Obamaregierung macht unbegrenztes Recht zur Kriegsführung ohne Ermächtigung durch den Kongress geltend

In ihren Aussagen vor dem US-Kongress machten führende Vertreter der Obama-Administration am Mittwoch geltend, der Präsident habe das unbeschränkte Recht zur Kriegsführung, sogar ohne den Deckmantel einer Autorisierung durch den Kongress.

In ihren Stellungnahmen vor dem Senatsausschuss für auswärtige Angelegenheiten erklärten die Regierungsvertreter, die stellvertretende Rechtsberaterin des Außenministeriums Mary McLeod, und der Rechtsberater des Verteidigungsministeriums Stephen Preston, es sei nicht erforderlich, die Bestimmung zur Ermächtigung zum Einsatz militärischer Gewalt (Authorization for the Use of Military Force - AUMF) aus dem Jahre 2001 anzuwenden. Dies gelte sowohl für Drohnenangriffe, wie für die Bereitstellung von Truppen oder andere Kriegsoperationen, die von der Obama-Administration vorgenommen wurden.

Über mehr als zehn Jahre wurde die AUMF zur Rechtfertigung für alle gesetz- und verfassungswidrigen Aktivitäten der Regierungen von Bush und Obama herangezogen – Militärinvasionen, unbefristete Inhaftierungen (wie diejenígen auf Guantanamo Bay), Folter und Tötungen durch Drohnen. Der Kongress berät derzeit darüber, das Gesetz zu überarbeiten oder aufzuheben, wobei angestrebt wird, die genannten Operationen auf eine dauerhafte Rechtsgrundlage zu stellen.

Im Verlauf der Befragung über die Zukunft der AUMF deuteten McLeod und Preston gegenüber den Senatsmitgliedern an, dass der Exekutive aus Sicht der Regierung durch die AUMF keine Befugnisse verliehen würden, die ihr nicht ohnehin bereits durch Artikel II der US-Verfassung zustünden. Damit nimmt die Exekutive unbegrenzte Macht für sich in Anspruch.

Preston erklärte: „Mir ist keine ausländische Terrorgruppe bekannt, die eine Bedrohung für dieses Land darstellt und zu deren Abwehr der Präsident nicht befugt wäre, nur weil die AUMF dies nicht abdeckt. Wenn die Gruppe eine Bedrohung darstellt, hat der Präsident die Befugnis, Schritte gegen diese Bedrohung einzuleiten“.

Die Frage des republikanischen Senators Bob Corker, ob der Präsident die derzeit angewandten Maßnahmen zur Terrorbekämpfung auch weiterhin anwenden könne, falls die AUMF aufgehoben werde, beantwortete McLeod mit: „Ja, ich glaube, das könnte er“.

„Die USA haben die Berechtigung, Personen, auch Amerikaner, zum Ziel zu nehmen, die mit einem unmittelbar bevorstehende Angriff eine Bedrohung für unser Land darstellen“ fügte McLeod hinzu (Hervorhebung durch den Verfasser).

In der Sprache der Regierungsjuristen wurde der Begriff „unmittelbar bevorstehend“ so umdefiniert, dass diese Bedingung jede Bedeutung verloren hat. McLeod sagte nicht, ob die Tötung von Amerikanern innerhalb der Vereinigten Staaten erlaubt sei.

In einem Bericht des Rolling Stone über die Anhörung heißt es: „Als Senator Tim Kaine (ein Demokrat aus Virginia) fragte, ‘was könnte [der Präsident] ohne die AUMF nicht mehr tun,’ hatte Preston zunächst keine Antwort parat. Kaine fragte weiter, ob die USA damit fortfahren könne, Internierte auf Guantanamo Bay festzuhalten, falls die AUMF aufgehoben werden würde. Preston wich aus; McLeod fügte hinzu, die USA könnten solange Gefangene internieren ‘wie wir uns in einem bewaffneten Konflikt mit al-Qaida befinden’“.

„Ich denke, man kann sagen, dass der Präsident mit oder ohne AUMF, soweit sie die Befugnis zum Einsatz militärischer Gewalt gegen al-Qaida, die Taliban und mit ihnen verbundene Kräfte, mit denen wir uns in einem bewaffneten Konflikt befinden, einräumt … die verfassungsmäßige Befugnis zum Handeln hat“, sagte Preston.

Auf die Frage, ob die Exekutive ohne Billigung durch den Kongress jedes Land angreifen dürfe, von dem sie erklärt, es gewähre Terroristen Unterschlupf, antwortete McLeod: „Wir müssten erwägen, ob einzelne Personen in diesem Land oder in der Regierung dieses Landes eine unmittelbar bevorstehende Bedrohung darstellen“. Das heißt, die Exekutive würde eine interne Beratung abhalten und entscheiden, ob sie auf der Basis ihrer Definition des Begriffs „unmittelbar bevorstehend“ einen Krieg führt.

McLeod ergänzte, aus Sicht der Administration habe diese auch ohne Ermächtigung durch den Kongress die Befugnis, Krieg gegen Syrien zu führen, basierend auf den fadenscheinigen Beschuldigungen vom letzten Jahr über den Einsatz chemischer Waffen (in einem internen Konflikt). Im syrischen Bürkerkrieg waren es die Vereinigten Staaten und nicht die syrische Regierung, die in einem direkten Bündnis mit al-Qaida und den mit ihr „verbundenen Kräften“ stehen.

Die Aussagen vom Mittwoch sind Teil einer Debatte innerhalb des politischen Establishments darüber, wie man einen endlosen Krieg rechtfertigen kann. Vor fast genau einem Jahr argumentierte Michael Sheehan, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, in seiner Aussage vor dem Verteidigungsausschuss des Senats, die AUMF gebe der Administration eine praktisch unbegrenzte Macht zur Kriegsführung in der ganzen Welt, auch in den Vereinigten Staaten. Er fügte hinzu, die Befugnis zur Führung von Kriegen würde unbefristet fortgelten, „mindestens zehn bis zwanzig Jahre“.

So waren, nach der seinerzeitigen Aussage Sheehans, weitere Ermächtigungen durch den Kongress nicht erforderlich, um Drohnenangriffe auszuführen, und sind es nicht, um in der Zukunft Kriege zu führen, solange diese Militäroperationen nur in irgendeiner Weise mit al-Qaida oder mit ihr „verbundenen Kräften“ (eine Formulierung, die sich in der AUMF selbst gar nicht findet) verknüpft werden können. Sheehan nahm ausdrücklich auf den kurz zuvor erfolgten Bombenanschlag auf den Boston Marathon Bezug, um das „Schlachtfeld“ auf die Vereinigten Staaten auszudehnen.

Im selben Monat hielt Obama eine Rede an der National Defense University, um die Ermordung durch Drohnenangriffe zu verteidigen. Zum ersten Mal gab er darin öffentlich zu, dass er die Tötung von Anwar al-Awlaki, einem US-Bürger, angeordnet hatte. Obama erklärte, Amerika befinde sich an einer „Wegscheide“. Seine Regierung wolle den Kongress im Hinblick auf die AUMF in die Pflicht nehmen, um „festzulegen, wie wir den Kampf gegen den Terrorismus fortsetzen können, ohne Amerika im permanenten Kriegszustand zu halten“.

Die Aussagen von McLeod und Preston machen klar, dass die Regierung tatsächlich nach einem Mechanismus zur Führung endloser Kriege, Ermordung durch Drohnen und damit verbundener illegaler Tätigkeiten in den verfassungsgemäßen Befugnissen des Präsidenten sucht.

Dieses Rechtsprinzip, das letztlich auf eine präsidentielle Diktatur hinausläuft, war das Thema, das den Memoranden sowohl der Bush- als auch der Obama-Regierung zugrundelag. Insbesondere Bushs Vizepräsident Dick Cheney und seine Anwälte argumentierten, die AUMF sei im Kern überflüssig und eine reine Formalität, die Rechtsgrundlage für Folter und Tötungen liege vielmehr im Artikel II der Verfassung.

Diese pseudojuristische Argumention wurde unter Obama fortgesetzt und ausgeweitet, insbesondere im Bezug auf außergerichtiche Ermordungen. Am Mittwoch stimmte der Senat mit 52 zu 43 für eine Eröffnung des Verfahrens über die Bestätigung des von Obama für den First US Circuit Court of Appeals benannten David Barron. Barron ist der Autor eines immer noch geheimgehaltenen Memorandums, mit dem die Tötungen von al-Awlaki und anderen US-Bürgern ohne Gerichtsverfahren gerechtfertigt werden sollen.

Die Abstimmung vom Mittwoch verlief fast vollständig nach Parteizugehörigkeit. Die Demokraten stimmten mit „Ja“, die Republikaner mit „Nein“. Wegen einer im letzten Jahr vorgenommenen Änderung der den Senat betreffenden Regeln war für die verfahrensmäßige Abstimmung, die der eigentlichen Bestätigung vorangeht, lediglich eine einfache Mehrheit und keine qualifizierte Mehrheit von 60 Stimmen erforderlich.

Um die Bestätigung zu ermöglichen, erklärte die Administration am Dienstag, sie würde ihre Bemühungen einstellen, die gerichtlich angeordnete Freigabe verschiedener Memos zu blockieren, die Barron während seiner Amtszeit von 2009 bis 2010 im Office of Legal Counsel des Justizministeriums angefertigt hatte. Das Weiße Haus kündigte an, die Freigabe werde zu einem irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft erfolgen.

Das Versprechen der Administration reichte aus, um Kritiker innerhalb der Demokratischen Partei zufrieden zu stellen. Ihre grundlegende Übereinstimmung mit dem Anspruch des Weißen Hauses auf unbegrenzte Macht der Exekutive wurde von Senator Ron Wyden zusammengefasst, der nach der Abstimmung über Barrons Nominierung ankündigte: „Ich glaube, jeder Amerikaner hat das Recht es zu erfahren, wenn die Regierung glaubt, sie habe das Recht, ihn zu töten“.

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