Perspektive

Edward Snowden und die europäischen Pseudolinken

Letzte Woche ist im Europaparlament ein Antrag gescheitert, dem NSA-Whistleblower Edward Snowden in Europa Asyl zu gewähren und seine "Anklage, Auslieferung oder Überstellung an Drittländer" abzulehnen. Das Vorgehen zeigt, dass es in der herrschenden Elite keinen Rückhalt für die Verteidigung demokratischer Rechte gibt.

Der Bürgerrechtsausschuss des Europaparlaments billigte am Mittwoch den 60-seitigen Entwurf eines Berichts über Massenüberwachung, aus dem der Name von Edward Snowden entfernt wurde. Dabei war es nur Snowdens heldenhaftem Einsatz zu verdanken, dass die Welt von der Massenüberwachungsprogrammen gegen hunderte Millionen Menschen in Europa, den USA und dem Rest der Welt weiß, die von der NSA, dem britischen GCHQ (Government Communications Headquarters und den Geheimdiensten der anderen Großmächte betrieben werden.

Der Bericht wurde letztes Jahr in Auftrag gegeben, als die europäischen Regierungen angesichts von Snowdens Enthüllungen scharfe, aber heuchlerische Kritik an den USA übten. Die einzige Sorge des politischen Establishments Europas waren nicht die verheerenden Auswirkungen auf demokratische Rechte durch massive staatliche Überwachung, sondern die Tatsache, dass die USA versuchen, sich politische und militärische Vorteile zu verschaffen, die den wirtschaftlichen und geopolitisch Interessen der europäischen Großmächte schaden.

Die europäischen Regierungen haben kein Problem mit dem Bestehen eines riesigen Überwachungsapparates, der alle Aktivitäten der Weltbevölkerung überwacht, darunter auch die von mehr als 700 Millionen Europäern.

Der Entwurf des britischen Labour-Politikers Claude Moraes für das Europaparlament fordert nicht die Abschaffung der staatlichen Überwachung, sondern nur "Reformen“. In dem Entwurf heißt es, es sei "wichtig, dass die transatlantische Zusammenarbeit bei der Terrorismusabwehr weitergeht." „Weiter heißt es, das Europaparlament sei bereit, aktiv in einen Dialog mit den amerikanischen Ansprechpartnern zu treten."

Kurz gesagt, die Europäische Union und die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten wollen Zugang zu den Informationen, die die USA gesammelt haben. Außerdem verlangen sie Zusicherungen, dass die USA einen gewissen politischen Anstand wahren, wenn es darum geht, Personen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel auszuspionieren.

Snowden hat außerdem enthüllt, dass Frankreich und Deutschland ähnliche Massenüberwachungssysteme haben, die sich vom britischen Spionagenetzwerk GCHQ nur in dem Ausmaß des Zugangs unterscheiden, den sie zu den Informationen haben, die die NSA gesammelt hat. Großbritannien, das zusammen mit den USA, Kanada, Australien und Neuseeland zu den "Fünf Augen" gehört, hat besonderen Zugang. Deutschland und Frankreich wollen ein ähnliches Abkommen schließen, um ihre eigenen Überwachungsoperationen zu ergänzen.

Die USA haben alle diplomatischen und politischen Mittel eingesetzt, die ihnen zur Verfügung stehen, um Snowden seine demokratischen Rechte zu verweigern und bestehen darauf, dass kein Bericht des Europäischen Parlaments Kritik an der amerikanischen Überwachung enthält. Letztes Jahr wies US-Senator Chris Murphy (Demokraten, Connecticut), der Vorsitzende des außenpolitischen Unterausschusses für Europaangelegenheiten des Senats, in Brüssel darauf hin, dass die amerikanische Überwachung "größtenteils in Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten Ihrer Länder" geschehe."

Die Ereignisse haben auch die Behauptungen der diversen Parteien der Vereinigten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken im Europaparlament widerlegt, sie seien gegen staatliche Überwachung und Verteidiger von Snowden und anderen Whistleblowern. Die Gruppe besteht aus stalinistischen, ehemals sozialdemokratischen und pseudolinken Gruppierungen, darunter der deutschen Linkspartei, der französischen Linkspartei vob Jean Luc Melenchon und der Kommunistischen Partei Frankreichs, der griechischen Syriza, der Vereinigten Linken aus Spanien, die von der Kommunistischen Partei Spaniens angeführt wird, und der italienischen Rifondazione Communista.

Präsidentin der Gruppe ist Gabi Zimmer von der deutschen Linkspartei. Zimmer sagte in einer Presseerklärung, die Gruppe "begrüße die Zustimmung zu diesem Bericht [des Europaparlaments]," da es damit praktisch "zugibt, dass diese Spionage und Überwachung tatsächlich stattgefunden haben und nicht nur vermutet wird."

Der Nachteil sei, fuhr sie fort, „dass es keine echte Diskussion über den Missbrauch der Antiterrorgesetze gibt, die auf falschen Annahmen basieren, auch nicht darüber, Snowden Asyl zu gewähren, auch keine Forderung nach einem Ende der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und keine echte Revision der gesamten Sicherheitsarchitektur, in der die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit, Polizei und Geheimdienst verschwimmen.

Für sie ist die Hetze gegen Snowden - die auch Morddrohungen von amerikanischen Geheimdienstlern umfasst - kaum mehr als eine Nebensächlichkeit oder ein Tauschobjekt, das gegen hohle Phrasen über die "Reform" von totalitären Spionageaktivitäten ausgetauscht werden kann.

Nachdem Snowden im letzten Oktober enthüllt hatte, dass europäische Staatsoberhäupter von den USA ausspioniert wurden, darunter Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande, äußerte sich die Vizepräsidentin der kleineren Gruppe Partei der Europäischen Linken, Maite Mola von der Kommunistischen Partei Spaniens, in ähnlicher Weise, um die Interessen der europäischen Elite zu verteidigen. Sie erklärte: "Es ist Zeit, dass Europa mit einer einzigen klaren und starken Stimme die Vereinigten Staaten dafür zur Verantwortung zieht, Millionen von europäischen Bürgern und die Staatsoberhäupter und Präsidenten der EU ausspioniert zu haben. Es ist auch Zeit, unsere Handels- Militär- und Polizeiverträge, auch die der Nato, mit einem Land zu überdenken, das 35 Staatsoberhäupter der Welt ausspioniert hat."

Zimmer und Mola sprechen als bürgerliche Politiker, für die Snowdens Schicksal bedeutungslos ist.

Die Einschränkungen, die sie für die Unterstützung des EU-Berichtes nannte, entsprechen lediglich den Bedenken von Teilen der herrschenden Elite Europas über die Auswirkungen des TTIP-Abkommens auf die europäische Industrie und Unterstützung für eine geordnetere Herangehensweise an Überwachung im In- und Ausland und Spionageaktionen. Auf diese Weise liefern die pseudolinken Organisationen den offen rechten Parteien wie der deutschen SPD, der Sozialistischen Partei in Frankreich oder der britischen Labour Party politische Deckung, obwohl diese mit ihren Stimmen dafür verantwortlich waren, dass die Forderung nach dem Schutz von Snowdens Rechten abgelehnt wurde.

Die Komplizenschaft der Pseudolinken bei der Verfolgung Snowdens geht einher mit der Feindschaft gegen eine Kampagne zur Verteidigung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Einige der hinterhältigsten Angriffe auf Assange kamen von diesen Organisationen, die seine Auslieferung an Schweden wegen angeblicher Vergewaltigungsvorwürfe unterstützten.

Die britische Socialist Workers Party veröffentlicte im August 2012 einen Artikel mit der Überschrift: "Julian Assange muss sich Vergewaltigungsvorwürfen stellen," obwohl sie wissen, dass keine Anklage gegen Assange erhoben wurde, und dass die Auslieferung an Schweden nur ein Schritt zur Auslieferung in die USA wäre, wo ihm eine Anklage wegen Spionage droht, weil er amerikanische Kriegsverbrechen enthüllt hat.

Die pseudolinken Gruppen sind Verteidiger der Reaktion und der Interessen des europäischen Imperialismus. Sie wurden über einen langen Zeitraum hin in die Strukturen des kapitalistischen Staates integriert, in dem sie zahllose politische und persönliche Beziehungen haben. Christine Buchholz, ein führendes Mitglied der Linkspartei und der Gruppe Marx21, repräsentiert die Linkspartei im Verteidigungsausschuss des Bundestags.

Die Arbeiterklasse ist die einzige soziale und politische Kraft, die den Kampf für demokratische Rechte erfolgreich führen kann.

Sie muss die Drohungen gegen Snowdens Leben durch politische und Geheimdienstbeamte und die andauernden Versuche, Assange ins Gefängnis zu bringen, mit massivem Widerstand beantworten. Das erfordert eine Bewegung, die die Verteidigung demokratischer Rechte mit sozialistischem Widerstand gegen das kapitalistische System verbindet, das eine Polizeistaatsdiktatur aufbaut, während es die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt zerstört.

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