Amerikanischer Folksänger Pete Seeger verstarb 94-jährig

Am 27. Januar verstarb der amerikanische Folksänger und Liedschreiber Pete Seeger im Alter von 94 Jahren nach kurzer Krankheit im New Yorker Presbyterianer-Krankenhaus. Während einer Karriere, die fast ein Dreivierteljahrhundert umspannte, war Seeger Verfasser und Mitverfasser vieler der populärsten Folk- oder Protestlieder der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts oder wurde mit ihnen identifiziert. Zu seinen bekanntesten Liedern zählen “If I Had a Hammer,” “Turn! Turn! Turn! (To Everything There is a Season),” “Where Have all the Flowers Gone?,” “Goodnight, Irene,” “Guantanamera” und “Kisses Sweeter than Wine.”

Seeger, der von 1936 bis Ende der 1940er Jahre Mitglied der Kommunistischen Partei war, stand seit den frühen 1950er Jahren auf der Schwarzen Liste und wurde 1957 wegen Missachtung des Kongresses angeklagt, da er sich weigerte, „Namen zu nennen.“ In seinen politischen Ansichten ging der Sänger nicht über populistischen Radikalismus hinaus. Dafür ist allerdings in hohem Maße die Dominanz des Stalinismus in der amerikanischen Linken verantwortlich, auf die Seeger in seinen Jugend- und mittleren Jahren stieß.

Auf Seegers Tod folgte eine Flut von Lobreden in den Medien. Sie entströmten z.T. denselben Quellen, die seine Aufnahme auf die Schwarze Liste und seine Verfolgung in den 1950er Jahren entweder begrüßt oder stillschweigend gebilligt hatten. Schon vor Jahrzehnten wurde der Sänger vom Establishment als „der große alte Mann der amerikanischen Folkmusik“ anerkannt und umschwärmt. Im Jahr 1994 verlieh ihm Präsident Bill Clinton die National Medal of Arts, und im selben Jahr erhielt Seeger den Kennedy-Preis. Er sang bei Obamas Amtseinführung im Jahr 2009 und nachdem der Sänger verstorben war, gab Obama, der Präsident der USA, eine verlogene Erklärung ab. In dieser Heuchelrede ehrte er mit Seeger einen Menschen, den Agenten des FBI aufgrund seiner politischen Überzeugungen über Jahre hinweg gehetzt haben.

Zugleich löste Seegers Tod echte Sympathie- und Trauerbekundungen bei jenen aus, die vertraut sind mit seinem Leben und Werk. Seine Musik sowie seine in die Augen springende Aufrichtigkeit und Prinzipienfestigkeit bewegte und beeinflusste zahllose Menschen.

Als ich 1998 den Folksänger Dave Van Ronk interviewte und auf Seeger ansprach, antwortete er: „Oh, was für ein wunderbarer Musiker. Er gehört zu denen, die als Musiker nicht ernst genug genommen werden. Er ist ein hervorragender Musiker und ausgezeichneter Sänger. Er textet sehr gut. Was steht mir an über den Mann zu sagen, der meinen Beruf eingeführt hat?“

Peter Seeger kam 1919 in einer höchst intellektuellen und musikalischen Familie zur Welt, die im „protestantischen Neuengland“ verwurzelt war. Sein Vater, Charles Seeger, ein Komponist und Musikwissenschaftler, der seine Ausbildung an der Harvard-Universität erhalten hatte, entwickelte linke Anschauungen, darunter Sympathie für die Industrial Workers of the World (IWW), und verlor seine Anstellung an der University of California in Berkeley im Wesentlichen aufgrund seiner öffentlichen Opposition gegen den Ersten Weltkrieg.

Tante Molly Jackson

Seegers Mutter Constance de Clyver Edson studierte am Pariser Musikkonservatorium und war eine talentierte Violinistin, die später an der Julliard School lehrte. David King Dunaway schreibt in How Can I Keep from Singing?: The Ballad of Pete Seeger (1990) [Wie könnte ich nicht singen?: Die Ballade von Pete Seeger – keine dt. Übersetzung] über sie: „Klassische Musik beherrschte ihr Leben. Sie sprach durch ihre Violine.“ Seine Eltern ließen sich scheiden, als Seeger noch sehr jung war. Im Jahr 1932 heiratete sein Vater erneut. Seegers Stiefmutter wurde Ruth Crawford Seeger, eine bekannte Komponistin der Moderne.

Im Jahr 1936 erhielt Seeger ein Stipendium für Harvard (John F. Kennedy war ein Klassenkamerad), doch er verließ die Einrichtung schon nach dem zweiten Jahr, weil ihn die zynische Atmosphäre abstieß und Unruhe angesichts der Depression und der bedrohlichen Ereignisse in Europa ergriff. Noch in Harvard trat er der Young Communist League bei (sein Vater war gleichfalls Sympathisant der Kommunistischen Partei).

Zu dieser Zeit spielte Seeger das Banjo. Kurz bevor er nach Harvard ging, fuhr er gemeinsam mit seinem Vater zum Folksong- und Tanzfestival nach Asheville in North Carolina. Allan M. Winkler schreibt in “To Everything There is a Season”: Pete Seeger and the Power of Song (2010) [“Für alles gibt es eine Saison”: Pete Seeger und die Macht des Liedes – keine dt. Übers.]: „Pete war hingerissen: ‘Ich entdeckte, dass es in meinem Land einige gute Musik gab, die ich niemals im Radio gehört hatte (…) Die Liedtexte gaben reichlich etwas her’.”

Über seinen Vater lernte Seeger Alan Lomax kennen, den bekannten Folkmusiksammler, der unter anderem Huddie Ledbetter (“Lead Belly”) und Woody Guthrie aufgenommen hatte. Winkler führt weiter aus: „Lomax machte ihn mit Leuten bekannt wie Aunt Molly Jackson, einer mit einem Appalachen-Bergarbeiter verheirateten Folksängerin (…) Er [Seeger] war fasziniert.“ Lomax stellte Seeger als Mitarbeiter im Archiv für Amerikanische Folkmusik an und verschaffte ihm seine erste Gelegenheit, öffentlich zu singen: Im März 1940 sang er bei einem Benefizkonzert für Wanderarbeiter. Bei diesem Konzert lernte Seeger außerdem Guthrie kennen, mit dem ihn anschließend eine enge Freundschaft verband.

Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs traten Seeger, Guthrie, Lee Hays und Millard Lampell als die Almanac Singers auf. Sie hatten überwiegend Engagements bei Veranstaltungen, die von der Kommunistischen Partei gesponsert wurden sowie bei Gewerkschaftstagungen. Ihr größter Erfolg war “Talking Union, das sie im Jahr 1941 aufnahmen. Nachdem die Vereinigten Staaten in den Krieg eingetreten waren und die stalinistische Kommunistische Partei zum entschiedensten Vollstrecker des Antistreikgesetztes wurde, „hörte ich auf ‘Talking Union’ zu singen,“ erklärte Seeger später.

Nach seiner Entlassung aus der Armee gründete Seeger gemeinsam mit Lomax, Hays und anderen im Dezember 1945 People’s Songs, eine Organisation mit dem Zweck, „Arbeiterlieder und Lieder des amerikanischen Volkes zu machen und im Land zu verbreiten.“ Nach einigen anfänglichen Erfolgen kam die Organisation, die ihre Mittel für die linksliberale und von den Stalinisten unterstützte Präsidentschaftskampagne von Henry Wallace im Jahr 1948 verschwendet hatte, unter politischen und finanziellen Druck, als die antikommunistische Hexenjagd einsetzte. Im Jahr 1950 stellte sie ihre Tätigkeit ein.

Eine der größten damaligen Enttäuschungen Seegers, die gleichzeitig seine Naivität und sein Unvermögen enthüllte, die soziale Dynamik jener Tage zu verstehen (Schwächen, die viele im und um das stalinistische Milieu mit ihm teilten), war die Weigerung der Gewerkschaften, die Gruppe zu unterstützen. Die Gewerkschaften befanden sich mitten in einer scharfen Rechtswende. Das FBI seinerseits, schreibt Winkler, nahm People’s Song ab 1947 unter verschärfte Beobachtung, wobei „Telefongespräche mitgeschnitten, Dokumente gesammelt und Versammlungen infiltriert“ wurden.

Einer der bedeutsamsten Zwischenfälle aus dieser Zeit, der sowohl auf Seeger als auch auf andere einen langanhaltenden demoralisierenden Einfluss hatte (und außerdem, wie Winkler bemerkt, „eine abschreckende Wirkung auf das Publikum“), war der gewaltsame und von der Polizei geduldete Angriff rechtsextremer Kräfte auf zwei Konzerte im August und September 1949 in Peekskill im Bundesstaat New York. Bei diesen Konzerten trat Paul Robeson, der große afro-amerikanische Sänger, der mit der Kommunistischen Partei identifiziert wurde, als Starinterpret auf.

Ein rassistischer und antikommunistischer Mob, vom lokalen Ku-Klux-Klan mit Unterstützung der lokalen Polizei organisiert und – man hat guten Grund dies anzunehmen – infiltriert sowie aufgehetzt von FBI-Agenten, verhinderte am 27. August die Aufführung des ersten Konzerts. Am 4. September standen 2.000 Gewerkschaftsmitglieder aus New York City bei der verschobenen Aufführung Wache, um das aus 25.000 Gästen bestehende Publikum vor den faschistischen Demonstranten zu beschützen. Seeger hatte seinen Auftritt vor Robeson und führte einige Stücke auf. Das Konzert verlief friedlich. Der ultrarechte Mob indessen, der von der Polizei beschützt und in Position gewiesen wurde, ging entlang einer Straßenstrecke in Lauerstellung. Als die Zuschauer in ihren Autos die Veranstaltung verließen, warfen die Aufgehetzten mit großen Steinbrocken nach den Heimfahrenden, darunter auch auf das Auto, in dem Seeger, seine Frau und ihr dreijähriger Sohn saßen. Sein Auto wurde auf einer Strecke von zwei Meilen von fünfzehn Brocken getroffen, die „fast alle Fenster zerschmetterten.“

Im Jahr 1948 gründeten Seeger, Hays, Ronnie Gilbert und Fred Hellerman The Weavers [Die Weber], „eine geschliffenere und besser einstudierte Version der Almanac Singers” (Winkler), die nach Gerhart Hauptmanns naturalistischem Drama aus dem Jahr 1892 benannt wurde. Im Jahr 1950 hatten sie einen großen Erfolg mit “Goodnight, Irene”, das von Decca eingespielt wurde. Der Song verblieb dreizehn Wochen lang auf Platz eins der Charts. The Waevers hatten Decca noch weitere Hits gebracht, für die sie in einem Zeitraum von zwei Jahren vier Millionen Platten verkauften. Zu ihnen zählten “On Top of Old Smoky,” “Kisses Sweeter than Wine” und Guthries “So Long, It’s Been Good to Know You”.

Obwohl die Gruppe eine eindeutige Verbindung mit linken Anliegen in ihren Liedern demonstrierte, erfasste die Kommunistenhetze sie erst nachdem ein FBI-Informant Seeger und Hays als KP-Mitglieder identifiziert hatte.

Im Jahr 1950 erschien das verleumderische Büchlein Red Channels [Rote Kanäle], das verschiedene Künstler aus der Unterhaltungsindustrie als „Rote“ bloßstellte. Seegers Name wurde in der Publikation dreizehn Mal erwähnt. Shows und Konzerte für The Weavers wurden abgesagt und die Arbeit versiegte. „Im Februar 1952 wurde es noch ärger, als ein FBI-Informant (…) vor dem Komitee für Unamerikanische Umtriebe über die kommunistischen Verbindungen von The Weavers aussagte“ (Winkler). Die Gruppe, die sich sogar kurzzeitig aufgelöst hatte, wurde für drei Jahre auf die Schwarze Liste gesetzt. Im Dezember 1955 gab es für ein Konzert in der Carnegie Hall eine Wiedervereinigung, die zu einem durchschlagenden Erfolg wurde.

Im August 1955 lud das Komitee für Unamerikanische Umtriebe Seeger vor. Bei seiner Anhörung am 18. August verhielt sich der Sänger recht mutig, als er – im Gegensatz zu vielen anderen – es ablehnte, sich auf den Fünften Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung (niemand darf zur Aussage gegen sich selbst gezwungen werden) zu berufen, sondern stattdessen seine Weigerung, Namen zu nennen oder über seine eigene politische Entwicklung zu sprechen, damit begründete, dass dies eine Verletzung des Ersten Zusatzartikels darstelle, der die freie Rede gewährleistet.

Auf die zudringlichen Fragen des Komitees antwortete Seeger: „Ich werde keine Fragen beantworten, die meine Kontakte betreffen, Auskunft über meine philosophischen, religiösen oder politischen Überzeugungen geben oder wie ich in irgend einer Wahl abgestimmt habe, noch zu irgend einer dieser privaten Angelegenheiten. Ich glaube, dies sind für jeden Amerikaner höchst unzulässige Fragen, besonders unter solchen Nötigungen wie sie hier vorherrschen. Ich werde Ihnen gerne von meinem Leben erzählen, wenn Sie es hören wollen.“

Der Sänger wurde im März 1957 wegen Missachtung des Kongresses angeklagt und in einem Prozess im März 1961 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe sollte ohne Unterbrechungen abgesessen werden, doch im Mai 1962 wies ein Appellationsgericht die ursprüngliche Klage aus formalen Gründen zurück. Die Schwarze Liste sowie die Säuberungen von linken Elementen hatten ihren Zweck bereits erfüllt; die herrschende Klasse verfolgte inzwischen neue Ziele.

Wie Dave Van Ronk in seinem Kommentar angedeutet hatte, war Seeger eine der Hauptpersonen beim Revival der Folkmusik in den frühen 1960er Jahren. Eine jüngere Generation suchte mit verschiedenen Graden an Ernsthaftigkeit Berührung mit radikaleren und authentischeren Volkstraditionen, nachdem die abtötende Atmosphäre der McCarthy-Jahre sich verzogen hatte. Seegers und Hays “If I Had a Hammer” wurde in der Version von Peter, Paul and Mary zu einem beachtlichen Erfolg. Zu denen, die damals Versionen von “Where Have All the Flowers Gone?” aufnahmen, gehörten das Kingston Trio, Peter, Paul and Mary und Marlene Dietrich.

Seeger schloss sich der Bürgerrechtsbewegung an, reiste in den Süden, traf sich mit Martin Luther King Jr. und nahm an zahlreichen Protesten teil. Seine Version von “We Shall Overcome” wurde zu einer der Hymnen des Kampfes. Er schloss sich außerdem der Antikriegsbewegung während des Vietnamkriegs an, für die er “Waist Deep in the Big Muddy” schrieb, einen allegorischen Song, in dem als „großer Narr“ erkennbar Präsident Lyndon Johnson auftritt, der anordnete, immer tiefer in die Katastrophe „zu marschieren“. Im September 1967 entzündete sich eine Kontroverse, als die CBS seinen Auftritt in der “Smothers Brothers Comedy Hour” (seinem ersten Fernsehauftritt seit 1950) unterdrückte, bei dem er das Lied vortragen sollte. Dies provozierte eine derart große öffentliche Empörung, dass Seeger im Februar 1968 erneut zu einer weiteren Folge des Programms eingeladen wurde, um “Waist Deep in the Big Muddy” zu singen.

Umstritten bleiben die Begebnisse beim Newport Folk Festival von 1965. Als Bob Dylan (der Seeger einmal als „lebenden Heiligen“ bezeichnet hatte) seinen Song dergestalt mit elektrischen Instrumenten begleitete, dass der Text unhörbar wurde, eilte Seeger zum Tontechniker und – wie er später behauptete – sagte zu ihm: „Stelle die Lautstärke so ein, dass man die Worte verstehen kann!“ Als ihm geantwortet wurde, dass „es so von ihnen verlangt wurde“, erwiderte Seeger: „Hätte ich eine Axt, dann würde ich das Kabel jetzt durchtrennen.“ Später beteuerte er, keine Abneigung gegen Dylans „elektrische Songs“ zu haben und dass „elektrische Musik die Umgangssprache der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ist.“

Pete Seeger 2007, Foto: Anthony Pepitone

Anschließend widmete Seeger sich der Umweltthematik, insbesondere der Sanierung des Hudson-Flusses. Er fuhr damit fort, Vorstellungen zu geben und Platten einzuspielen und wurde (wie schon erwähnt) im Oktober 1994 vollständig „rehabilitiert“, als ihm auf dem Südrasen des Weißen Hauses von Clinton die National Medal of the Arts verliehen wurde. Sieben Wochen darauf war Seeger einer von fünf Geehrten, denen der Kennedy-Preis verliehen wurde. Trotzdem verblieb er in Gegnerschaft zu den imperialistischen Kriegen Amerikas im Irak und andernorts. 1995 sagte er einem Interviewer: „Ich nenne mich immer noch einen Kommunisten, denn Kommunismus ist ebenso wenig das, was Russland daraus gemacht hat, wie dasjenige Christentum ist, was die Kirchen daraus machen.“

Pete Seegers Musik

Ich habe die WSWS-Kritiker Hiram Lee und Paul Bond gebeten, sich zu Seegers künstlerischen Errungenschaften zu äußern. Hier folgen ihre Kommentare, mit denen ich im Großen und Ganzen übereinstimme.

Hiram Lee:

“Pete Seeger hatte eine sehr schöne Gesangsstimme: warm, klar und hell. Obwohl kein besonderer Virtuose auf dem Instrument, war er doch ein vollendeter Spiele auf dem Banjo, der verschiedene Spiel- und Zupftechniken aus ‚alten Zeiten‘ beherrschte (im Gegensatz zu der Dreifingertechnik in der Bluegrass-Musik). Als Spieler tendierte er dazu, eng an der Melodie zu bleiben, welches Stück er auch immer aufführte. Er bevorzugte volle und klar definierte Akkorde und Wechsel vor den dröhnenden und schlagzeugähnlichen Qualitäten des Instrumentes, die von vielen Musikern ‚älterer Zeiten‘ (die er bewunderte) ausgearbeitet worden waren.

Seeger war auch ein wichtiger Lehrer des Instruments. Mit seinem einflussreichen Lehrbuch How to Play the Five-String Banjo (1948) [Wie man das fünfsaitige Banjo spielt – keine dt. Üb.] schrieb er praktisch das Buch über das Banjospiel. In diesem Werk prägte er die Begriffe ‘hammer-on’ und ‘pull-off,’ die zu Standardbezeichnungen der Fingertechniken geworden sind und für zahlreiche Saiteninstrumente angewendet werden.

Ich denke, Seegers 1963 erschienenes Album We Shall Overcome, eine Aufnahme seines Konzertes vom 8. Juni 1963 in der Carnegie Hall, ist wohl seine beste und wichtigste Platte. Es ist ein wunderbarer Auftritt. Seeger scheint besonders offen und entspannt zu sein und wirkt über die meiste Zeit vergnügt. Seine Opposition gegen Rassismus, gegen Krieg, gegen das offizielle Leben und seine Überzeugung, dass einfache Menschen erfolgreich gegen all das kämpfen können, kann dabei aufs Schärfste wahrgenommen, sowie – und das ist am wichtigsten – in der Musik innig empfunden werden.

Daneben halte ich American Industrial Ballads von 1956 für eines seiner bedeutendsten Alben. Es enthält eine leidenschaftliche Darbietung von ‘The Death of Harry Simms,’ einer Ballade, die die Geschichte eines Arbeiterorganisators erzählt, der 1932 von einem bezahlten Schläger eines Kohleunternehmers in Harlan County im Bundesstaat Kentucky ermordet wurde.

Seeger war ein Musikologe und Pädagoge. Ich denke, am schwächsten ist er, wo seine Musik zu pädagogisch wird. Die Wichtigkeit, mit der er einen Song präsentiert, ist nicht immer in der Musik selbst zu spüren. Es gibt einige Vorstellungen, die trocken und akademisch klingen. Aber wenn man ihm bei seiner engagierten und unterhaltenden Darbietung von ‘Whiskey, Rye Whiskey,’ auf American Favorite Ballads ganz unverkrampft und mit gebotenem Vergnügen zuhört, erkennt man den Unterschied.“

Paul Bond kommentiert:

“Pete Seeger war zweifellos ein begabter Musiker, der dank seiner Eltern und seiner Stiefmutter Ruth Crawford Seeger einen ernstzunehmenden musikethnologischen Hintergrund von zuhause mitbrachte. Damit einher ging eine bestimmte radikalpolitische Neigung, der die Hinwendung zu einer Musik des ‘Volkes’ entsprang. Seit Mitte der 1930er Jahre machte sich die Kommunistische Partei die Folkmusik zu Eigen; daneben bestand bereits eine Tradition gewerkschaftlichen, politischen und radikalen Songschreibens, welches meist in Zusammenhang mit der IWW stand.

Fraglos war es dieser Hintergrund, ebenso wie seine persönliche Deutung von Musik dieser Art, die seinen musikalischen Stil formten. Seine Aufnahmen historischer amerikanischer Arbeiterlieder wie ‘Peg and Awlragen heraus, jedoch treten die politischen Beschränkungen zutage, sobald es um sein eigenes Material geht.

Ununterbrochen schenkte er den weltweiten Einflüssen auf das amerikanische Musikleben sowie der reichhaltigen traditionellen Musik aus aller Welt seine Aufmerksamkeit. Er versuchte, die Lieder für Alle zugänglich und aufführbar zu machen, wobei diese scheinbare Einfachheit über das hohe Niveau seines Gesangs und Spiels hinwegtäuschte.

Immerfort hielt er zu Mitwirkung an und wirkte mit bei der Popularisierung des fünfsaitigen Banjos in einer Version mit langem Hals. Einige Kritiker nannten dies eine ‘Gentrifizierung’ der ländlichen Begleitstile des Banjos, aber es passte ausgezeichnet zu seinem Gesamtstil. Sein Interesse an traditioneller Musik ging mit seinem Bestreben einher, die Massen zum Mitwirken zu animieren. Eine aufrichtige Herzlichkeit ging bei seinen Auftritten von ihm aus. Dave Van Ronk bemerkte: ‘mit jedem Tausend weiterer Zuhörer wurde er besser.’

Auf Plattenaufnahmen wird das nicht immer erkennbar. Die durch das Material gesetzten Beschränkungen lassen ihn manchmal belehrend ernsthaft klingen.

Seine besseren Qualitäten allerdings kommen ebenfalls zur Geltung, beispielsweise in seiner Vertonung des Hiroshima-Erinnerungsgedichts ‘I Come and Stand at Every Door’ des türkischen kommunistischen Dichters Nazim Hikmet. Seeger kombinierte es mit einer Melodie, die für die schottische Ballade ‘The Great Silkie of Sule Skerry’ geschrieben wurde, was sich als ergreifende und geniale Wahl herausstellte.

Außerdem ermutigte er Menschen, ihre eigene Musik zu machen. Neben seinem Einsatz für das Banjo schrieb Seeger auch ein einflussreiches Lehrbuch für die Gitarre.“

Eine Würdigung

Alle Berichte über ihn stimmen darin überein, dass Pete Seeger ein anständiger und zugänglicher Mann gewesen sei. Seine Musik und seine Art zu Singen durchdrang ein Element tiefgehender Aufrichtigkeit. Seine Persönlichkeit zog viele an und er errang eine breite internationale Anhängerschaft. Was er sang und was er tat hatte für viele Menschen Bedeutung, und es wirkte auf sie ein. Wenn er in Höchstform war, verkörperte seine Musik – darauf weist Hiram Lee hin – seine Ideale, ein Gefühl für den Kampf und ein Gefühl für die Möglichkeiten des Lebens.

Seeger entstammte einer Tradition des authentischen amerikanisch-populistischen Radikalismus, der seit Generationen gepflegt wurde. Im Jahr 1955 schrieb Seeger über seinen familiären Hintergrund: „Ururgroßvater Seeger hatte genug von der preußischen Tyrannei, ging nach Amerika und wurde zu einem leidenschaftlichen Jeffersonianer. Er lehnte es sogar ab, irgendeinem seiner Söhne Deutsch beizubringen und reiste quer durch Neuengland, um Reden für die neue Republikanisch-Demokratische Partei zu halten (zwischendurch bestritt er sein Einkommen als Arzt). Ein anderer Zweig der Familie, etwa eine Generation später, bestand durchgehend aus glühenden Abolitionisten [Bewegung im 18./19. Jahrhundert zur Abschaffung der Sklaverei].“ (Pete Seeger: In His Own Words, 2012) [Pete Seeger: Mit eigenen Worten – keine dt. Üb.]

Viele amerikanische Radikale, darunter viele “Neuenglandprotestanten,” entwickelten sich unter dem Einfluss der Russischen Revolution, und natürlich auch der verheerenden Wirkung der Großen Depression, nach links. Die größte Tragödie von Seegers Leben, wie von so vielen anderen auch, war das Anwachsen des Stalinismus in der Sowjetunion und seine grotesken Verrätereien sowie Verbrechen an der internationalen Arbeiterklasse. Seeger stand keineswegs allein da mit seinem beschämenden Wunschdenken über das stalinistische Regime und den sowjetischen „Sozialismus“. Später „entschuldigte“ er sich für seine irrige Meinung über Stalin.

Die amerikanischen Stalinisten nisteten sich in den einheimischen populistischen Radikalismus ein, missbrauchten ihn, saugten ihm das Mark aus den Knochen und händigten ihn anschließend zynisch Franklin Roosevelt und der Demokratischen Partei sowie der im Entstehen begriffenen Gewerkschaftsbürokratie der CIO aus. Die Resultate der volksfrontähnlichen Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Demokraten und die bürgerliche Politik, eine Unterordnung, die von Seeger und so vielen anderen gefördert wurde, waren katastrophal. Heute zahlen die Arbeiter einen kolossalen Preis dafür, dass die Errichtung ihrer politischen Unabhängigkeit misslang.

Allerdings war Seeger vor allen Dingen ein Musiker, kein Politiker. Populäre Musiker arbeiten in großem Maße innerhalb der Struktur, die ihnen von den Umständen ihrer Zeit gegeben wird.

Einige Elemente in seiner Erscheinung und seinem Aufführungsstil konnten äußerst unangenehm sein: die stets hochgekrempelten Ärmel beispielsweise und die manchmal unnötig „vereinfachte“ Sprache. Das war der Versuch einer Anbiederung an Arbeiter, die befangen oder gekünstelt erscheint. Ich glaube indessen aber nicht, dass dies im Kern gespielt oder Scharlatanerie war.

Diese irritierenden Elemente sprachen meiner Meinung nach viel größere Probleme an, die sich in erster Linie der Dominanz des Stalinismus verdankten. Die Periode vor und nach der Russischen Revolution repräsentierte in gewissem Ausmaß das Zusammenkommen der fortschrittlichsten Politik mit der fortschrittlichsten Kunst. Um ihre nationale privilegierte Existenz zu verteidigen, war die stalinistische Bürokratie gezwungen, beiden den Krieg zu erklären.

Die Version der “proletarischen Kultur”, die von der konterrevolutionären Bürokratie gefördert wurde, sowie ihr späterer „Sozialistischer Realismus“ bezweckten nicht, wie es oft dargestellt wird, die Schilderung – nicht einmal in derber „minderwertriger“ Weise – des Lebens und der Bedingungen des Proletariats. Im Gegenteil: sie zielten darauf ab, kritisches Denken und Opposition zu ersticken sowie aktiv jedes authentische künstlerische Interesse am Schicksal der Bevölkerungsmassen zu unterdrücken. Die Mittel, derer sie sich dabei bediente waren banale Formeln, Unaufrichtigkeit, Verherrlichung des ‘großen Führers’ und so weiter.

Die verschiedenen stalinistischen “Theorien” hatten schädlichen Einfluss auf viele aufrichtige linke Künstler und Intellektuelle der 1930er und 1940er Jahre. Sie überzeugten sie, sich selbst zu zensieren. Sie sollten nur den unmittelbaren Zustand der Armen und Unterdrückten darstellen, aber nicht – wie es die großen Schriftsteller und Künstler des neunzehnten Jahrhunderts taten – die komplexen Bedingungen, Gedanken und Gefühle aller sozialen Klassen und Schichten sowie die Beziehungen, die zwischen ihnen bestehen.

Seegers Hintergrund war reich an klassischer Musik. Er wählte einen anderen künstlerischen Weg, der ebenso legitim war – doch weshalb diese lebenslange, ostentative Ablehnung dieses Erbes? Indirekt geht er in seinem autobiographischen Kommentar aus dem Jahr 1957 darauf ein, allerdings nicht vom Standpunkt seiner Kunst aus: „Ich habe einen großen Teil meiner Jugendzeit darauf verwendet, meine Vorfahren zu vergessen. Ich gebe es zu. Ich versuchte, sie zu ignorieren, sie herabzusetzen. Ich hielt sie alle für der Oberschicht zugehörig, ich aber versuchte, mich mit den arbeitenden Menschen zu identifizieren.“

Meines Erachtens hat das gekünstelte und etwas schiefe „proletarische“ Image, das er projizierte und kultivierte, hier seinen Ursprung.

Trotz dieser Einschränkungen hat Seegers Musik einen großen bleibenden Wert. Jeder etwas überernsthaften und simplifizierenden oder politisch erstarrten Aufführung steht eine – wenn nicht mehrere – andere von bemerkenswerter Ehrlichkeit und Schönheit gegenüber. Viele Videos mit Seegers Auftritten, allein oder mit anderen, sind online verfügbar.

Ich glaube nicht, dass jemand die hochgradige Lauterkeit seiner Version von “Michael Row the Boat Ashore” in Melbourne von 1963 überbieten könnte, oder seinen Auftritt bei der Johnny-Cash-Show aus dem Jahr 1970. Oder den außerordentlichen Auftritt (52 Minuten) von Cash und June Carter in Seegers eigener kurzlebiger Schwarzweißfernsehsendung “Rainbow Quest” im Jahr 1966. Oder Seegers Duett mit Donovan mit “Colours,” oder seine Darbietung von “Down by the Riverside” mit Sonny Terry und Brownie McGhee, oder Seeger und Doc Watson mit “Lonesome Valley.” Man könnte noch etliches hinzufügen.

Eine Möglichkeit, die Krise der gegenwärtigen Populärmusik in Amerika zu ermessen, besteht darin, die Frage zu stellen: Ist in den letzten drei oder vier Jahrzehnten eine mit Seeger vergleichbare Persönlichkeit aufgetaucht? Seine Ideale und Interessen sind einfach nicht mehr Bestandteil der Musikszene. Gewiss, der Charakter der künstlerischen und musikalischen Aufgaben von heute hat sich sehr verändert, ist komplexer geworden, und dasjenige, was im Leben und in verschiedenen musikalischen Genres zutage getreten ist, kann nicht ignoriert oder übergangen werden.

Wenn dies indessen auf ergiebige und sinnvolle Weise mit unserer jetzigen Realität übereinstimmen soll, dann wird diese Darstellung niemand innerhalb des Musikbetriebs vermögen, wenn er nicht die Integrität, die Raffinesse und die Entschlossenheit aufbringt, sich auf die Massen der Bevölkerung zu stützen, wie Seeger dies in seinem Lebenswerk tat.

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