Schweiz: Volksabstimmung lehnt Kauf von Kampfjets ab

Am 18. Mai stimmte die Bevölkerung der Schweiz über die Einführung eines Mindestlohnes und über die Beschaffung von 22 Exemplaren des Kampfflugzeugs Gripen ab. Über drei Viertel der Abstimmungsteilnehmer (76,3%) lehnten einen gesetzlichen Mindestlohn von 22 Schweizer Franken (18 Euro) pro Stunde ab. Umso bemerkenswerter ist die Niederlage der Regierung in der Frage des Kampfjets. Bei einer für Schweizer Verhältnisse hohen Stimmbeteiligung von 56 Prozent sprachen sich 53,4 Prozent gegen den Kauf neuer Militärflugzeuge aus.

Die Wirtschaftsverbände und bürgerliche Politiker hatten eine beispiellose Kampagne gegen den Mindestlohn geführt, der angeblich den „Wirtschaftsstandort Schweiz“ akut bedrohe. Die Gewerkschaften, die Sozialdemokraten (SP), die Grünen und die Alternative Liste (AL), die die Mindestlohninitiative eingereicht hatten, konnten dem wenig entgegensetzen. Sie argumentierten ebenfalls mit nationalistischen Argumenten. So lautete die Parole der Gewerkschaft Unia: „Starkes Land. Faire Löhne“.

Hinzu kam, dass die am stärksten benachteiligten Ausländer, die unter den abhängig Beschäftigten zwischen 25 und 40 Prozent der Belegschaften ausmachen, nicht mit abstimmen durften.

Das Nein zum Kauf von 22 neuen Kampfjets ist Bestandteil des weltweiten Widerstands gegen den wachsenden Militarismus. Angesichts der Kriegshetze gegen Russland und der realen Gefahr eines dritten Weltkriegs kommt diesem Abstimmungsergebnis deshalb große Bedeutung zu.

Die Ablehnung war besonders deutlich in allen urbanen und industriellen Gebieten, in den Städten Basel, Zürich, Genf, Bern, Winterthur, Aarau, Baden, St.Gallen, außerdem im Jura, in der ganzen Romandie, dem unteren Wallis und dem Tessin. In den Bauerngebieten der Innerschweiz überwog dagegen die Zustimmung.

Die Regierung und das Parlament hatten dem Kauf von 22 Gripen-Kampfjets des schwedischen Herstellers Saab für über drei Milliarden Franken im Herbst 2013 zugestimmt, worauf die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) mit Unterstützung von SP und Grünen das Referendum dagegen ergriff.

Auch in dieser Frage mobilisierten Regierung, rechte Parteien und Presse ihr gesamtes finanzkräftiges Propagandaarsenal. Das Stimmverhalten wurde pathetisch als „Bekenntnis für oder gegen die Landesverteidigung“ dargestellt, und Kritiker des Gripen-Deals wurden in den Medien persönlich diffamiert.

Im Februar kam den Gripen-Befürwortern ein Zwischenfall mit einer äthiopischen Linienmaschine zupass. Als der Kopilot das Flugzeug nach Genf entführte, um in der Schweiz Asyl zu beantragen, wurde in allen Medien nicht etwa über Flüchtlingspolitik, sondern über die Einsatzbereitschaft der Schweizer Luftwaffe diskutiert.

Sofort hieß es, eine 24-Stunden-Bereitschaft könne nur mit den zusätzlichen 22 Gripen sichergestellt werden. Das äthiopische Flugzeug wurde nämlich von Abfangjägern der italienischen und französischen Luftwaffe eskortiert, weil sich der Vorfall um sechs Uhr morgens abspielte, und die Schweizer Luftwaffe nur zu „ordentlichen Bürozeiten“ einsatzfähig war.

Nun hat der Gripen laut Datenblatt einen Aktionsradius von 800 km, könnte also von der Schweiz aus Ziele bis nach London, Budapest oder Sardinien bekämpfen. Dies allein zeigt, dass es nicht um die Einsatzbereitschaft der Schweizer Luftverteidigung ging, sondern dass die Schweiz ihre – wie es so schön heißt – „Verantwortung in Europa und der Welt“ wahrnehmen will: ihre imperialistischen Interessen als Partner der EU und der NATO.

Aller vielfach zitierten „Neutralität“ zum Trotz ist die Schweiz in ihren Wirtschaftsinteressen aufs Engste mit den größten kapitalistischen Mächten der Welt verbunden. Nicht zufällig stellt sich bei fast jeder Umweltkatastrophe heraus, dass eine in der Schweiz ansässige Firma ihre Hände im Spiel hatte. So war es bei der Explosion der Ölbohrplattform „Deep Water Horizon“, die der Zuger Firma Transocean gehörte, wie auch beim Untergang des Öltankers „Prestige“ der Firma „Crown Resources“. Letztere hat ihren Sitz ebenfalls in Zug und gehört dem russischen Oligarchen Alexei Kusmitschew.

Wie wichtig Öl und Gas in den meisten Konflikten sind – Iran, Irak, Libyen, und jetzt aktuell Ukraine – ist allgemein bekannt. Ein ebenfalls wichtiger Faktor ist der Waffenhandel. Auch hier ist die Schweiz gemessen an ihrer Grösse überproportional vertreten: Sie befindet sich laut SIPRI an 13. Stelle der Waffenexportländer, noch vor Kanada.

Auch mit Waffenimporten wie dem Gripen lässt sich Einfluss ausüben. Länder wie die Schweiz, welche nicht auf einen bestimmten Lieferanten angewiesen sind, können durch ihre Beschaffungspolitik andere beeinflussen. Während des Kalten Krieges hatte die Schweiz, anders als andere neutrale Länder wie Finnland oder Österreich, niemals Kampfjets aus dem ebenfalls neutralen Schweden gekauft, sondern immer nur aus NATO-Mitgliedern wie Grossbritannien, Frankreich und den USA. Da man während eines Krieges oder der drohender Kriegsgefahr auf den Hersteller für Updates, Ersatzteile usw. angewiesen ist, war dies ein deutliches Zeichen: Wir gehören zu euch.

Diesmal wurden die Verhandlungen mit SAAB um den Kampfjet JAS-39 Gripen geführt, als Ersatz für den F-5E „Tiger“ des US-Herstellers Northrop, der heute zu Boeing Aerospace gehört. Dass man für diesen Flugzeugkauf ausschliesslich europäische Bewerber berücksichtigt und die Konkurrenz aus den USA, Russland oder China trotz besserem Preis-Leistungs-Verhältnis nicht in die engere Auswahl gezogen hat, ist wiederum eine politische Aussage: Wir gehören zu Europa.

Die vielfach zitierte „Neutralität“ der Schweiz war und ist reine Propaganda, um der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. So hat die Schweizer Regierung immer wieder Personal für „friedenserhaltende“ Missionen gestellt, unter anderem auch für den KFOR-Einsatz der NATO im Kosovo, obwohl die Teilnahme an sogenannten UNO-Blauhelmeinsätzen 1994 in einer Volksabstimmung abgelehnt worden war.

Gerade jetzt beteiligen sich am aktuellen NATO-Großmanöver „Jawtex“ (Joint Air Warfare Tactical Exercise), das noch bis zum 23. Mai in Norddeutschland stattfindet, auch Soldaten aus der „neutralen“ Schweiz.

Am 7. Mai war der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter als amtierender Vorsitzender der OSZE beim russischen Präsidenten Vladimir Putin zu Besuch. Ihm als „Neutraler“ war die Mission übertragen worden, Moskau von den Forderungen der „Internationalen Gemeinschaft“ zu überzeugen. Die Frage stellt sich: Wie glaubwürdig ist wohl die „neutrale Mission“ eines Regierungschefs, dessen Soldaten sich gerade an einem NATO-Großmanöver beteiligen?

Die Ablehnung des Kaufs des Gripen wird nicht dazu führen, dass die Regierung ihre Politik ändert, eher im Gegenteil. Dafür sorgen gerade die als „links“ geltenden Politiker, die Sozialdemokraten und die Grünen. Sie sind die besten Verteidiger der bürgerlichen Schweiz und ihrer Integration in imperialistische Bündnisse. Sie befürworten und organisieren die Teilnahme an NATO-„Friedens“-Missionen und die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union.

So sprach sich SP-Präsident Christian Levrat in einer Reaktion auf das Abstimmungsergebnis dafür aus, dass die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern verstärkt wird. Derweil will die rechtspopulistische SVP von Christoph Blocher, die eher Isolationismus predigt, die drei Milliarden Franken, die für den Kauf des Gripen vorgesehen waren, nun für die Aufrüstung der Bodentruppen und auch für Drohnen einsetzen.

Für die Arbeiter bieten weder ein Alleingang der Schweiz noch die Zusammenarbeit mit EU und NATO eine Zukunft. Um die Kriegsgefahr abzuwenden, müssen sie sich mit den Arbeitern aller europäischen Länder zusammenschließen und den Kampf für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa aufnehmen.

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