Der Kampf gegen Militarismus und Krieg

Liebe Genossen, liebe Freunde,

Ich freue mich an dieser wahrhaft internationalen Mai-Kundgebung teilzunehmen. Sie leitet ein neues Stadium im weltweiten Kampf gegen Krieg und Militarismus ein.

Meine Vorredner haben bereits über die jüngsten Ereignisse in der Ukraine gesprochen.

Der Angriff auf das Gewerkschaftshaus in Odessa fand am 2. Mai statt, dem Jahrestag, an dem die Nazi-Horden 1933 die Gewerkschaftshäuser in Deutschland stürmten. Er ist eine Anklage gegen die Regierungen in Berlin und Washington und die EU-Institutionen in Brüssel.

Er widerlegt ihre Lügen über Demokratie und Freiheit und macht für jedermann sichtbar, dass diese Regierungen, die bei jeder Gelegenheit ihren demokratischen Charakter betonen, wieder mit Faschisten zusammenarbeiten.

Die dramatische Kriegsentwicklung in der Ukraine steht in direktem Zusammenhang zur Wiederkehr des deutschen Militarismus. Sie wird benutzt, um eine systematische Aufrüstung in Deutschland durchzusetzen.

Anfang des Jahres verkündete die Bundesregierung, Deutschland werde künftig die „militärische Zurückhaltung“ aufgeben und in internationalen Krisenregionen „entschiedener und substanzieller eingreifen“.

Arbeiter auf der ganzen Welt sollten aufhorchen.

Die Wiederkehr des deutschen Militarismus ist ein Epochen-Wechsel und leitet ein neues Stadium aggressiver imperialistischer Konfrontationen ein.

Dieses Ende der militärischen Zurückhaltung Deutschlands ist mit einer ohrenbetäubenden Kriegshetze in den Medien verbunden. Man hat den Eindruck, Hitlers Propaganda-Minister Joseph Goebbels sei auferstanden und habe die Leitung des Bundespressamts übernommen.

Die Medienkonzerne und ihre Schreiberlinge hetzen gegen sogenannte „Russlandversteher“ und verlangen mehr Panzer und Soldaten, um Russlands Expansionskurs einzudämmen. Sie verharmlosen die Zusammenarbeit mit Faschisten in Kiew und fordern, Deutschland müsse „den Elektroschocker in der Tasche tragen“ und militärisch aufrüsten, wenn es „weltweit gehört werden“ wolle.

Das Kriegsgeschrei in den Medien ist gerade deshalb so laut und aggressiv, weil die Ablehnung von Faschismus, Militarismus und Krieg in der Bevölkerung sehr tief verankert ist. Die Zeitungs- und Nachrichten-Redaktionen erhalten säckeweise Protestbriefe von wütenden Lesern.

Millionen Menschen sind fassungslos. Sie hätten sich nicht vorstellen können, dass das alles nochmal wiederkommt.

Die ungeheuren Verbrechen der Nazis und der Wehrmacht haben sich tief ins Bewusstsein eingegraben. Die Forderung „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ hat Generationen geprägt.

Auch die imperialistischen Regierungen in England, den USA, Frankreich und anderen Ländern haben Kriegsverbrechen begangen. Aber was hier in Deutschland stattgefunden hat, war etwas anders, viel schlimmer und brutaler.

Hitlers Wehrmacht und die Mordkommandos der SS organisierten im Osten einen Vernichtungskrieg und systematischen Völkermord. In den Vernichtungslagern der Nazis wurden 6 Millionen Juden, dazu noch Hunderttausende Roma, Sinti, Kriegsgefangene und viele andere systematisch und planmäßig ermordet.

Auf einer Gewerkschaftsschulung sah ich in den 1960er Jahren den Dokumentarfilm „Der gewöhnliche Faschismus“. Er zeigt Originalaufnahmen über die Befreiung der Konzentrationslager: Berge von Leichen, die mit Bulldozern in Massengräber geschoben wurden; ausgemergelte, bis aufs Skelett abgemagerte, verhungerte Menschen.

Die Vernichtung war industriell organisiert. Man sah Berge von Frauenhaaren, Berge von Kinderschuhen. Aus der tätowierten Haut der Leichen wurden Lampenschirme gefertigt – all das wurde im Film dokumentiert.

Um diesen ungeheuerlichen Rückfall in die Barbarei zu verstehen, sind die Schriften Trotzkis von großer Bedeutung.

Trotzki hat aufgezeigt, dass Hitler deshalb an die Macht kommen konnte, weil die stalinistische Politik des Sozialfaschismus die Arbeiterklasse spaltete. Auf Anweisung Stalins bezeichnete die KPD die Sozialdemokraten als Sozialfaschisten und verweigerte jegliche gemeinsame Kampfmaßnahmen gegen die Nazis.

Trotzki kämpfte unermüdlich dafür, die Spaltung der Arbeiterbewegung zu überwinden und die Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms zu mobilisieren.

Als wir im Herbst 1971 den Bund Sozialistischer Arbeiter gründeten, stützten wir uns auf diese politischen Lehren. Wir waren entschlossen unter allen Umständen zu verhindern, dass sich Krieg und Faschismus wiederholen.

Heute gewinnen diese Fragen erneut große Bedeutung.

Der deutsche Imperialismus zeigt sich wieder so, wie er historisch entstanden ist.

Selbst die Gebiete, in denen er eine Vorherrschaft anstrebt, sind dieselben wie in der Vergangenheit. Wieder liegen sie im Osten. Wieder ist es die Ukraine. Schon zweimal haben deutsche Regierungen im vergangenen Jahrhundert versucht, die Ukraine militärisch unter deutsche Kontrolle zu bringen. Dabei verübten sie schreckliche Verbrechen an der Zivilbevölkerung.

Die Rückkehr des deutschen Imperialismus und Militarismus nimmt die Form einer regelrechten Verschwörung gegen die Bevölkerung an.

Die Rolle des Einpeitschers hat die SPD übernommen. Sie feiert den 100. Jahrestag ihrer Zustimmung zum Ersten Weltkrieg mit einer üblen Kriegshetze gegen Russland.

Übertroffen wird die Kriegshetze der SPD von den Grünen.

Die ehemaligen Pazifisten unterstützen uneingeschränkt die Interessen des deutschen Imperialismus und trommeln für Bundeswehreinsätze und Kriege im Namen von „Menschenrechten“ und „Humanität“.

Früher hatten wir heftige Auseinandersetzungen mit den Pazifisten. Sie lehnten die Arbeiterklasse und eine sozialistische Perspektive vehement ab. Mittlerweile sind die protestierenden Bürgersöhne und -töchter in ihre Familien zurückgekehrt und haben einflussreiche Posten in Wirtschaft und Gesellschaft. Aus den Pazifisten von einst sind glühende Patrioten und Kriegsbefürworter geworden.

Auch die Linkspartei war nur so lange pazifistisch, wie der deutsche Imperialismus sich pazifistisch gebärdete. Genau in dem Moment, in dem der deutsche Militarismus auf die Weltbühne zurückkehrt, streift auch die Linkspartei ihr pazifistisches Mäntelchen ab und hechelt der humanitären Kriegspropaganda der Grünen hinterher.

Anfang April stimmten fünf Bundestagsabgeordnete der Linken erstmals für einen Auslandseinsatz der Bundeswehr und signalisierten der herrschenden Klasse, dass sie die neue Kriegspolitik unterstützen.

Die PSG ist buchstäblich die einzig Partei in Deutschland, die der Wiederkehr des deutschen Militarismus und der Kriegsvorbereitung entgegentritt. Gemeinsam mit der SEP in Großbritannien haben wir den Widerstand gegen Militarismus und Krieg in den Mittelpunkt unseres Europa-Wahlkampfs gestellt.

Wir verbinden den Kampf gegen Krieg mit dem Kampf gegen seine Ursache, den Kapitalismus.

Es gibt nur eine gesellschaftliche Kraft, die die Kriegsentwicklung stoppen kann: die internationale Arbeiterklasse im Kampf für ein sozialistisches Programm. Das ist die große Lehre aus den vergangenen Klassenkämpfen.

Es ist eine unumstößliche historische Tatsache: der Erste Weltkrieg wurde durch die Machteroberung der Bolschewiki, das heißt, durch die Russische Revolution beendet. Und als die Ausweitung dieser Revolution auf Europa und die ganze Welt unterdrückt wurde, waren faschistischer Terror und der Zweite Weltkrieg unausweichlich.

Wie vor hundert Jahren setzt die akute Kriegsentwicklung den Kampf für die sozialistische Revolution auf die Tagesordnung.

Wenn die Herrschenden glauben, sie könnten die Rückkehr zu Militarismus und Krieg durch ein paar Beschlüsse im Kanzleramt, ein paar Reden des Bundespräsidenten und ein paar Hetzartikel in den Medien durchsetzen, täuschen sie sich.

Es gibt eine Partei, die sich nicht einschüchtern lässt, eine Partei, die die Lehren aus der Geschichte gezogen hat und die Arbeiterklasse auf die kommenden großen Klassenkämpfe vorbereitet.

Das ist der große Unterschied. Vor 100 Jahren brachen die SPD und mit ihr die Zweite Internationale zusammen, nachdem sie bereits Jahre vorher in opportunistische Richtung abgeglitten waren. Heute gewinnt eine Partei Einfluss, die über Jahrzehnte, unter schwierigen Bedingungen für ein internationales sozialistisches Programm gekämpft und einen starken internationalen Kader aufgebaut hat.

Diese internationale Mai-Kundgebung zeigt die politische Stärke und Autorität unserer Bewegung. Wir blicken deshalb voller Optimismus in die Zukunft.

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