reprter, der zahlreiche Artikel über die NSA geschrieben hat, gestützt auf seinen Zugang zum Großteil der Dokumente, die sich Snowden angeeignet hatte. "Er verkauft jetzt mit persönlichem Gewinn seinen Zugang zu Informationen. So formulieren sie es", behauptete Rogers. "Ein Dieb, der gestohlenes Material verkauft, ist ein Dieb."

Über Snowden selbst sagte Rogers: "Nach einer ganzen Reihe von vertraulichen Besprechung kann ich Ihnen auch sagen, dass jene, die das berufsmäßig machen, der Ansicht sind, dass er unter dem Einfluss der Russen steht."

Aus dem Gespräch zwischen Rogers und Comey geht hervor, dass die Obama-Regierung Strafanzeige gegen Greenwald sowie gegen die Filmemacherin Laura Poitras und den Mitarbeiter der Washington Post, Barton Gellman, erwägt, die ebenfalls Zugang zu Snowdens Dokumenten hatten und darüber berichtet haben.

Glennwald verteidigte sein Handeln und das seiner Journalistenkollegen in Interviews und Twitter-Posts nach der Anhörung des Ausschusses heftig. "An der politischen Kultur in DC ist etwas äußerst faul geworden, wenn die Idee, Journalisten anzuklagen, heute Allgemeingut ist", erklärte er auf Twitter. "Der Hauptgrund dafür, dass solche Theorien über die Anklage von Journalisten verbreitet werden, ist die Hoffnung, dass dies zu einem Klima der Angst vor Journalismus beiträgt."

Noch niemals wurde in den USA ein Journalist der Hehlerei angeklagt, weil er unautorisierte Informationen erhielt. Greenwald fügte hinzu: "Man versucht es aus dem Bereich des Journalismus herauszubekommen, damit es besser kriminalisiert werden kann."

Rogers Drohungen gegen Journalisten erinnern an die McCarthy-Zeit. Gleichzeitig gibt es immer stärkere Drohungen gegen Snowden und seine Verbündeten von Seiten ranghoher Mitarbeiter des Militärs und der Geheimdienste.

Der Direktor des nationalen Geheimdienstes James Clapper, der am Dienstag bei einer anderen Anhörung aussagte, bezeichnete die Journalisten, die ausführlich über die NSA berichteten, als "Snowdens Komplizen", ein Begriff, der sie als Mitverschwörer bei einer kriminellen Unternehmung hinstellt. Clapper hatte vor einer Woche vor dem Geheimdienstausschuss des Senats ausgesagt und Snowden dort als den Verantwortlichen für den "schädlichsten Diebstahl von Geheimdienstinformationen unserer Geschichte" bezeichnet.

Michael Flynn, Generalleutnant des Heeres und Oberbefehlshaber der Defense Intelligence Agency, und Matt Olsen, Chef des National Counterterrorism Center, behaupteten, Snowdens Enthüllungen hätten Al Qaida und andere Terrororganisationen dazu veranlasst, ihre Verbindungen zu ändern.

Olsen erklärte: „In den letzten sechs bis acht Monaten haben wir erlebt, dass diese Gruppen sich unserer Fähigkeit bewusst werden, Kommunikationen zu überwachen. Wir haben besondere Vorfälle beobachtet, bei denen sie die Art, wie sie kommunizieren, verändert haben, damit sie nicht überwacht werden."

Diese Aussage ist nicht zu beweisen und vermutlich Unsinn, da sich der größte Teil von Snowdens Enthüllungen damit befasst, wie der US-Geheimdienst einfache Bürger in Amerika und weltweit überwacht. Er hat die riesigen Datenbanken entlarvt, in der alle Kommunikationen sämtlicher Individuen der ganzen Welt gespeichert werden. Das hat nichts mit dem Kampf gegen Terrorismus zu tun, aber alles mit der Art und Weise, wie die Bevölkerung gesehen wird. Es zeigt, dass der Militär- und Geheimdienstapparat sich auf die Unterdrückung von Bewegungen von unten vorbereitet, die als potentielle Gefahr für Gewinne und Eigentum der Finanzaristokratie gesehen werden.

Zeitgleich mit der Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss des Senats wurde ein 27-seitiger Bericht mit dem Titel "Weltweite Bedrohungsauswertung durch die Geheimdienste der USA" veröffentlicht, der jährlich vom Direktor des nationalen Geheimdienstes (DNI) dem Kongress vorgelegt wird. Der diesjährige Bericht nennt erstmals undichte Stellen im Inneren als große Gefahr für die nationale Sicherheit der USA und stuft sie sogar als größere Bedrohung als Terrorismus ein.

"Vertrauenswürdige Insider mit der Absicht, Schaden anzurichten, können ihren Zugang ausnutzen, um große Mengen von wichtigen und vertraulichen Informationen zu kompromittieren, entweder aufgrund persönlicher Ansichten oder auf Anweisung einer ausländischen Regierung“, lautet eine Warnung in dem Bericht. "Die ungenehmigte Veröffentlichung dieser Informationen an Gegner des Staates, nichtstaatliche Aktivisten oder andere Akteure wird eine große Bedrohung darstellen."

Dieser DNI-Bericht listet Terrorismus nur als drittgrößte Bedrohung auf. An erster Stelle steht die Gefahr von Cyberkriegsführung, wobei Russland, China, der Iran und Nordkorea als größte Gefahren genannt werden. Diese Liste bietet einen Einblick in die Diskussionen, die hinter den Kulissen von Pentagon, CIA und Außenministerium ablaufen, wo man sich immer mehr auf die Gefahr eines direkten militärischen Konfliktes mit Russland und China konzentriert. Das sind die Länder mit dem nach den USA zweit- und drittgrößten Atomarsenal der Welt.

Dass Enthüller wie Snowden als größere Bedrohung als Terrorismus eingestuft werden, lässt nichts Gutes erahnen. Terrorismus wurde als Rechtfertigung benutzt, um dem Präsidenten beispiellose Macht zu verleihen. So kann er unter anderem amerikanische Bürger ohne Prozess oder juristische Verfahren ermorden lassen. Obama hat zugegeben, dass er erstmals einen solchen Befehl gegeben hat, der im Jahr 2011 ausgeführt wurde, als der islamische Geistliche und gebürtige Amerikaner Anwar al-Awlaki, der im Jemen lebte, ermordet wurde. Er wurde von der CIA mit einer Drohnenrakete getötet.

Wenn Snowden also eine noch größere Bedrohung darstellt, wie der DNI-Bericht behauptet, was würde den "Oberbefehlshaber" dann daran hindern, seine Ermordung anzuordnen? Im Lauf des letzten Monats haben sich NSA-Mitarbeiter immer blutrünstiger geäußert, und die Republikaner im Kongress setzen sich offen für eine solche Operation ein.

Das Weiße Haus hat bisher in dieser Diskussion über Snowdens Ermordung noch nicht offen Stellung genommen, doch Obama ging bisher an solche Fragen immer so heran, dass er erst handelte und erst später darüber sprach.

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