Meinungsfreiheit und die Debatte über den australischen Racial Discrimination Act

Der Plan der australischen Regierung, an den Bestimmungen des Racial Discrimination Act, die Verunglimpfung aus Gründen der Rasse betreffen, Korrekturen vorzunehmen, hat eine öffentliche Debatte ausgelöst, die wichtige politische Fragen für die Arbeiterklasse aufwirft.

Nachdem in einem Aufsehen erregenden Prozess der Murdoch-Kolumnist Andrew Bolt – bekannt für seine rechte Propaganda – verurteilt worden war, gelobte der heutige Ministerpräsident Tony Abbott 2011, damals noch in der Opposition, das Gesetz im Falle eines Wahlsieges zu ändern.

Bolt wurde wegen zweier aufwieglerischer Artikel, die er 2009 verfasst hatte angeklagt und wegen rassischer Verunglimpfung schuldig gesprochen. Einer war überschrieben mit „Es ist so hip, schwarz zu sein“. Darin warf er 15 prominenten, „hellhäutigen“ Aborigines vor, sich als Aborigines zu bezeichnen, um ihre Karriere zu fördern. Das Gericht befand ihn schuldig, gegen die Bestimmungen über rassische Verunglimpfung verstoßen zu haben, die die Labor-Regierung unter dem Ministerpräsidenten Keating 1994 in den Racial Discrimination Act von 1973 aufgenommen hatte.

Im Urteil des Federal Court of Australia, dem höchsten Gericht Australiens, hieß es, dass Bolt den Zielen des Gesetzes zuwider gehandelt habe, weil er – in einem „respektlosen Ton“ und „mit unnötigen Kommentaren“ – „das Recht einer Gruppe von Menschen“, ihre Identität auf ihre rassische Zugehörigkeit zu gründen, in Zweifel gezogen habe, was „den Grundsatz der rassischen Toleranz verletze“.

Entgegen allen, die das Urteil als einen schweren Schlag gegen Rassismus und Rassisten feierten, bestanden die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party darauf, dass Bolts Verurteilung wegen einer Meinungsäußerung – so reaktionär diese auch war – einen direkten Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutete und einen gefährlichen Präzedenzfall schuf, der vor allem für sozialistische Gegner von Identitätspolitik eine Bedrohung darstellte. Die SEP warnte, dass jede Gruppe, die sich auf Nationalität, Rasse oder Identität gründe, sich auf dieses Urteil stützen könne, um Ideen und Meinungen zu unterdrücken, die sie als Beleidigung empfinde.

Mit anderen Worten: Das fundamentale Recht auf freie Meinungsäußerung kann nicht von Fall zu Fall verteidigt werden, nach dem Kriterium, ob jemand mit bestimmten Vorstellungen übereinstimmt oder nicht. Diese opportunistische Haltung stärkt immer die politische Reaktion.

Heute schlägt die regierende Koalition Korrekturen am Gesetz vor. Sie möchte durch eine eingeschränkte Definition von „rassischer Verunglimpfung“ und durch erweiterte Ausnahmeregelungen eine Verurteilung erschweren. Vor der Fixierung des endgültigen Gesetzestextes organisierte die Koalition öffentliche Anhörungen über die von ihr vorgeschlagenen Korrekturen. In den meisten Anhörungen sprach sich eine Mehrheit gegen die Ergänzungen aus, weil sie Hassparolen und Angriffen auf ethnische Minderheiten Vorschub leisten würden.

Abschnitt 18C in der bestehenden Fassung untersagt jede öffentliche Handlung, die „nach Lage der Dinge geeignet scheint, dass damit eine Person oder eine Gruppe von Menschen“ wegen ihrer Rasse, Hautfarbe oder ihrer nationalen bzw. ethnischen Herkunft „angegriffen, beleidigt, erniedrigt oder einschüchtert wird“. Die vorgeschlagenen Korrekturen würden die Begriffe „angreifen“, „beleidigen“ und „erniedrigen“ streichen und „einschüchtern“ eng definieren im Sinne von „Angst vor physischer Gewalt erzeugen“ gegen Menschen oder Eigentum. Auch der Terminus „verunglimpfen“ taucht auf, wird aber auf die Bedeutung „Hass schüren“ beschränkt.

Die ergänzte Version des Gesetzes ist auch großzügiger in der Frage, wann ein Bruch des Gesetzes vorliegt. Zur Grundlage jeden Urteils würde „die Auffassungen jedes vernünftigen Mitglieds der australischen Gesellschaft sein, nicht die Maßstäbe einer bestimmten Gruppe innerhalb der australischen Gesellschaft.“

Der Abschnitt 18D des Gesetzes sieht gegenwärtig Ausnahmen vor für „alles, was (in der öffentlichen Debatte oder als freie Meinungsäußerung) in angemessener Weise und in guter Absicht gesagt oder getan wurde“. Die Änderungen der Regierung lassen noch mehr Ausnahmen zu durch die Streichung des Gebots, dass Diskussionen und Äußerungen über diese Fragen in angemessener Weise und in guter Absicht stattfinden.

Die Behauptung von Generalstaatsanwalt George Brandis und anderen Regierungsvertretern, dass es ihnen mit dem Gesetz um die Verteidigung der Meinungsfreiheit gehe, ist eine Lüge.

Allgemein wird anerkannt, dass ihre wirkliche Motivation darin besteht, verschiedenen Abbott-Unterstützern in den Medien – Andrew Bolt in Victoria und Alan Jones, der im New South Wales-Rundfunk für rechtes Gedankengut Werbung macht - im Besonderen -, die ständig versuchen, Vorurteile gegen ethnische Minderheiten zu schüren, einen Freifahrschein für ihre aufhetzenden Reden auszustellen. Jones ist – neben anderen Provokationen - berüchtigt dafür, wie er 2005 dazu beitrug, dass es in Cronulla Angriffe auf libanesische Jugendliche gab (Cronulla riots).

Das bedeutet aber nicht, dass die, die die Pläne der Regierung ablehnen, die Kampagne für die unveränderte Beibehaltung des Gesetzes unterstützen sollten, die von der Labor Party, den Grünen, ethnischen und juristischen Organisationen im Verein mit den diversen pseudolinken Gruppen geführt wird.

Dieser Kampagne geht es vor allem darum, die Illusion zu verbreiten, dass der kapitalistische Staat – seine Gerichte, Gesetze und sein Unterdrückungsapparat – über die demokratischen Rechte wacht.

Eine prinzipielle sozialistische Politik beharrt darauf, dass die Verteidigung demokratischer Rechte, auch der Kampf gegen alle Formen des Rassismus, untrennbar verbunden ist mit der unabhängigen politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus. Sie darf unter keinen Umständen dem kapitalistischen Staat überlassen werden, der ja genau die Organisation darstellt, der die Hauptverantwortung für die Propagierung rassisch motivierter Politik zukommt. Jeder Versuch, die Arbeiterklasse dem Staat unterzuordnen, zielt auf die politische Schwächung der Arbeiterklasse ab, indem er die Entwicklung von Klassenbewusstsein untergräbt.

Die Lehren aus den historischen Erfahrungen zeigen deutlich, dass es sich hier nicht um Vermutungen handelt, sondern um historische Fakten.

Als in Deutschland in den 1930er Jahren die Weimarer Republik in ihren letzten Zügen lag, hielt die SPD, die die Unterstützung großer Teile der Arbeiterklasse hatte, daran fest, dass die wachsende Gefahr durch die Nazis durch Appelle an den Staat, seine Gesetze, die Polizei und die Justiz gebannt werden müsse.

Den furchtbaren Preis dafür musste die deutsche und internationale Arbeiterklasse bezahlen, als im Januar 1933 genau der „demokratische“ Staat, an den die SPD appelliert hatte, die Macht an die Nazis übergab.

Leo Trotzki bezog sich auf diese bittere Erfahrung, als er später äußerte, dass man alle Maßnahmen, die den kapitalistischen Staat stärken, ablehnen müsse, „selbst wenn diese sich vorübergehend gegen die Faschisten richten sollten.

Die Unterstützung für den “demokratischen” Staat der Weimarer Republik endete in einer Tragödie. Auch die heutigen Behauptungen der Labor Party, der Grünen und verschiedener indigener und ethnisch basierter Organisationen, dass die bestehenden Gesetze die Aborigines und andere Bevölkerungsgruppen verteidigen werden, stellen eine üble Irreführung dar.

Der kapitalistische Staat Australien, begründet auf der Ausrottung der eingeborenen Bevölkerung und der gesetzlich sanktionierten Politik, ein Weißes Australien zu schaffen, ist kein Bollwerk gegen Rassismus, Verunglimpfung und Hassparolen. Vielmehr ist er seit jeher die Hauptquelle rassischer Unterdrückung und Gewalt, was sich in der entsetzlichen Armut, in der nach wie vor große Teile der Aborigines-Bevölkerung leben, und in der anhaltenden Brutalität im Umgang mit Flüchtlingen zeigt.

Um ihre demokratischen Rechte zu verteidigen, muss die Arbeiterklasse gegen alle Formen von Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, Rassismus und Kommunalismus kämpfen; doch sie muss das als vom kapitalistischen Staat unabhängige Kraft und in Opposition zu ihm tun.

Auf dieser Grundlage wendet sich die SEP sowohl gegen die von der Regierung Abbott beabsichtigten Korrekturen am Racial Discrimination Act, als auch gegen die von Labor und den Grünen angeführte Kampagne zur Beibehaltung des Gesetzes in seiner jetzigen Form.

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