Russland warnt vor einem Bürgerkrieg in der Ukraine

Die eskalierenden Spannungen zwischen der vom Westen unterstützten Übergangsregierung und den östlichen Landesteilen der Ukraine, die enge wirtschaftliche und sprachliche Beziehungen zu Russland unterhalten, bergen nicht nur die Gefahr eines Bürgerkrieges in der Ukraine, sondern auch die eines Krieges zwischen den imperialistischen Mächten und Russland.

Am Dienstag forderte das russische Außenministerium das pro-westliche Regime in Kiew auf, „die militärischen Vorbereitungen, die zum Ausbruch eines Bürgerkriegs führen könnten“ sofort zu stoppen. Ungeachtet der Warnung aus Moskau gingen ukrainische Sicherheitskräfte in der Ostukraine gegen pro-russische Aktivisten vor, die Verwaltungsgebäude besetzt hielten.

Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow bezeichnete das gewaltsame Vorgehen zynisch als „Anti-Terror-Operation“. Medienberichten zufolge wurden in Charkov, der zweitgrößten Stadt des Landes, 70 Demonstranten festgenommen. Montagnacht hatten Spezialeinheiten bereits ein von pro-russischen Demonstranten besetztes Gebäude in der ostukrainischen Industriestadt Donezk angegriffen.

Am Montag hatten pro-russische Demonstranten in Donezk einen "Volksrat" gegründet und die "Republik Donezk" ausgerufen.

Drei Wochen, nachdem die Krim in einem Referendum für die Abspaltung von der Ukraine gestimmt hatte, forderte der Volksrat in Donezk für den 11. Mai ein Referendum über den Beitritt zu Russland und bat Russland um die Entsendung von "Friedenstruppen," um das Referendum sicher durchführen zu können. In einer Erklärung des Rates hieß es: "Ohne Unterstützung werden wir uns kaum gegen die Junta in Kiew behaupten können... Wir wenden uns ans den russischen Präsidenten Putin, weil wir nur Russland unsere Sicherheit anvertrauen können.“

Vor dieser Ankündigung hatten bereits am Sonntag regierungsfeindliche Demonstranten in Donezk, Charkow und im ostukrainischen Luhansk Regierungsgebäude besetzt. Bilder und Videos der Proteste zeigten, wie Demonstranten Barrikaden aufbauen, Reifen auftürmen und Stacheldraht ausrollen, genau wie es die prowestlichen Demonstranten in Kiew während der Proteste gegen den ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch getan hatten, bevor er am 22. Februar durch einen vom Westen organisierten und von Faschisten angeführten Putsch gestürzt wurde.

Die imperialistischen Mächte haben in Kiew eine rechtsextreme und russlandfeindliche Regierung an die Macht gebracht, die Russisch als Amtssprache abgeschafft hat und die Sparmaßnahmen des IWF gegen die Arbeiterklasse durchsetzt. Damit haben sie eine Situation geschaffen, die immer gefährlicher und explosiver wird.

Die Erschießung eines ukrainischen Offiziers auf der Krim hat die Spannungen zwischen der Übergangsregierung und Russland weiter verschärft. Der Offizier wurde laut dem ukrainischen Verteidigungsministerium am späten Sonntagabend bei einem Streit mit russischen Soldaten erschossen.

Die wachsenden Spannungen im Osten der Ukraine sind ein Beleg für die Rücksichtslosigkeit der imperialistischen Mächte, die zur Erreichung ihrer wirtschaftlichen und geopolitischen Ziele nicht nur einen offenen Bürgerkrieg in der Ukraine, sondern auch einen Krieg mit Russland riskieren. Die Proteste von pro-russischen Kräften in Teilen der Ukraine, die Janukowitschs Machtbasis bildeten, gegen das Kiewer Regime, sind der Entscheidung der westlichen Mächte geschuldet, Janukowitschs Regime auf illegalem Weg zu stürzen, wobei sie sich ultranationalistischer und faschistischer Kräfte als Stoßtruppen bedienten.

Dem Regime, das Washington und seine europäischen Verbündeten an die Macht gebracht haben, gehören Minister der faschistischen Partei Swoboda an. Es hat der vom Internationalen Währungsfonds geforderten Erhöhung der Strompreise zugestimmt, was gravierende Auswirkungen auf die Industrie und die Arbeiter im Osten der Ukraine haben wird.

Das ukrainische Regime und seine imperialistischen Hintermänner geben Russland die Schuld an den regierungsfeindlichen Protesten im Osten der Ukraine und nutzen sie aus, um die Spannungen weiter zu verschärfen. Am Montag drohte der ukrainische Übergangspräsident Oleksandr Turtschinow, die Proteste mit "Antiterror"-Maßnahmen zu unterdrücken und bezeichnete sie als russische Verschwörung. Er erklärte: "Gestern hat die zweite Stufe einer russischen Spezialoperation begonnen, mit dem Ziel, die Lage im Staat zu destabilisieren, die ukrainische Regierung zu stürzen, die Wahl zu stören und unser Land in Stücke zu reißen."

Der ukrainische Premierminister Arseni Jazenjuk warf Russland vor, es plane "die Lage zu destabilisieren, damit ausländische Truppen die Grenze überschreiten und Staatsgebiet besetzen können." Auf einem Regierungstreffen erklärte er: "Die Russische Föderation schreibt ein Drehbuch, das nur einen Zweck hat: die Aufteilung und Zerstörung der Ukraine und ihre Verwandlung in ein Reich der Sklaverei unter dem Diktat Russlands."

Die imperialistischen Mächte wollen sich letztlich nicht nur die Ukraine einverleiben, sondern auch Russland selbst zerstückeln. Sie verschärfen ihre Provokationen, Drohungen und Sanktionen, um das Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu schwächen. Der Kreml seinerseits ist sich der weit verbreiteten sozialen Unzufriedenheit in der russischen Bevölkerung nur zu gut bewusst und fürchtet, er könnte selbst Ziel einer ähnlichen Operation Regimewechsel werden, wie sie Janukowitsch widerfuhr.

Putin erklärte auf einem Treffen des russischen Staatssicherheitsdienstes am Montag, Russland beobachte genau ausländische Agitatoren, die ethnische Unruhen schüren wollen. "Wir müssen einen klaren Unterschied machen zwischen erlaubtem Widerstand gegen die Regierung und der Bedienung ausländischer Interessen zum Schaden unseres eigenen Landes. Wir werden nicht zulassen, dass sich eine Situation wie in der Ukraine entwickelt, wo in vielen Fällen die nationalistischen und neonazistischen militanten Gruppierungen, die dann die Stoßtruppen des verfassungsfeindlichen Putschs bildeten, durch nichtstaatliche ausländische Organisationen finanziert wurden."

Washington und die europäischen Mächte nutzen die Proteste im Osten der Ukraine aus, um ihre Kriegsdrohungen gegen Russland zu verschärfen. Der schwedische Außenminister Carl Bildt erklärte am Sonntag auf Twitter zu den Protesten: "Am Sonntag haben pro russische Schläger wieder mal versucht, in der östlichen Ukraine Unruhe zu stiften. Sie erhielten starke Unterstützung durch die Propagandamaschinerie des Kreml."

Der tschechische Präsident Milos Zeman ging noch weiter und forderte eine Nato-Intervention in der Ukraine, wenn Russland versuchen sollte, in die östliche Ukraine einzumarschieren. "Sobald Russland beschließt, sein Territorium um die östliche Ukraine zu erweitern, hört der Spaß auf“, erklärte Zeman im tschechischen Rundfunk. "Dann würde ich mich nicht nur für strengste EU-Sanktionen einsetzen, sondern auch dafür, das nordatlantische Militärbündnis in Alarmbereitschaft zu versetzen, beispielsweise durch den Einmarsch von Nato-Truppen in die Ukraine."

Washington warnte Russland am Dienstag vor Versuchen, weiteres Territorium der Ukraine zu annektieren und warf Moskau vor, die pro-russischen Demonstranten zu bezahlen. „Russische Provokateure und Agenten“ seien von Russland in die Ostukraine geschickt worden, um dort "Chaos zu erzeugen" und Separatisten zu unterstützen, erklärte US-Außenminister John Kerry in Washington. Dieses „plumpe“ Vorgehen könnte dem Kreml als Vorwand für ein militärisches Eingreifen wie auf der Krim dienen, sagte er und fügte hinzu: „Niemand sollte sich davon täuschen lassen.“

Der amerikanische Botschafter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Daniel Baer, behauptete bereits am Montag, Russland habe zehntausende von Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen, die nicht in den Stellungen und Garnisonen seien, in denen sie in Friedenszeiten stationiert sind. Baer forderte von Russland Schritte zur "Deeskalation" der Lage.

Diese Aussagen triefen vor Heuchelei. Die westlichen Mächte haben genau das getan, was Kerry und Baer dem Kreml vorwerfen - sie haben sich in der Ukraine eingemischt, um Proteste politisch zu manipulieren. Vertreter der Europäischen Union und der USA beteiligten sich auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz an Demonstrationen gegen Janukowitsch und trafen sich mit Führern der neofaschistischen Partei Swoboda. Die Obama-Regierung und ihre europäischen Verbündeten haben laut der amerikanischen Außenpolitikerin für Europa und Eurasien seit den 1990ern fünf Milliarden Dollar dafür investiert, in der Ukraine Regimewechsel zu fördern.

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