Auftritt von Robert Service in Berlin endet in Fiasko

Ein öffentlich angekündigter Vortrag von Robert Service, Autor einer diskreditierten Trotzki-Biografie, geriet zu einer intellektuellen Bankrotterklärung. Der Auftritt am Mittwochabend in Berlin wurde in letzter Minute ohne Erklärung abgesagt. Studenten und Besucher, die zum Veranstaltungsort kamen, fanden nur einen Zettel an der Tür mit der Aufschrift: „Die Veranstaltung mit Herrn Robert Service am 12.02.2014 entfällt leider.“

Falsche Ankündigung am Veranstaltungsraum

Der Grund für die Absage lag nicht in widrigen Umständen. Professor Jörg Baberowski, der politisch rechts angesiedelte Inhaber des Lehrstuhls für die Geschichte Osteuropas an der Humboldt-Universität, hatte sie angeordnet, damit Service die Kritik an seiner Biografie nicht öffentlich beantworten musste.

In der Ankündigung des Vortrags auf der Website von Baberowskis Lehrstuhl hatte es geheißen: „Alle Interessierten sind herzlich willkommen! Eine Voranmeldung ist nicht nötig.“

Doch dann verlegte Baberowski Services Auftritt in demonstrativer Verachtung der Öffentlichkeit und des demokratischen Diskurses an einen geheimen Ort. Nur wenige Insider des Lehrstuhls, die Baberowski nahestehen, wurden über den neuen Veranstaltungsort informiert.

Aufgrund einer undichten Stelle in Baberowskis Apparat wurde der Ort des geheimen Treffens bekannt. Doch Besucher, die sich zu dem einen Kilometer entfernten neuen Raum begeben hatten, trafen dort auf einen Professor Baberowski, der von einem Sicherheitstrupp umgeben war und verlangte, dass sich Besucher identifizieren und den Grund für ihre Teilnahme nennen.

Wer von Baberowski verdächtigt wurde, womöglich kritische Fragen an Service zu stellen, wurde von der Veranstaltung ausgeschlossen, die in einem bunkerähnlichen Raum stattfand.

Zu den Ausgeschlossenen zählte auch David North, der mit seinem Buch „Verteidigung Leo Trotzkis“ maßgeblich zur Entlarvung von Services zusammengeschustertem Machwerk beigetragen hat. Als sich North zu erkennen gab, äußerte Baberowski persönliche Beleidigungen und drohte, die Polizei zu rufen.

Baberowski (olivfarbene Jacke, Hintergrund) und seine Sicherheitsleute versperren David North 2014 den Zutritt zu einem Kolloquium

Professor Mario Kessler von der Universität Potsdam wurde der Zutritt ebenfalls verwehrt. Kessler ist ein international anerkannten Historiker und Unterzeichner eines offenen Briefs an den Suhrkamp Verlag, der gegen die Veröffentlichung der deutschen Ausgabe von Services Biografie protestiert hatte.

Am Ende wurden nicht einmal 40 Teilnehmer eingelassen, die meisten Gehilfen Baberowskis, die es nicht wagten, Service kritische Fragen zu stellen. Die Türen wurden von innen abgeschlossen und außen von Sicherheitsleuten bewacht.

Die Veranstaltung war von einer Atmosphäre der Unterdrückung und Einschüchterung geprägt. Als ein Teilnehmer trotz aller Vorsichtsmaßnahmen in einer kritischen Frage darauf Bezug nahm, dass Service antisemitische Motive verwendet und insbesondere Trotzkis Vornamen als Kind gefälscht hatte, verlangte Baberowski, er solle schweigen.

Nach dem Treffen sagte ein Sicherheitsmann, er sei froh, dass nur zwei – wie er es nannte – „böse Fragen“ gestellt worden seien.

Das Seminar mit Robert Service (Mitte) und Baberowski (rechts)

Service selbst ging in seiner einstündigen, zusammenhanglosen Präsentation auf keine der neun Fragen ein, die ihm die PSG schriftlich gestellt hatte. Er erwähnte weder die vernichtende Kritik seines Buchs, die The American Historical Review veröffentlicht hatte, noch den Brief von 14 europäischen Historikern an den Suhrkamp-Verlag. Seine Bemerkungen bewegten sich zwischen Belanglosigkeiten (er schwadronierte ausführlich darüber, dass Trotzki aussah wie „ein Filmstar“) und Absurditäten (er behauptete, Trotzki und Stalin hätten nur wenige Meinungsverschiedenheiten gehabt).

Service bestand darauf, dass es keine Alternative zum Stalinismus gegeben habe. Er stellte Trotzki als bolschewistischen Gewalttäter dar, der genauso gehandelt hätte wie Stalin, wenn er nach Lenins Tod triumphiert hätte. Er schloss mit der Bemerkung, Trotzki sei ein „irregeleiteter, gefährlicher Politiker“ und „Stalins Blutsbruder“ gewesen.

Services Auftritt an der Humboldt Universität war als politisches, nicht als akademisches oder wissenschaftliches Ereignis konzipiert worden. Seine Einladung nach Berlin war Bestandteil von Baberowskis anhaltenden Bemühungen um ein neues, antikommunistisches Narrativ des 20. Jahrhunderts. Diese Kampagne steht in engem Zusammenhang mit der jüngsten, von den Medien begeistert aufgenommenen Ankündigung der deutschen Regierung, es sei an der Zeit, die jahrzehntelange militärische Zurückhaltung Deutschlands zu beenden.

Die Kampagne für die Wiederbelebung des deutschen Militarismus erfordert eine neue Interpretation der Geschichte, die die Kriegsverbrechen der Nazizeit als legitime Antwort auf „bolschewistische Gewalt“ rechtfertigt. Baberowski spielt bei dieser Geschichtsrevision eine bedeutende Rolle. Er geht dabei so weit, Hitler in einem günstigen Licht darzustellen.

In der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel äußert Baberowski die folgende sympathische Einschätzung des Führers: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“

Die Einladung von Robert Service an die Humboldt-Universität war Bestandteil dieser politischen Kampagne, die Geschichte umzuschreiben. Baberowskis Verhalten am Mittwoch machte deutlich, dass diese Revision der Geschichte Lügen, Fälschungen, Einschüchterung und Unterdrückung voraussetzt. Darin besteht die Bedeutung der Ereignisse, die sich am Mittwoch an der Humboldt-Universität abspielten. Dank des Eingreifens der Partei für Soziale Gleichheit endete diese Episode mit einem demütigenden Fiasko für Baberowski und Service.