TV-Duell: Juncker und Schulz loben Sparpolitik und fordern Sanktionen gegen Russland

Am Donnerstagabend fand das erste TV-Duell zur Europawahl statt. Gegenüber standen sich Jean-Claude Juncker von der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und Martin Schulz von der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE). Das Duell war Teil der Bemühungen von Politik und Medien, die Europawahlen der Bevölkerung schmackhaft zu machen, die sich zunehmend von der EU abwendet. Umfragen prognostizieren eine geringe Wahlbeteiligung und Rekordgewinne von Parteien, die die EU ablehnen.

Zum ersten Mal in der Geschichte haben die Fraktionen gesamteuropäische Spitzenkandidaten für das Amt des Europäischen Kommissionspräsidenten aufgestellt. Das Duell wurde zur besten Sendezeit im deutschen ZDF und im österreichischen ORF übertragen. Es gab ein handverlesenes, überwiegend junges Publikum. Fragen aus dem Publikum und von Zuschauern waren vorbereitet worden. Der inszenierte Fernsehabend sollte den Anschein erwecken, die EU sei „jung, dynamisch und demokratisch“.

Das Duell hat jedoch genau das Gegenteil bewirkt. Eine wirkliche Debatte fand nicht statt. Es standen sich zwei altgediente EU-Bürokraten gegenüber, die sich seit langem kennen, in allen zentralen politischen Fragen übereinstimmen und gleichermaßen den reaktionären Charakter der EU verkörpern. Am deutlichsten zeigte sich das in ihrer Unterstützung für eine aggressive Außen- und Austeritätspolitik.

Vor allem der Sozialdemokrat Schulz rechtfertigte vehement die Intervention des Westens in der Ukraine und forderte ein härteres Vorgehen gegen Russland. Offenbar angespornt von den neuen Großmachtphantasien, die gegenwärtig in den herrschenden Kreisen Berlins wieder Einzug halten, erklärte er, die EU könne sich in der Ukraine gar nicht heraushalten.

Schulz und Juncker drohten Russland mit Wirtschaftssanktionen. „Wenn sie das Völkerrecht brechen, dann muss man den Russen klar sagen, gibt es Sanktionen,“ erklärte Schulz, selbst wenn es Arbeitsplätze koste und die Strompreise nach oben gingen.

Genauso bestimmt verteidigten Schulz und Juncker die Austeritätspolitik, die Millionen von Menschen innerhalb der EU in Armut und Arbeitslosigkeit getrieben hat. Juncker rechtfertigte die Sparpolitik damit, dass sie „wirke“, auch „wenn dies für manche schmerzhaft“ sei. Schulz versuchte diesen Zynismus noch zu überbieten, indem er verkündete: „Das Ende der Krise ist dann da, wenn die Menschen mit ihren Löhnen und Renten und vor allem mit hoher Arbeitslosigkeit den Preis gezahlt haben für die Zockerei, die zu dieser Krise geführt hat.“

Beide Politiker und ihre Parteien sind direkt für das soziale Elend in Europa verantwortlich. Juncker war Präsident der Euro-Gruppe, als in den Jahren 2008 und 2009 die milliardenschweren Bankenrettungspakete in Nacht- und Nebelaktionen geschnürt wurden. Schulz gehört als Mitglied der SPD der Parteienfamilie an, die eine Vorreiterrolle dabei spielt, die Gelder in der Bevölkerung wieder einzutreiben.

In Deutschland regiert die SPD zusammen mit Angela Merkel, die wie keine zweite Politikerin für das Spardiktat steht. In Griechenland leitete die sozialdemokratische PASOK-Regierung unter Giorgos Papandreou die Kürzungs- und Strukturanpassungsprogramme ein. Und in Frankreich arbeitet die sozialistische Hollande-Regierung derzeit mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen SPD an einer französischen Agenda 2020.

Als Ergebnis dieser Politik sind innerhalb der EU 27 Millionen Menschen arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Griechenland oder Spanien beträgt rund 60 Prozent. In den osteuropäischen Ländern, die vor allem als verlängerte Werkbank der deutschen Konzerne dienen, herrscht bittere Armut. Und auch im angeblich reichen Deutschland leben Millionen von Niedriglohnarbeit oder sind auf Hartz IV angewiesen.

Nichts von alldem wurde ernsthaft diskutiert. Stattdessen versuchten Schulz und Juncker mit Witzeleien und künstlichen Kontroversen den Schein einer Debatte zu wahren. Dies war in den meisten Fällen schlicht peinlich, manchmal aber auch entlarvender, als es den Kandidaten lieb sein konnte. Als Schulz behauptete, er stehe für mehr Transparenz, und seinem Kollegen vorwarf, er stehe „für ein Europa, dass hinter geschlossenen Türen tagt“, entgegnete Juncker: „Ich habe Martin Schulz hinter verschlossenen Türen kennengelernt.“

Von Anfang an beruhte die TV-Inszenierung auf einer Täuschung. So behaupteten die Moderatoren, dass die Wähler die Möglichkeit hätten, „den entscheidenden Mann in Europa mitzubestimmen“. In Wirklichkeit entscheidet jedoch nicht das Europäische Parlament über den Europäischen Kommissionspräsidenten. Es kann lediglich eine Empfehlung abgeben. Vorgeschlagen wird der Kandidat vom Europäischen Rat, den 28 Staats- und Regierungschefs der EU. Das Parlament darf lediglich über diesen Vorschlag abstimmen.

Die Süddeutsche Zeitung warnte in einem Leitartikel am Tag nach dem Duell, dass die angebliche Wahl des Kommissionspräsidenten nicht viel mehr Wert sein könnte, als der Zettel, auf dem die Wähler ihr Kreuz machen. „Die Versuchung für die Staats- und Regierungschefs wird groß sein, am Ende das Ergebnis der Europawahl beiseitezuwischen, um einen Mann oder eine Frau ihrer Wahl zu nominieren... Der Versuch, die EU zu demokratisieren und den Bürgern näherzubringen, wäre diskreditiert.“

Eine derartige Farce ist gar nicht notwendig, um die EU in den Augen breiter Bevölkerungsschichten zu diskreditieren. Immer mehr Menschen lehnen die EU bereits jetzt ab und sehen sie als das, was sie ist: ein Werkzeug der mächtigsten Banken und Konzerne, das der herrschenden Klasse in Europa dazu dient, alle sozialen und demokratischen Rechte der arbeitenden Bevölkerung zu zerschlagen und ihre geostrategischen Interessen im Rahmen einer kriegerischen Außenpolitik zu verfolgen.

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