Referendum in Schottland:

Stimmt mit “Nein”! Kämpft für ein sozialistisches Großbritannien!

Die Socialist Equality Party (SEP) ruft dazu auf, bei dem Referendum am 18. September über eine nationale Unabhängigkeit Schottlands mit überwältigender Mehrheit mit „Nein“ zu stimmen.

Alle Behauptungen, die „Unabhängigkeit” sei eine demokratische Forderung und biete eine Alternative zu Kürzungen und Sparpolitik, sind Lügen.

Die Bewegung für eine Lostrennung vom Vereinigten Königreich wird von rechten Kräften angeführt, die allesamt Nationalismus propagieren, gleich, ob sie dies mit linken Worten kaschieren oder nicht. Sie wollen Schottland in ein Land mit niedrigen Steuern und Löhnen zugunsten der Banken und transnationalen Unternehmen verwandeln.

Die Opfer dieser Politik werden Arbeiter auf beiden Seiten der Grenze sein: Ihnen blüht eine Verschärfung der anhaltenden Attacken auf Arbeitsplätze, Löhne und Lebensbedingungen, die alle etablierten Parteien im englischen und schottischen Parlament führen.

Die Einheit und Unabhängigkeit der Arbeiterklasse ist der Maßstab, an dem sich jede politische Partei und Initiative messen lassen muss. Gerade heute, da auf dem ganzen Planeten das Gift des Nationalismus versprüht wird, ist dies von größter Bedeutung.

Schottland ist keine unterdrückte Nation, sondern Teil eines imperialistischen Staates. Seine herrschende Klasse hat zahllose Verbrechen begangen und beutet Millionen Menschen auf der ganzen Welt brutal aus. Das Schwenken der schottischen Flagge soll die grundlegende Tatsache verbergen, dass die Arbeiter in Schottland nicht wegen ihrer Nationalität, sondern aufgrund ihrer Klassenlage in der kapitalistischen Gesellschaft unterdrückt werden. Das ist genauso reaktionär, wie wenn ihre Gegner den Union Jack schwenken.

Das Vereinigungsgesetz (Act of Union) von 1707 schuf den Rahmen für die Entwicklung des Kapitalismus und ein gewaltiges Wachstum der Produktivkräfte. Auf dieser Basis entstand die erste industrielle Arbeiterklasse der Welt. Seitdem haben Arbeiter in England, Schottland und Wales Seite an Seite große Kämpfe geführt. Dazu zählen der Chartismus, die große revolutionäre Bewegung für Demokratie und Gleichheit, der Generalstreik von 1926, die Massenstreikbewegung, die 1974 die Tory-Regierung stürzte, und der ein Jahr währende Streik der Bergarbeiter 1984-85.

Das Eintreten für ein unabhängiges Schottland ist eine reaktionäre Antwort auf den Bankrott des Nationalstaatensystems, das mit der globalen Organisation des Wirtschaftslebens nicht mehr vereinbar ist. Dieser grundlegende Widerspruch führte im letzten Jahrhundert, als die führenden kapitalistischen Mächte um die Weltherrschaft kämpften, zu den zwei verheerendsten Kriegen der Menschheitsgeschichte. Heute, da die Produktion global geworden ist und die Ökonomie jedes Landes in ein größeres Ganzes integriert ist, das von riesigen transnationalen Konzernen und Banken beherrscht wird, haben interimperialistische und nationale Gegensätze eine bisher unerreichte Schärfe angenommen.

Die Hauptfunktion eines separaten schottischen Staates bestünde darin, direktere Beziehungen zu großen Banken, Unternehmen und Spekulanten anzuknüpfen, im Tausch gegen verschärfte Ausbeutung, drastische Senkung der Löhne und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Zerstörung oder Privatisierung sozialer Dienste und weitgehende Abschaffung von Vermögenssteuern.

Die einzige fortschrittliche Antwort auf die Krise des Nationalstaatensystems ist es, durch den Kampf für die Perspektive des sozialistischen Internationalismus alle nationalen Spaltungen aufzuheben.

Die SEP tritt für einen Kampf gegen das global organisierte Kapital ein, nicht für steuerliche Anreize für Unternehmen. Wir sind für den Sturz des britischen Imperialismus und seines Staatsapparates, statt einer Verhandlungslösung, die der Errichtung eines neuen repressiven Staates dient.

Wir rufen die arbeitende Bevölkerung auf, Nationalismus und Separatismus zurückzuweisen und eine Bewegung gegen Austerität und Krieg zu mobilisieren, die für die Entmachtung der Konservativen, der Scottish National Party und ihrer Verbündete aus den Reihen der Labour Party und der Liberaldemokraten eintritt und für ein Ende der Herrschaft der parasitären und verantwortungslosen Finanzoligarchie kämpft, deren Sprachrohr sie sind.

Die SEP kämpft für eine Arbeiterregierung, die eine sozialistische Politik vertritt. Wir stehen für die Gründung von Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, und gegen die Zerstückelung des Kontinents nach Art der Aufspaltung der Balkanstaaten, bei der raffgierige regionale Eliten führend waren, die ein Votum für die Unabhängigkeit Schottlands als grünes Licht für ihre eigenen separatistischen Bestrebungen verstehen werden.

Dass die SEP auf der Klasseneinheit besteht, macht sie zu einem unversöhnlichen Gegner der offiziellen “Nein”-Kampagne. Bei dieser handelt es sich um ein rechtes Bündnis, bestehend aus Tories, Labour und Liberaldemokraten sowie einer Reihe von Wirtschaftsorganisationen. Unterstützung für die Unabhängigkeit, die es in der Arbeiterklasse geben mag, ist zu einem großen Teil der Wut auf die Austeritätspolitik der Parteien zuzuschreiben, die die “Better Together”-Kampagne anführen, und darauf, dass die Gewerkschaften jede Opposition gegen die herrschende Elite unterdrückt und verraten haben. Doch der Separatismus schwächt und spaltet die Arbeiterklasse nur im Kampf gegen diese Kräfte.

Die offiziellen Kampagnen für ein “Nein” oder “Ja” sprechen die Fragen, um die es geht, niemals ehrlich an. Über die Entwicklungen in England und international wird kein Wort verloren, sodass die Frage der Unabhängigkeit Schottlands nicht im richtigen Zusammenhang eingeordnet werden kann.

Seit dem Finanzkrach von 2008 haben die herrschenden Klassen in ganz Europa eine soziale Konterrevolution durchgeführt: Hunderte Milliarden sind an die Banker geflossen, und die Arbeiterklasse musste dafür bezahlen. In jedem Land sind Arbeiter mit Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung konfrontiert, mit Leistungskürzungen, Lohnsenkungen, Polizeischikanen, um sich greifender staatliche Überwachung und mit der wachsenden Gefahr von Diktatur und Krieg. Die junge Generation hat keine Zukunft. Das staatliche Gesundheitswesen – der National Health Service – und das Recht auf kostenlose und qualitativ hochwertige Bildung werden zerstört wie zahlreiche andere Rechte und wichtige Dienstleistungen auch.

Schottland steht dasselbe Schicksal bevor wie Griechenland, Spanien und den anderen Ländern Europas, ob es nun dem Vereinigten Königreich angehört oder nicht. Zu den Staaten, die die SNP einmal als „Bogen der Prosperität“ bezeichnete, und denen sie angehören wollte, gehören Irland und Island. In beiden Ländern wurden harte Sparmaßnahmen gegen die Bevölkerung durchgesetzt, und ihr Bankensystem steht vor dem Zusammenbruch.

Die wirklich treibende Kraft hinter den separatistischen Bestrebungen sind die sozialen Schichten, die darin die Gelegenheit erblicken, eigenständige Beziehungen mit global operierenden Unternehmen und kapitalistischen Institutionen wie der Europäischen Union anzuknüpfen. Deshalb werden die Unabhängigkeitsbestrebungen am stärksten vom schottischen Finanzsektor unterstützt, der eine beachtliche internationale Bedeutung erlangt hat und in direkter Konkurrenz zur City of London steht. Es ist keine Bewegung unterdrückter Arbeiter, sondern bürgerlicher und kleinbürgerlicher Eliten.

Die Scottish National Party liefert dafür die Bestätigung, wenn sie ausdrücklich erklärt, nicht am Pfund Sterling und der Monarchie rütteln zu wollen und die Mitgliedschaft in der EU und der Nato anzustreben. Große wie kleine Nationen sind Spielball mächtiger Unternehmensinteressen, was sich exemplarisch im wichtigsten Programmpunkt der SNP ausdrückt, die Körperschaftssteuer auf 20 Prozent zu senken. Diese Politik wird nur dazu beitragen, im gesamten Vereinigten Königreich eine Abwärtsspirale in Gang zu setzen und alle Versprechen von Ausgabensteigerungen für Sozialleistungen, Wohnungsbau und Bildung hinfällig machen.

Ein “Ja” zur Unabhängigkeit Schottlands würde in Europa ähnliche Auflösungsprozesse in Spanien, Italien und Belgien beschleunigen helfen, mit katastrophalen Folgen. In Nordirland würde das Votum benutzt werden, um sektiererische Spannungen anzuheizen. Doch auch in England selbst hätte es sofort Auswirkungen. Bereits jetzt rühren Teile der herrschenden Elite unter Führung verschiedener Labour-Politiker die Trommel für englischen Nationalismus und Regionalismus. Unabhängig vom Ausgang des Referendums in Schottland gibt es bereits Pläne für Devolution (1) in ganz England, mit Regionalparlamenten, deren einziger Zweck es sein wird, im Interesse des Großkapitals Arbeiter eines Gebiets gegen Arbeiter eines anderen Gebietes auszuspielen.

Wenn die Nationalisten die Unabhängigkeit als progressive Alternative zur “Herrschaft Westminsters” darstellen können, dann liegt das vor allem an den unzähligen scheinlinken Organisationen wie der Scottish Socialist Party (SSP), der Socialist Workers Party, der Radical Independence Campaign (RIC) und an Individuen wie Tommy Sheridan und SSP-Führer Colin Fox, der gemeinsam mit Hedgefonds-Besitzern und SNP-Führern im leitenden Gremium der „Ja“-Kampagne sitzt.

Ihre Perspektive unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der anderer regionalistischer und separatistischer, eindeutig rechts stehender Formationen wie etwa der italienischen Lega Nord oder des belgischen Vlaams Belang. Die wirklichen Interessen, deretwegen sie die Unabhängigkeit befürworten, sind die einer Schicht der Mittelklasse, die persönlich von der Unzahl an neuen Posten bei der nationalen und den Lokalregierungen, in Institutionen, im kulturellen und gewerkschaftlichen Umfeld profitieren will, deren Schaffung sie sich nach einem positiven Ausgang des Referendums versprechen.

Die scheinlinken Gruppen agieren als Fußtruppen für die “Ja”-Kampagne, indem sie Lügen über ihre Motive, Ziele und Folgen verbreiten. Ihre besondere Rolle ist es, die beachtliche Opposition zu ersticken, die es unter schottischen Arbeitern gegenüber dem separatistischen Projekt gibt. Wie der Historiker Neil Davidson bei einer Versammlung der RIC bemerkte: “Die Anwesenden hier, Menschen auf der Linken, die Streikposten draußen… glauben an die Einheit der britischen Arbeiterklasse, sie lehnen einige von uns, die für die Unabhängigkeit eintreten, als nützliche Helfershelfer der herrschenden Klasse ab.“

In der Tat sind sie nützliche Helfershelfer des Großkapitals. Ihrer Rolle entsprechend, bedienen sie sich immer offener kapitalistischer Argumente. So erklärte Colin Fox vor kurzem, dass eine sozialistische Option „angesichts unserer finanziellen Verpflichtungen gegenüber internationalen Organisationen im Augenblick nicht realistisch“ sei.

Er fuhr fort: “Das klassische linke Argument, die Unabhängigkeit Schottlands würde die Einheit der britischen Arbeiterklasse untergraben“, ist „für uns eine nicht mehr zeitgemäße Formulierung“.

Dieses eindeutige Werben für Nationalismus ist politisch kriminell und stempelt Fox und seine Gesinnungsgenossen zu Feinden der Arbeiterklasse. Denn wenn die nationale Identität in England vor der Klasseneinheit kommt, dann steht sie überall an erster Stelle. Das bedeutet, dass die Scheinlinken die Schaffung von unzähligen Kleinstaaten auf der Basis von ethnischer Zugehörigkeit, Sprache oder Religion befürworten.

Daraus ergibt sich eine politisch reaktionäre Haltung auf der ganzen Linie. Niemand sollte die tragische Erfahrung Jugoslawiens vergessen, dessen Auseinanderbrechen in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt blutiger Bürgerkriege und einen katastrophalen Niedergang des Lebensstandards auslöste. Ebenso muss man im Gedächtnis behalten, wie sektiererische Spaltungen von der Nato für ihren Krieg gegen Libyen und für die Anzettelung des Bürgerkriegs in Syrien ausgenutzt wurden. Und niemandem kann es entgangen sein, wie ethnische und sprachliche Spaltungen erneut instrumentalisiert werden, um die militärische Aggression der Nato gegen Russland in der Ukraine voranzutreiben. In jedem einzelnen Fall stellten sich die Scheinlinken hinter den Imperialismus – immer im Namen der Verteidigung der „Selbstbestimmung“.

Als Gegnerin jeder Form von Nationalismus ruft die SEP Arbeiter und Jugendliche auf, die großen Traditionen der Klassensolidarität in der britischen Arbeiterklasse auf höheren Grundlagen in einer vereinten Bewegung zur Abschaffung des Kapitalismus in Großbritannien, Europa und international zu erneuern. Wer mit dieser Perspektive übereinstimmt, sollte unserer Partei beitreten.

(1) Verlagerung politischer Kompetenzen vom nationalen Parlament an gewählte Regionalparlamente

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