Washington und die EU verhängen neue Sanktionen gegen Russland

Washington und die Europäische Union haben eine Reihe von neuen Sanktionen gegen russische Firmen sowie politisches Führungspersonal verhängt, während die Gewalt in der Ostukraine zwischen prorussischen Demonstranten und Anhängern des vom Westen unterstützten Regimes in Kiew zunimmt.

Der Bürgermeister der ostukrainischen Stadt Charkiw, Gennadi A. Kernes, wurde angeschossen und ist weiterhin in Lebensgefahr, während in der zweitgrößten Stadt der Ukraine Gewalt und soziales Elend zunehmen.

Die Sanktionen sind Teil des eskalierenden Konflikts zwischen Russland und den westlichen imperialistischen Mächten, der durch den faschistischen Putsch am 22. Februar ausgelöst wurde, der das aktuelle Regime in Kiew an die Macht gebracht hat. Die Welt steht am Rande eines Krieges. Die Regierung in Kiew versucht mit Billigung der USA, die Proteste in der Ostukraine niederzuschlagen und Russland droht mit einer Militärintervention, um ethnische Russen zu verteidigen. Die jüngsten Sanktionen verschärfen diese Spannungen und drohen, einen Handelskrieg auszulösen.

Die amerikanischen Finanzsanktionen und Reiseverbote richten sich gegen hohe Vertreter Russlands, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahestehen, sowie Öl- und Rüstungskonzerne. Zu den Zielen gehören der stellvertretende Premierminister Dmitri Kosak, der Chef des Präsidentenbüros Wjatscheslaw Wolodin, der Vorsitzende des außenpolitishcen Ausschusses des Parlaments Alexei Puschkow und Igor Setschin, Chef des Ölkonzerns Rosneft. Die Vertreter der EU einigten sich darauf, weitere fünfzehn Personen auf die Liste der sanktionierten Personen aufzunehmen.

Präsident Barack Obama erklärte in einer Rede während seines Besuchs auf den Philippinen im Rahmen seiner Rundreise durch Asien, die Sanktionen seien Teil eines "kalibrierten Vorgehens," um den Druck auf Russland zu erhöhen. Er erklärte, das Ziel sei nicht Putin selbst, sondern Einfluss zu nehmen auf sein Kalkül.

Er fügte hinzu, man wisse noch nicht, ob es funktionieren wird.

Mehrere Vertreter der USA kritisierten die Sanktionen als unzureichend. Die republikanischen Senatoren Bob Corker und Kelly Ayotte bezeichneten sie als "Werfen mit Wattebäuschchen." Auch das amerikanische Marionettenregime in Kiew fordert strengere Sanktionen gegen Russland, unter anderem die Einstellung von weiteren Öl- und Gasimporten der europäischen Staaten.

Die EU hat solche Maßnahmen bisher noch nicht ergriffen, da sie schnell einen Großteil der europäischen Wirtschaft zum Erliegen bringen könnten. Mehrere große Energie importierende Nationen sind von Lieferungen aus Russland abhängig, darunter Deutschland (30 Prozent), die Niederlande (34 Prozent) und Italien (28 Prozent). Viele osteuropäische Staaten sind fast völlig von Russland abhängig, darunter Polen (91 Prozent), Litauen (92 Prozent), die Slowakei (96 Prozent), Ungarn (86 Prozent) und Bulgarien (90 Prozent).

Britische Energiekonzerne wie BP, das 20 Prozent der Aktien von Rosneft kontrolliert, sind angeblich eingeschritten, um die USA von Plänen für ähnliche Sanktionen gegen Russland abzubringen, wie sie gegen den Iran verhängt wurden, durch die das Land weitgehend vom Welthandel abgeschnitten wurde. Der amerikanische Ölkonzern ExxonMobil, der ebenfalls eng mit Rosneft zusammenarbeitet, erklärte, er studiere die potenziellen Folgen von Sanktionen gegen Russland auf seine Geschäfte.

Vertreter Russlands kritisierten die Sanktionen und drohten mit Vergeltung. Der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow erklärte: "Wir werden darauf reagieren, auch wenn wir es nicht gerne tun. Aber wir können das nicht ohne Reaktion hinnehmen, ohne praktische Reaktion, ohne eine Reaktion über die wir selbst Entscheiden. Das Verhalten der USA wird wirklich provokant."

Putin, der Sanktionen letzte Woche als "ineffektiv" bezeichnete, erklärte, sie würden vor allem ukrainischen Rüstungsunternehmen schaden, die mit Russland zusammenarbeiten. "Für die ukrainische Rüstungsindustrie wird die Beendigung der Beziehungen mit russischen Partnern vermutlich zur Katastrophe führen. Warum? Sie haben keine anderen Märkte. Sie existieren einfach nicht. Ihr einziger Kunde sind die russischen Streitkräfte."

Putin fügte hinzu, er hoffe, es werde nicht zu einer Störung der Handelsbeziehungen kommen, aber wenn doch, so würden die russischen Streitkräfte russische Hersteller für Teile finden, die sie bisher von der Ukraine erhalten haben. Er bot Ukrainern, die ihre Stellen verlieren, Arbeitsplätze in der russischen Rüstungsindustrie an.

Vertreter Russlands appellierten außerdem an ihre westlichen Amtskollegen, die Aufrüstung der Nato-Truppen an- oder nahe den Grenzen zu Russland zu beenden, nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Polen, den baltischen Staaten und Rumänien. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu wies darauf hin, dass die Stationierung an russischen Grenzen "beispiellos" sei. Er erklärte, er habe mit US-Verteidigungsminister Chuck Hagel gesprochen und ihn dazu gedrängt, die Propaganda "zurückzufahren."

Die internationalen Spannungen verschärfen sich, und der Widerstand gegen die provokante Politik Kiews und Washingtons in der Ostukraine nimmt zu. Sie bringt die Region noch näher an einen Bürgerkrieg heran.

In Slawjansk, der Hochburg der prorussischen Milizkräfte, die jetzt von Regierungstruppen und faschistischen Paramilitärs belagert wird, ließ der selbst ernannte Bürgermeister Wjatscheslaw Ponomarow einen der acht Militärbeobachter frei, die unter der Schirmherrschaft der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach Slawjansk geschickt wurden. Der Freigelassene ist Schwede und leidet an Diabetes. Die anderen wurden zu einer Pressekonferenz gebracht, auf der sie erklärten, es gehe ihnen gut.

Eine Gruppe von bewaffneten prorussischen Demonstranten, die von dern New York Times als "Männer mittleren Alters" beschrieben wurden, besetzten städtische Gebäude in Konstantinowka, einer Stadt zwischen Donezk und Slawjansk. Sie forderten ein Referendum über die Föderalisierung des Landes, um mehr Autonomie von dem rechtsextremen Regime in Kiew zu erhalten.

Der Bürgermeister von Charkiw, Kernes, war auf seinem Fahrrad unterwegs, als er von einem Unbekannten in den Rücken geschossen wurde. Ärzte erklärten, die Kugel habe seine Leber und seine Lungen beschädigt. Er ist nach einer Notoperation weiterhin in lebensbedrohlichem Zustand. In der Nähe der Stelle, an der Kernes angeschossen wurde, wurde eine nicht explodierte Granate mit gezogenem Sicherungsstift gefunden. Das ist der erste Mordversuch an einem prominenten ukrainischen Politiker seit dem Putsch in Kiew.

Es ist unklar wer auf Kernes geschossen hat. Er war zwar Anhänger des prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch, der im Februar durch den von Faschisten angeführten Putsch gestürzt wurde, unterstützte nach dem Putsch jedoch das prowestliche Regime in Kiew und kritisierte die prorussischen Demonstranten.

In Großstädten in der Ostukraine kommt es zu Unruhen. In Charkiw brachen einen Tag vor dem Anschlag auf Kernes Kämpfe zwischen prorussischen Demonstranten und Mitgliedern von Fußballfanclubs aus, von denen viele mit der von Kiew unterstützten faschistischen Miliz Rechter Sektor verbündet sind.

Am Montag kam es in Donezk zu Zusammenstößen zwischen prorussischen und regierungstreuen Demonstranten, bei denen vierzehn Menschen verletzt wurden. Die Kämpfe gingen von einer Gruppe von etwa 1.000 Demonstranten und prorussischen Kämpfern aus, die von der örtlichen Polizei und Passanten unterstützt wurden.

Witali Iwanow von der Pressestelle der regierungsfeindlichen "Volksrepublik Donezk" erklärte: "Wir haben mit einem Anschlag gerechnet. Wir hatten objektive Informationen. Wirklich, die Typen kamen mit Baseballschlägern, Stöcken und Eisenstangen. Das waren Ultras [Fans] von Dnepropetrowsk, FC Dnipropetrowsk-Fans. Laut unseren Informationen waren auch Fans vom FC Dynamo Kiew dabei."

Die Kämpfe finden vor dem Hintergrund einer sozialen Krise statt, die durch die arbeiterfeindliche Sparpolitik des Kiewer Regimes noch verschlimmert wird. Kurz bevor in Donezk die Verwaltungsgebäude von prorussischen Demonstranten besetzt wurden, hatte der Stadtrat angekündigt, die Hälfte der Sozialarbeiter zu entlassen, um im städtischen Haushalt 308 Millionen Grinwja einzusparen.

Anfang des Monats kam es in Kiew zu Protesten gegen Massenentlassungen von städtischen Beschäftigten.

Am Donnerstag werden Kürzungen der staatlichen Subventionen für Erdgas in Kraft treten, durch die sich die Gaspreise für Endverbraucher um 50 Prozent erhöhen werden, und für die Industrie um 40 Prozent.

Premierminister Arseni Jazenjuk und seine Hintermänner in Washington und der Europäischen Union wollen die Spar- und Kriegspolitik fortsetzen, obwohl die öffentliche Meinung dagegen ist.

Letzte Woche wurde Jazenjuk in einem Interview mit der Washington Post gefragt, wie seine Regierung trotz Sparmaßnahmen die Unterstützung der Öffentlichkeit behalten wolle. Er gab offen zu, dass die Unterstützung in der Bevölkerung zurückgehen werde und erklärte: "Ich bin mir nicht sicher, ob die Öffentlichkeit darüber glücklich sein wird. Wir haben die Gaspreise verdoppelt und eine Reihe von Sozialprogrammen abgeschafft."

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