Weißes Haus erwägt Drohnenmord an Amerikaner

Anonyme "hochrangige Regierungsvertreter" haben die Nachrichtenagentur Associated Press darüber informiert, dass die Obama-Regierung sich mit der Frage auseinandersetze, einen amerikanischen Staatsbürger „durch einen Drohnenangriff töten zu lassen, und erörtere, wie dies gemäß der neuen, strengeren Vorgaben auf legalem Weg erfolgen könne.

Dieser AP-Bericht ist außergewöhnlich, da er die Ermordung eines amerikanischen Staatsbürgers öffentlich ankündigt und rechtfertigt, bevor sie stattfindet. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass hier bewusst etwas an die Öffentlichkeit gebracht wurde. Das Ziel ist offenbar, dem verschwörerischen und verfassungswidrigen staatlichen Mordprogramm einen Anschein von „Transparenz“ und Legalität zu verleihen, um es besser als dauerhaftes Werkzeug der diktatorischen Vollmachten des Präsidenten nutzen zu können.

Die Regierungsvertreter, die mit AP sprachen, beschrieben ein Szenario, das nahtlos in den Rahmen passt, den Obama im Mai letzten Jahres in einer Rede an der National Defense University beschrieben hatte. Darin verteidigte er das Programm außergerichtlicher Ermordungen und versprach, eine "hohe Schwelle", die überschritten werden müsse, bevor er eine solche Ermordung anordnen würde.

Die Person, die das Ziel eines Drohnenangriffs werden soll, ist angeblich ein Terrorverdächtiger, der in einem Land leben solle, „das amerikanische Militäraktionen auf seinem Boden ablehnt und sich als unfähig erweist, ihn zu verfolgen."

Nach der offiziellen Politik Obamas müssen solche Personen von dem Joint Special Operations Command des US-Militärs getötet werden, und nicht von der CIA, die früher für derartige Angriffe verantwortlich war.

Laut AP war das Pentagon sich "uneins darüber, ob der Mann gefährlich genug sei, um die möglichen innenpolitischen Folgen in Kauf zu nehmen, die entstehen, wenn ein Amerikaner ohne Anklage oder Prozess getötet wird, und auch die möglichen internationalen Folgen einer solchen Operation in einem Land in Kauf zu nehmen, das Aktivitäten der USA ablehnt." Der Artikel fügte hinzu, dass das Militär sich letzten Endes dazu durchrang, die Ermordung zu befürworten.

Weiter hieß es in dem Bericht, dass das Justizministerium laut Obamas Regeln für Ermordungen eine Begründung vorlegen müsse, warum die Ermordung eines amerikanischen Staatsbürgers "legal und verfassungsgemäß ist," indem es ihn nach den Bestimmungen als "feindlichen Kämpfer" einstuft, die unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September verabschiedet wurden. Laut den amerikanischen Regierungsvertretern muss eine solche Begründung noch vorgelegt werden.

Die Obama-Regierung hat im Zuge der pseudolegalen Rechtfertigung ihres Mordprogramms aus dem Rechtsstaat eine reine Farce gemacht. Das Justizministerium wird vom Weißen Haus angewiesen, eine kurze Rechtfertigung für die Ermordung eines amerikanischen Staatsbürgers vorzubereiten, ohne dass eine Anklage öffentlich vorgelegt oder gar durch einen Prozess bestätigt wurde, und der Präsident setzt diese Person dann einfach auf eine Todesliste.

Die Obama-Regierung hat eine Reihe von Verfahren eingeführt, um ihre Entscheidungen durchwinken zu lassen, die einen unwiderruflichen Bruch mit der amerikanischen Verfassung und der Bill of Rights darstellen. Im fünften Zusatzartikel zur Verfassung heißt es: "Niemand darf in einem Strafverfahren zur Aussage gegen sich selbst gezwungen noch des Lebens, der Freiheit oder des Eigentums … ohne vorheriges ordentliches Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz beraubt werden“. Das bedeutet, jeder, der eines Verbrechens angeklagt wird, muss über die Vorwürfe in Kenntnis gesetzt werden und die Möglichkeit erhalten, sich gegen sie vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht zu verteidigen

Wenn Obama die geplante Ermordung dieser Person durch eine Drohne bewilligt, wäre sie der fünfte amerikanische Staatsbürger, der auf diese Weise getötet wird. Die bisherigen Opfer sind Anwar al-Awlaki, ein islamischer Geistlicher, geboren in New Mexico, ein weiteres ist der Amerikaner Samir Khan, der im September 2011 im Jemen bei dem gleichen Drohnenangriff getötet wurde; al-Awlakis sechzehnjähriger Sohn Abdulrahman, der zwei Wochen später im Jemen in Stücke gerissen wurde, und Jude Kenan Mohammed, der bei einem Drohnenangriff in Pakistan getötet wurde.

Die Obama-Regierung behauptet, nur al-Awlaki sei ausdrückliches im Fadenkreuz gewesen, die anderen drei seien nur "Kollateralschäden" des amerikanischen Drohnenkriegsprogramms gewesen, das von Pakistan und Afghanistan über den Jemen und Somalia und weitere Länder tausende Todesopfer gefordert hat.

Die American Civil Liberties Union (ACLU), die vor Gericht gegangen ist, um geheime Memoranden des Justizministeriums der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, mit denen die Drohnenmorde an al-Awlaki und anderen amerikanischen Staatsbürgern gerechtfertigt wurden, verurteilte die Pläne für die neue staatliche Ermordung, die am Montag enthüllt wurde.

„Das Mordprogramm der Regierung geht weit darüber hinaus, was das Gesetz erlaubt und basiert auf geheimen Beweisen und juristischen Interpretationen“, erklärte die Direktorin des National Security Project der ACLU Hina Shamsi. "Die gezielte Tötung eines Amerikaners, die jetzt erwogen wird, zeigt die inhärente Gefahr eines Tötungsprogramms, das auf vagen und schwankenden Rechtsstandards basiert, die es der Regierung beängstigend leicht machen, außerhalb des Gesetzes zu agieren. Die Tatsache, dass die Regierung sich so stark auf unvollständige und offensichtlich unzuverlässige Geheimdienstinformationen verlässt, steigert nur unsere Bedenken über ein desaströses Programm, in dem Menschen zu Unrecht getötet und verletzt werden."

AP machte in dem Bericht keine näheren Angaben über das neueste mögliche Opfer und erklärte, sie verheimliche den Namen des Landes, in dem er entdeckt wurde, auf Anweisung amerikanischer Behörden.

Die Washington Post deutete in ihrem Bericht jedoch auf die mögliche Identität der Zielperson hin. Sie schreibt: „Zu der "Kerngruppe von Al Qaida in Pakistan“, die Beziehungen zu Organisationen hat, die Anschläge auf amerikanische Truppen in Afghanistan verüben, gehöre mindestens ein bekannter Amerikaner namens Adam Gadahn. Die Zeitung fügt jedoch hinzu, dass Gadahn, der für seine YouTube-Videos bekannt ist, " allgemein als Sprecher und Medienpräsenz von Al Qaida gilt, aber nicht als Kämpfer, den amerikanische Beamte auf ihren Hitlisten führen".

Inzwischen wurde durch Dokumente, die der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden veröffentlicht hat, und die Aussagen aktueller und ehemaliger Drohnenoperatoren belegt, dass die NSA eine zentrale Rolle im Mordprogramm spielt. Die Ziele werden statt durch eindeutige, von Menschen gesammelte Geheimdienstinformationen überwiegend auf der Grundlage von Mobiltelefon-Metadaten ausgewählt.

Glen Greenwald und Jeremy Scahill berichteten in einem Artikel über diese Praxis; Greenwald schrieb auch auf seiner Online-Nachrichtenseite Intercept darüber. Sie wird dort als "unzuverlässige Methode" bezeichnet, die "unschuldige und nicht identifizierte Menschen das Leben kostet."

Der Artikel zitiert einen anonymen ehemaligen Drohnenoperator des JSOC, der erklärt, die Nutzung von Metadatenanalysen und Handy-Tracking-Technologien habe zur Ermordung von unschuldigen Menschen geführt, da das Ziel die SIM-Karte eines Handys ist, die sich möglicherweise nicht im Besitz der Zielperson befindet.

"Wenn die Bombe einschlägt, oder ein nächtlicher Überfall passiert, weiß man, dass das Telefon vor Ort ist“, erklärte der Operator. "Aber wir wissen nicht, wer dahinter steckt, wer es in der Hand hielt. Man nimmt natürlich an, dass das Telefon einem üblen Zeitgenossen gehört, der als rechtswidriger feindlicher Kämpfer gilt. Aber das ist sehr unsicher."

Der Bericht bestätigt auch ein streng geheimes NSA-Dokument, das Snowden zur Verfügung gestellt hat, laut dem die NSA "eine wichtige unterstützende Rolle" bei dem Drohnenangriff im September 2011 gespielt hat, bei dem die amerikanischen Staatsbürger Anwar al-Awlaki und Samir Khan im Jemen getötet wurden.

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