Scottish National Party umwirbt Labour-Wähler

Der Vorsitzende der Scottish National Party (SNP), Alex Salmond, und seine Stellvertreterin Nicola Sturgeon konzentrierten sich in ihren Reden auf der letzten Jahreskonferenz vor dem Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich auf Anhänger und Mitglieder der Labour Party.

Sie versicherten den Labour-Wählern, mit einer "Ja"-Stimme würden sie nicht die SNP unterstützen. Sturgeon erklärte auf der Konferenz: "Das sage ich jedem Labour-Wähler im Land. Für die Kampagne für die Unabhängigkeit müsst ihr eure Partei nicht verlassen. Stattdessen habt ihr die Chance, eure Partei zurück zu bekommen." Sturgeon berichtete, dass eine Reihe von Labour-Abgeordneten der mittleren Ebene von der offiziellen Labour-Linie abgerückt seien und die Unabhängigkeit unterstützten.

Der schottische Erste Minister Salmond führte weiter aus: "Die Unabhängigkeit wird gut für die schottische Labour Party sein“, weil Labour ohne die Kontrolle aus Westminster "die Chance haben wird, zu seinen Kernwerten zurückzukehren, von denen wir in dieser Partei viele teilen." Angesichts der für 2015 bevorstehenden Abstimmung deutete Salmond sogar an, dass die SNP die nächste schottische Regierung stellen könnte, "vielleicht auch Labour. Vielleicht auch eine Koalition."

Der Appell der SNP an aktuelle und ehemalige Labour-Anhänger beruht vor allem auf ihrer Einschätzung, dass die Abstimmung im September zu keinem eindeutigen Ergebnis führen wird.

Die Befürworter von, "Ja zu Schottland," haben zwar schlechtere Umfrageergebnisse als die Nein-Kampagne "Better Together", aber eine Umfrage nach der anderen zeigt, dass sich der Abstand verringert.

Laut einer aktuellen Umfrage des TNS stimmten 29 Prozent mit "Ja“, 41 Prozent mit "Nein". Dieser Abstand von zwölf Prozent betrug letzten September noch neunzehn Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl derjenigen, die vorhaben, an der Abstimmung teilzunehmen, von 65 auf 74 Prozent. Laut einer Umfrage von Survation sind 38 Prozent der Befragten für die Unabhängigkeit, 46 dagegen. Laut einer Umfrage von ICM sind es 39 gegen 42 Prozent. Wenn man die Unentschlossenen abzieht, sind 48 Prozent für die Abspaltung, 52 Prozent dagegen.

Es besteht weiterhin großes Misstrauen gegenüber dem leichtsinnigen sezessionistische Projekt der SNP. Die Unabhängigkeit würde möglicherweise die Entstehung einer neuen Grenze bedeuten, eine noch unbekannte Währung, eine unvermeidliche, sofortige Zerstörung und Fragmentierung aller Sozialleistungen sowie noch verbisseneren Regionalismus, da die Regierungen in London und Edinburgh um die besten Stücke des britischen Staatseigentums kämpfen werden. Es wäre eine durch und durch reaktionäre Entwicklung, die weltweite Auswirkungen hätte.

Die Tatsache, dass die SNP, mit sklavischer Unterstützung durch die ganz ex-linke Bruderschaft, die sich mit allen Mitteln für die Abspaltung einsetzt, in der Lage war den Vorsprung dahinschmelzen zu lassen, liegt am offen rechten Charakter der offiziellen "Better Together"-Kampagne.

"Better Together" wird von der konservativ-liberaldemokratischen Regierungskoalition und der Labour Party unter Führung des ehemaligen Finaznaministers Alistair Darling unterstützt.

Der britische Premierminister David Cameron wandte sich in mehreren Appellen an die "stillen Patrioten", das Vereinigte Königreich zu retten, Finanzminister Osborne lehnte den Vorschlag der SNP für eine Währungsunion auf der Grundlage der weiteren Verwendung des Pfunds und der Bank of England arrogant ab. Da die Konservativen jedoch nur einen Westminster-Abgeordneten in Schottland haben und zutiefst unpopulär sind, haben ihre Interventionen eher der "Ja"-Kampagne als der "Nein"-Kampagne genutzt. Sie haben auch der Labour Party geschadet, die - zurecht - als zu eng mit den verhassten Tories verbündet angesehen wird.

In der Labour Party selbst toben Fraktionskämpfe um das Referendum. Sie hat als Alternative zur Abspaltung mehr Autonomie (Devolution) vorgeschlagen.Mehrere anonyme Westminster- und Holyrood-Abgeordnete haben dies angeblich abgelehnt.

Jedenfalls haben sowohl der ehemalige Premierminister Gordon Brown als auch die Devolutionskommission der Partei dazu geraten, im Falle einer Niederlage des Referendums die Devolution zu verstärken. Brown hat vorgeschlagen, das schottische Parlament in einer britischen Verfassung festzuschreiben. Die Kommission schlägt für Schottland weitergehende Rechte in der Steuergestzgebung und in der Organidierung ihres Sozialsystems vor, um es dem Land zu ermöglichen, 40 Prozent seiner Finanzen selbst aufzubringen Die Geldzuwendungen der Zentralregierung könnten dann reduziert werden.

Um sich von den Tories zu distanzieren, veröffentlichte Labour seine "United with Labour"-Pläne. Diese sollen an die angebliche Kontinuität mit dem schottischen Labour-Gründer Keir Hardie und dem Sozialstaat anknüpfen,, den die Labour-Regierung 1945 nach Kriegsende eingeführt hatte. In "United with Labour" hieß es außerdem: "Wir haben alle die gleichen gemeinsamen Interessen, von Liverpool bis Livingston, Belfast und Birmingham."

Aber diese Behauptung wurde sofort Lügen gestraft, als Labour in dem Dokument betonte, dass es unter dem Vorzeichen einer „moralischen Ökonomie“ versuchen werde, „im britischen Haushalt mittels Finanzdisziplin einen Überschuss zu erwirtschaften. Zu dem Zweck solle auch der Volksanteil an Lloyds und RBS zur Abtragung der Staatschuld verwendet werden. Warum irgendjemand auf die Idee kommen sollte, diese Austeritätspolitik, Privatisierungen und das generelle Interesse der Finanzoligarchie unterstützen sollte – diese Frage scheint den Autoren des Papiers nicht einmal gekommen zu sein.

Das macht die Behauptung der SNP, die schottische Labour Party würde linker werden, wenn sie von der britischen Partei "befreit" würde, gänzlich fadenscheinig.

Bis zu Camerons Wahlsieg im Jahr 2010 war in Großbritannien die Labour Party an der Macht, viele ihrer führenden Mitglieder waren entweder Schotten oder hatten eine politische Basis in Schottland, darunter Tony Blair und Gordon Brown. Brown ist weiterhin Abgeordneter in Westminster für die Wahlkreise Kirkcaldy und Cowdenbeath.

Während der dreizehn Regierungsjahre Labours kam von der schottischen Labour Party kein einziges Wort des Protestes oder ein Anzeichen für die grundlegende Ablehnung der Kriegspolitik und der rechten Sozialpolitik, die die Regierungen unter Blair und Brown betrieben.

In den Kommunen hat die schottische Labour Party seit 2008 im gleichen Maß wie in England und Wales die Sozialausgaben gekürzt und Kürzungen, die die SNP-Regierung im Auftrag der Tories durchgesetzt hat, durchgewunken. Sowohl Labour als auch die SNP haben zehntausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlassen und den Sozialstaat auf ein Minimum zusammengestrichen. Die schottische Labour Party hat die rechten Angriffe Labours auf den Sozialstaat unterstützt.

Doch der Mythos von der "linken" schottischen Labour Party passt gut zur wichtigsten Erfindung der SNP: dass es nämlich in Schottland mehr Sozialleistungen geben würde, wenn es von Westminster befreit wäre.

Das Argument ist eine Abwandlung der Behauptungen der Labour Party selbst während der 1980er und 1990er Jahre. Es war ein Bestandteil seiner Weigerung, einen Kampf gegen die verhasste konservative Regierung von Margaret Thatcher zu führen. Labour und die Gewerkschaften behaupteten, es gäbe ein "Demokratiedefizit," weil Schottland mehr Labour-Abgeordnete im Parlament hat, aber dennoch von einer rechten, konservativen Regierung regiert wird.

In Wirklichkeit zeigte sich in der Politik der Devolution, die von den Kapitalisten der Region und ihren Verbündeten in der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie seit langem gefordert wurde, die zunehmende globale Organisation der Produktion. Dem schottischen Kapitalismus, der isoliert am Rand Europas und zunehmend vom Bankensektor, der Öl- und Finanzbranche dominiert war, erbot sich durch die Devolution die Chance, international ihre eigenen Investmentdeals auszuhandeln und gleichzeitig ihre wichtigen lukrativen und Beziehungen zu Großbritannien zu behalten.

Gleichzeitig hat die langjährige Propagierung der Devolution, oder Home Rule, im Rahmen Großbritanniens durch die Labour- und Gewerkschaftsbürokratie die britische Arbeiterklasse geschwächt und desorientiert. Das Problem der Labour Party ist, dass die SNP, die die Unabhängigkeit befürwortet, von ihrer Regionalpolitik so stark profitiert hat, dass das Vereinigte Königreich jetzt vor der Auflösung steht.

In Wirklichkeit vertritt keine der Fraktionen des offiziellen "Ja-" und "Nein"-Lagers in irgendeiner Form die Interessen der Arbeiterklasse. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Arbeiter heraushalten sollten.

Die SEP ruft dazu auf, mit "Nein" zu stimmen - nicht um das Großbritannien der Banker und Milliardäre zu verteidigen, sondern mit der Absicht, im Rahmen des Kampfes für eine Arbeiterregierung auf der Grundlage sozialistischer Politik die besten Bedingungen für einen vereinten Klassenkampf gegen die Cameron-Regierung in London und ihre Juniorpartner in Edinburgh zu schaffen.

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